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# taz.de -- Hamburger Kurzfilmfest wächst: Das Fest der Stiefkinder
> Kurzfilme sind weitgehend nichtkommerzielle Produkte. Das Internationale
> Kurzfilmfestival in Hamburg wird trotzdem immer größer: Dieses Jahr
> werden dort mehr als 400 Kurzfilme gezeigt.
Bild: Nichtkommerzielle Filme sorgen für gute Atmosphäre: Szene von der Festi…
BREMEN taz | Bei Kurzfilmen ist manchmal die Zahl der Macher größer als die
der Zuschauer. Es ist eine Gattung ohne ein gewinnträchtiges
Verwertungssystem – in einigen Kommunal- und Programmkinos werden zwar
regelmäßig Kurzfilme gezeigt und in den Kulturkanälen des Fernsehens gibt
es ein paar Sendungen, in denen Kurzfilme gezeigt werden, aber an den
Kassen wird kaum einer von ihnen seine Kosten wieder einspielen. Kurzfilme
sind weitgehend nichtkommerzielle Produkte.
Die Filme werden manchmal von Hochschulen oder durch Fördergelder
finanziert, meist entstehen sie aber durch schiere Selbstausbeutung und
Freundschaftsdienste. Wenn also bei den Beiträgen des Internationalen
Kurzfilmfestivals, das derzeit in Hamburg stattfindet, der Abspann länger
zu sein scheint als das Werk, dann wegen der langen Liste von
Unterstützern, die umsonst zur Fertigstellung des Films beigetragen haben.
Die digitale Technik und das Netz haben auch hier die Regeln verändert: Das
Klischee von der Hypothek auf das Familienheim, mit der die Eltern den Film
ihres Wunderkinds ermöglichen, ist nicht mehr aktuell, weil Filmemachen
viel billiger geworden ist. Zudem gibt es im Internet Foren und Portale,
auf denen massenhaft Kurzfilme angesehen und kopiert werden. Doch das
Grundproblem wird dadurch nicht aufgehoben: Verhältnismäßig viele machen
Kurzfilme, nur wenige schauen sie sich an.
Deshalb sind Filmfestivals für die Branche – wenn man von einer solchen
überhaupt sprechen kann – so wichtig. Hier werden die Filme auf großer
Leinwand und vor vielen Leuten gezeigt. Es winken Preise und mit einem
prämierten Film stehen die Chancen gar nicht schlecht, dass der Filmemacher
zu weiteren Festivals eingeladen wird.
Das älteste und wichtigste Kurzfilmfestival findet jährlich in Oberhausen
statt, aber das Kurzfilmfestival Hamburg hat sich über die Jahre
erstaunlich vergrößert. Ursprünglich als NoBudget-Festival gegründet, wird
es von der Kurzfilmagentur Hamburg organisiert.
In diesem Jahr werden an sieben Tagen über 400 Filme in neun Spielstätten
gezeigt, es gibt sieben Wettbewerbe und angegliedert sind das
Kinderkurzfilmfestival „Mo & Friese“ sowie das „Kinokabaret“, bei dem F…
in 48 Stunden entstehen und dann sofort öffentlich aufgeführt werden.
Da beim Kurzfilmfestival die Länge die einzige Auswahlbeschränkung ist –
kein Film darf mehr als 30 Minuten dauern –, werden Filme in den
verschiedensten Formaten, Stilformen und Genres gezeigt. Zum Teil direkt
aufeinander folgen Dokumentationen, Kurzspielfilme, Animationsfilme,
Experimentalfilme und Filmessays.
Geordnet wird nach anderen Kriterien: So gibt es einen internationalen
Wettbewerb mit acht Programmblöcken, einen deutschen Wettbewerb und die
„Pilsner Urquell Hamburg Nacht“, bei der Werke von Hamburger Filmemachern
gezeigt werden. Beim Wettbewerb „Flotter Dreier“ dürfen die Filme nicht
länger als drei Minuten sein und sie müssen zumindest lose zu einem
vorgegebenen Thema passen. Das Thema in diesem Jahr lautet „Durchbruch“.
Auch von dem Prinzip „No-Budget“ hat sich das Festival nicht verabschiedet.
In diesem Wettbewerb werden Filme gezeigt, die mit wenig Geld, aber viel
künstlerischem Ehrgeiz produziert wurden. Dies könnte man etwa von Daniel
Seidenmeyers und Daniel Pfeiffers „Hurdy Gurdy“ sagen: In dem Film wird mit
einer digitalen Verfremdungstechnik gearbeitet, die das Raumgefühl des
Zuschauers so manipuliert, dass dokumentarische Außenaufnahmen aussehen wie
die Bilder aus einer Spielzeugminiaturwelt. Reale Stadtansichten und
Baukastenszenen werden hier so geschickt montiert, dass es meist unmöglich
ist, sie voneinander zu unterscheiden. Vielleicht können Kinder mit ihrem
vorurteilsfreien Blick noch am ehesten das Verwirrspiel durchschauen, und
vielleicht läuft der Experimentalfilm deshalb auf dem Kinderfestival „Mo &
Friese“.
Ähnlich irritierend ist der australische Kurzspielfilm „The Captain“ von
Nash Edgerton und Spencer Susser: Hier irrt ein Pilot durch die
Abbruchstelle seines Flugzeugs, die so überzeugend in Szene gesetzt ist,
wie es sich kein Kurzfilmer je leisten könnte. Ist der Unglücksort real
oder handelt es ich um die Filmkulisse zu einem Hollywoodfilm? Die
Verunsicherung ist so elementar, dass man die eher banale Pointe verzeiht,
ja kaum bemerkt.
Mit einer ähnlichen Fallhöhe zwischen Weltgeschehen und Alltagsleben
spielen Daniel Jenny und Stéphane Guérin in ihrem „inszenierten
Dokumentarfilm“ namens „Mission Apo11o“. Bei dem ein einziger Satz in ein…
Telefongespräch den „wichtigsten Schritt der Menschheit“ ziemlich
lächerlich wirken lässt.
In Nebenreihen werden historische Werbefilme gezeigt, es wird die neu
entstehende Filmszene von samischen Filmemachern aus Norwegen vorgestellt
und einige der schönsten Stücke aus der Kurzfilmsammlung des 2010
verstorbenen Filmverleihers Walter Kirchner werden aufgeführt.
Ein Höhepunkt des Festivals ist die Uraufführung der Dokumentation „Romy,
ich bin krank“ am Freitagabend im Zeise-Kino. Andreas Grützner porträtiert
darin den Starfotografen Jürgen Vollmer, der als erster Aufnahmen von den
Beatles auf der Reeperbahn machte und ihnen etwas später den wohl
folgenreichsten Haarschnitt des 20. Jahrhunderts verpasste. Eine
interessante Geschichte wird hier filmisch originell und unterhaltsam
umgesetzt. Das klingt wie die Definition eines gelungenen Kurzfilms.
## Internationales Kurzfilmfestival: bis 10. Juni, Hamburg
6 Jun 2013
## AUTOREN
Wilfried Hippen
## TAGS
Dokumentarfilm
Hamburg
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