# taz.de -- Treffen der Filmbranche: Die versteckten Schmuckstücke | |
> Beim Symposium „Reclaim Television“ ging es um die neue Generation der | |
> Filmemacher, die besten Stoffe und optimistische Schlagworte. | |
Bild: Stoffentwicklung für die Flimmerkiste. | |
Ist der Aufruf, alte Obst- und Gemüsesorten zu bewahren, „hochpolitisch“? | |
Ja, sagt Rolf Schlenker, beim SWR zuständig für die Entwicklung neuer | |
Formate. Es gehe um die „Schlüsselgewalt über unsere Ernährung“. Deshalb | |
plant der SWR gerade die kämpferische Reihe „Rettet die alten Sorten“. | |
Vorbild ist die Dokureihe „The Great British Property Scandal“ von Channel | |
4. | |
Diese Projekte fallen in die Kategorie „Kampagnenfernsehen“ – eines der | |
Buzzwords, die das zweitägige Symposium „Reclaim Television“ prägte, das | |
Ende der vergangenen Woche im Filmforum NRW in Köln stattfand. TV-Programm- | |
und Filmemacher wie Schlenker präsentierten hier ihre Konzepte sowie neue | |
Projekte. Vor allem ging es darum, was heute wichtig ist für die | |
„Stoffentwicklung für dokumentarische Formate“. So lautete der Untertitel | |
der Veranstaltung, die die Dokumentarfilminitiative im Filmbüro | |
Nordrhein-Westfalen organisiert hatte. | |
Die Frage, „ob ein Stoff Kampagnen-Potenzial hat“, werde „in der | |
Stoffentwicklung immer stärker eine Rolle spielen“, sagt Schlenker. Der | |
Inbegriff der Kampagne mit dokumentarfilmischen Mitteln ist Valentin Thurns | |
Film „Taste the Waste“, der das Wegwerfen von Lebensmitteln anprangert. Er | |
lief im Herbst 2010 zuerst im Fernsehen und startete ein Jahr später in | |
einer anderen Fassung im Kino – wobei die TV-Ausstrahlung dabei half, | |
Organisationen wie Slowfood ins Boot zu holen. Thurn initiierte auch eine | |
Onlinekampagne, schrieb ein Buch und gründete den Verein Foodsharing. | |
Neben dem „Kampagnenfernsehen“, bei dem ein Film nur ein, wenn auch | |
zentraler Teil eines größeren Projekts ist, prägten weitere durchaus | |
optimistische Schlagworte das Symposium: Fabian Döring und Florian Müller – | |
beim NDR verantwortlich für die Reihe „7 Tage …“, in der sich TV-Autoren | |
als eine Art Praktikant in das (Arbeits-)Leben anderer Menschen begeben, | |
sangen ein Loblied auf die „Waffen der Empathie“. | |
Ddie 3sat-Filmredakteurin Katya Mader setzt in der Reihe „Ab 18“ auf | |
„cineastische“ Autorendokumentarfilme, die „nicht leicht konsumierbar“ | |
sind; Maik Bialk und Dorothee Pitz schließlich, beim WDR zuständig für | |
„Hier und heute unterwegs“, verfochten einen „poetischen Realismus“. | |
## „Das Konzept entsteht beim Drehen“ | |
Bialk begreift sich eher als Leiter einer Autorenwerkstatt und nicht, wie | |
viele Doku-Redakteure, als Produktmanager. Es gehe ihm darum, dem | |
„Entfremdungsprozess zwischen Dokumentarfilmern und dem Apparat Fernsehen“ | |
entgegenzuwirken. Aufschlussreich war vor allem, was die WDR-Leute zum | |
Thema Stoffentwicklung äußerten. „Das Konzept entsteht beim Drehen“, sagt | |
Pitz, die aufwendige Exposés für kontraproduktiv hält. | |
Anders gesagt: Die besten Stoffe sind jene, die vorher nicht entwickelt | |
wurden – sie entstehen dann, wenn sich Autoren auf Menschen und Situationen | |
einlassen oder gar in sie eintauchen, um den beim Symposium ebenfalls | |
kursierenden englischen Begriff „immersionism“ aufzugreifen. | |
Den brachte Tom Littlewood ein, Chefredakteur der deutschen Ausgabe des | |
Vice-Magazins und als Autor tätig für die Reihe „Wild Germany“, die die | |
TV-Abteilung von Vice für ZDFneo produziert hat. Bei „Wild Germany“ habe | |
man davon profitiert, „die Geschichte nicht vorher auf Papier präsentieren | |
zu müssen“. In der Regel wollen Redakteure vorher aber genau wissen, was | |
der Autor – und seine Protagonisten – sagen werden, um die so genannte | |
Wirklichkeit vorausplanen zu können. | |
Insgesamt zeigte „Reclaim Television“, dass es in der Altersgruppe von | |
unter Anfang 40 TV-Redakteure gibt, die für eine Art neue alte Schule | |
stehen. Sie haben einen stärkeren Bezug zu den Ursprüngen des | |
Dokumentarfilms als die Älteren in den höheren Etagen. Die Crux: Die Sender | |
verstecken ihre Schmuckstücke. | |
Der NDR zeigt „7 Tage …“ sonntags um 15.30 Uhr, und „Hier und heute | |
unterwegs“ ergeht es nicht besser: Die 30-minütigen Dokus laufen im WDR | |
Fernsehen samstags um 18.20 Uhr – ausgerechnet zur beliebten | |
„Sportschau“-Zeit. | |
30 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
René Martens | |
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