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# taz.de -- Kinofilm „Prince Avalanche“: Zwei Männer und ein Mittelstreifen
> Wo die Die Latte niedrig liegt: „Prince Avalanche“ von David Gordon Green
> ist ein Roadmovie, in dem die Helden lieber zu Fuß gehen.
Bild: Lance (liegend, Emile Hirsch), der Heißsporn, und Alvin (Paul Rudd), der…
Was muss ein richtiger Mann können? Einen Fisch ausnehmen, ein Zelt
aufbauen und einen Knoten binden, meint Alvin. Für Lance dagegen zählt nur,
wie viele Frauen er flachlegen kann.
Die Latte liegt niedrig für die Protagonisten von „Prince Avalanche“. Sie
reißen sie dennoch bravourös: Zumindest wirkt Lance so begriffsstutzig,
dass man sich fragt, ob er sich allein die Schuhe zubinden kann, und bis
zum Ende werden die beiden jungen Männer auch keinen Sex gehabt haben. In
der langen, typisch amerikanischen Tradition des Buddy-Films gibt dieses
Kumpel-Paar ein ziemlich tragikomisches Bild ab.
Beide Männer sind on the road, aber anders als in den glorreichen späten
sechziger und frühen siebziger Jahren, als Butch Cassidy und Sundance Kid
auf Pferderücken das Land unsicher machten, Wyatt und Billy in „Easy Rider“
auf ihren Choppern den Spießern den Steinbrück-Finger zeigten und die
beiden namenlosen Protagonisten von „Two Lane Blacktop“ illegale Rennen in
ihrem aufgemotzen Chevrolet One-Fifty fuhren, sind Lance und Alvin zu Fuß
unterwegs.
In blauen Latzhosen malen sie im Sommer 1987 gelbe Mittelstreifen auf eine
scheinbar endlose Straße in einem vor Kurzem abgebrannten Wald im
Niemandsland von Texas. Wirklich Kumpels sind sie zunächst nicht. Aber
Alvin nimmt Lance unter seine Fittiche, weil er der kleine Bruder seiner
Freundin ist.
## „Walden“-artiges Läuterungserlebnis
Den Genreregeln entsprechend könnten beide kaum unterschiedlicher sein:
Lance ist ein jugendlicher Heißsporn, alles andere als helle, aber dafür
ganz niedlich in seiner triebgesteuerten Naivität. Der etwas ältere Alvin
glaubt dagegen, die Lebensweisheit mit der Schaufel gefressen zu haben.
Seine Arbeit sieht er als ein „Walden“-artiges Läuterungserlebnis auf der
Landstraße, aber eigentlich ist auch er nur ein armer Tropf.
Die Rollenverteilung der beiden erinnert ein wenig an die Kino-Urväter der
Buddy-Komödie: Stan Laurel und Oliver Hardy – wenn Doof allerdings
dauerrollig gewesen wäre und Dick ein paar Selbsthilfebücher zu viel
gelesen hätte.
Wirklich zu packen bekommt man David Gordon Greens achten Kinofilm mit
solchen Vergleichen nicht. Kein Wunder, der gerade einmal 38-jährige
Regisseur, Autor und Produzent hat eine der unberechenbarsten Karrieren in
der amerikanischen Filmindustrie der letzten Dekade hingelegt. Sein Debüt
„George Washington“ (2000) war ein Indie-Drama über eine multiethnische
Gruppe von Kindern aus der Arbeiterklasse, die ein düsteres Geheimnis
bewahren müssen.
Mit der Kifferkomödie „Pineapple Express“ (2008) wechselte er ein paar
Filme später in den Bannkreis von Judd Apatow – dem erfolgreichsten
Humorspezialisten Hollywoods zurzeit. Greens Mainstream-Komödien seither
(„Bad Sitter“, „Your Highness“) wurden zwar nicht mehr von Apatow
produziert, folgen aber deutlich dessen tiefen Spuren.
## „Samuel Beckett nach einigen Zügen aus der Bong“
Mit „Prince Avalanche“ geht er jetzt wieder eigene Wege. Auch wenn seine
zwei Typen, die nie „richtige“ Männer geworden sind, aus dem aktuellen
Mainstreamkomödien-Bausatz entsprungen sein könnten, so wirft „Prince
Avalanche“ sie in einen völlig anderen Kontext – was wahrscheinlich daran
liegt, dass Green eine isländische Komödie aus dem Jahr 2011 auf
amerikanische Verhältnisse umgeschrieben hat.
Man könnte sich den Stoff auch als Theaterstück vorstellen. Neben den
beiden Männern im Wald taucht lediglich ein paarmal ein skurriler alter
Truckfahrer mit einer Vorliebe für schwarz gebrannten Schnaps auf und eine
alte Frau in den Ruinen ihres abgebrannten Hauses, die vielleicht ein Geist
ist oder nur eine Erscheinung aus Alvins Imagination.
Die Grundkonstellation, schreibt die New York Times, hätte sich „Samuel
Beckett nach einigen Zügen aus der Bong“ ausdenken können, in Anspielung
auf dessen Zwei-Mann-Klassiker „Warten auf Godot“. Plot im herkömmlichen
Hollywood-Sinne gibt es auch kaum in „Prince Avalanche“: Der Film mäandert
träumerisch dahin, beschränkt sich weitgehend darauf, immer tiefer in die
Psyche der beiden Hauptdarsteller einzudringen.
## Witze über mangelnde Männlichkeit
Überraschenderweise ist „Prince Avalanche“ aber auch großes, bildmächtig…
Kino – eine Seltenheit für eine Komödie. Der abgebrannte Wald mit seinen
verkohlten Stämmen, dem vergilbten Nadelgrund und dem frisch hellgrün
nachwachsenden Unterholz bietet dem Kameramann Tim Orr eine einmalige,
zugleich vertraut und fremd wirkende Kulisse – gedreht wurde übrigens im
2011 tatsächlich abgebrannten Bastrop State Park nicht weit von Austin.
Auch die schwebend-schwärmerische Musik von Greens Kindheitsfreund David
Wingo und der texanischen Postrock-Band Explosions in the Sky rückt die
eigentlich doch so prosaische Geschichte ins Pastorale. In einigen schönen
Montagesequenzen wird das Naturerlebnis gar bis ins Ekstatische gesteigert.
Das sind genau die Momente, die lange nach dem Kinoerlebnis bleiben werden,
wenn die üblichen tragikomischen Witze über mangelnde Männlichkeit schon
längst vergessen sind.
26 Sep 2013
## AUTOREN
Sven von Reden
## TAGS
Kinofilm
Kino
Steven Soderbergh
Carlos
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