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# taz.de -- Die Wahrheit: Eine heiße Beerdigung
> Martin Conroy hatte Freude daran, anderen einen Streich zu spielen. Seine
> Ideen für einen Schabernack hätten jeden 14-Jährigen mit Stolz erfüllt.
Martin Conroy hatte Freude daran, anderen einen Streich zu spielen. Seine
Ideen für einen Schabernack hätten jeden 14-Jährigen mit Stolz erfüllt.
Martin war allerdings 66. Sein letztes Opfer war seine 16-jährige Nichte
Debbie. Weil sie sparsam ist, druckte er ihr aus dem Internet eine
Anleitung aus, wie sie ihr Mobiltelefon mit Hilfe einer Zwiebel aufladen
könne.
Sie folgte der Anleitung, bohrte mit einem Schraubenzieher zwei Löcher in
die Zwiebel, platzierte das Gemüse dann für 30 Minuten in einem
Energiegetränk, damit es die Elektrolyten absorbieren konnte, und stopfte
danach ein USB-Kabel in die Zwiebel. Das andere Ende verband sie mit ihrem
Telefon. Nichts passierte. Ihr wurde schlagartig klar, dass das Geld für
die Zwiebel und das Energiegetränk ausgereicht hätte, um ihr Telefon
mehrere Dutzend Male auf konventionelle Art zu laden. Das Kabel mit
Zwiebelgeruch wird sie lange an ihren Onkel erinnern.
Der ist vor zwei Wochen ganz plötzlich verstorben. Er und seine Frau Carol
waren von einem Ausflug heimgekehrt, als Martin sich auf eine Treppenstufe
setzte und sagte: „DNR – and I mean it.“ Carol ahnte, was er meinte: Do n…
resuscitate – nicht wiederbeleben. Dafür war es ohnehin zu spät.
Die Beerdigung zwei Tage später auf dem Friedhof von Glasnevin im Norden
Dublins war gigantisch. Martin stammte aus einer großen Familie, er hatte
vier erwachsene Kinder und sechs Geschwister, und die wiederum hatten drei
bis fünf Kinder. Außerdem hatte er einen großen Freundes- und
Bekanntenkreis, denn Martin war als Busfahrer viel unter Leute gekommen,
und außerdem hatte er sich in diversen Vereinen und Wohltätigkeitsverbänden
engagiert.
All diese Leute hatten sich nun in die kleine Kapelle des Krematoriums
gequetscht. Martins Frau, seine Kinder und andere Verwandte legten Gaben
auf den Sarg, die in Martins Leben eine bestimmte Bedeutung hatten: eine
Tageszeitung, weil er die immer beim Frühstück las; sein Handy, weil er
ständig telefonierte; seine Mundharmonika, die er manchmal spielte; eine
Tüte Gummibärchen, seine Leibspeise.
Dann wurde der Sarg langsam in den Keller abgesenkt, wo er in den Ofen
geschoben werden sollte. Auf der nun leeren Bühne schloss sich ein weißer
Vorhang, viele weinten. Plötzlich ging ein Aufschrei durch die halbe
Trauergemeinde, die andere Hälfte wunderte sich. Carol war einer Ohnmacht
nahe. Viele hatten ihre Handys gezückt und starrten ungläubig auf eine
Textnachricht von Martin, der Leiche: „Geht es nur mir so, oder ist es hier
wirklich verdammt heiß?“
Debbie wollte sich verdrücken, wurde aber am Ausgang gestellt, weil einer
der Trauergäste Martins Nummer gewählt hatte, und es in Debbies Hosentasche
klingelte. Sie hatte sich heimlich des Telefons bemächtigt, als sie die
Gummibärchen auf den Sarg legte, und die Textnachricht an alle Personen aus
dem Handy-Adressbuch geschickt. Martin hätte das komisch gefunden,
verteidigte sie sich. Die Trauergemeinde fand es nicht komisch. Debbie
wurde vom Leichenschmaus ausgeschlossen.
29 Sep 2013
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
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Irland
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