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# taz.de -- Brandstiftung: Anschlag auf Sinti und Roma-Zentrum
> In Oldenburg wurde ein Brandanschlag auf ein Kulturzentrum für Sinti und
> Roma verübt. Der Verein berichtet von Drohungen eines Neonazis.
Bild: Brandanschlag in Oldenburg: Zuvor gab es Drohungen gegen das Kulturzentru…
OLDENBURG taz | Auf ein Kulturzentrum für Sinti und Roma in Oldenburg ist
in der Nacht zu Montag ein Brandanschlag verübt worden. Unbekannte zündeten
die Fußmatte vor der Eingangstür mit Brandbeschleunigern an. Gemeldet
worden ist das Feuer gegen zwei Uhr nachts – ein Bäcker, der seine Arbeit
begann, soll es zufällig entdeckt haben.
Wenig später sei das Feuer von allein wieder erloschen, ohne dass die
Feuerwehr eingreifen musste. Fotos zeigen starke Rußspuren im
Eingangsbereich des Kulturzentrums, das im Oldenburger Stadtteil
Kreyenbrück liegt. Der Türrahmen wurde angesengt und die Lackierung ist von
der Hitze geplatzt. Die Höhe des Schadens konnte die Polizei nicht
beziffern. Menschen wurden nicht verletzt.
Noch in der Nacht kontrollierte die Polizei einen 25-jährigen Verdächtigen
in der Nähe des Tatorts. Noch sei unklar, ob der Mann mit der Brandstiftung
in Verbindung steht, sagte Polizeisprecher Mathias Kutzner. Zu Tatmotiven
oder einer möglichen rechtsextremen Einstellung des Verdächtigen wollte er
keine Angaben machen. Allerdings gebe es für die Polizei „zum gegenwärtigen
Zeitpunkt keine Hinweise auf einen fremdenfeindlichen Hintergrund“.
Patrick Schwarz hingegen ist sich sicher, dass es die Tat von
Rechtsextremen war. Schwarz ist der zweite Vorsitzende des „Freundeskreis
für Sinti und Roma“, der das Zentrum betreibt. Und er hat klare Hinweise:
Ein Nachbar habe am Freitag das Gespräch von einem bekannten Neonazi
mitgehört, der im Stadtteil in der Nähe wohnt. Dass sie auf das
Kulturzentrum mal einen Anschlag verüben müssten, hätte der Neonazi gesagt.
Schwarz habe das von dem Nachbarn erst am Montag erfahren, all das aber
auch der Polizei berichtet, als sie sich am Montagnachmittag bei ihm
gemeldet hätte. Es ärgert ihn, dass ihn die Polizei nicht früher
kontaktiert hat und er kann sich nicht erklären, warum die Polizei dennoch
keine Hinweise auf einen fremdenfeindlichen Hintergrund sehe. Der
Pressesprecher der Polizei sagte am Montagnachmittag zur taz, dass ihm
Drohungen gegen das Kulturzentrum nicht bekannt seien.
Schwarz ist immer noch geschockt. „Die wollten das ganze Haus hier
anstecken“, sagt er. Nebenan lägen Wohnhäuser, es sei nicht auszudenken,
was passiert wäre, wenn der Brand sich ausgebreitet hätte. Der Name des
Vereins „Maro Kher“ ist an dem Kulturzentrum außen auf einem Schild
angebracht. Für alle sei sichtbar, dass es ein Verein für Sinti und Roma
sei.
Das Feuer war in den letzten Tagen nicht der erste Vorfall. Erst seien
Mitglieder des Vereins am Freitag von einem Mann mit Migrationshintergrund
antiziganistisch beschimpft worden und er habe auch mit Mord gedroht. „Ein
türkischer Neonazi“, vermutet Schwarz. Dann wurden in der Nacht zu Samstag
die Frontseite und die großen Fenster des Zentrums mit Mehl, Kakao und
Eiern beschmiert. „Da haben wir schon gesagt, dass es bestimmt nicht das
letze Mal war“, so Schwarz.
Kenner der rechtsextremen Szene Oldenburgs sagen, dass den deutschen
Neonazis ein Brandanschlag durchaus zuzutrauen sei. Im Dunstkreis der NPD,
die mit Ulrich Eigenfeld im Stadtrat vertreten ist, gebe es ein Grüppchen
von fünf bis sechs jungen militanten Aktivisten. Antifa-Kreise gehen davon
aus, dass die rechte Szene Oldenburgs mit der in Nordenham und der
Wesermarsch vermischt ist.
In letzter Zeit sei es in Oldenburg ruhiger geworden. Doch kam es in den
letzten Jahren durchaus zu gewalttätigen Vorfällen: Im November 2011 wurde
der jüdische Friedhof in Oldenburg mit Farbe beschmiert und mehrere
Grabsteine wurden umgeworfen. Ein Polizist, der die Tat mitbekam, wurde mit
Pfefferspray verletzt. Die Polizei ermittelte fünf Tatverdächtige –
darunter vier Mitglieder der NPD.
Im März 2012 hatten acht Männer versucht, in das Wohnhaus eines des
Kindesmissbrauchs Verdächtigen in Nordenham einzudringen – die fünf
Tatverdächtigen stammten aus der rechten Szene Oldenburgs. Zuletzt wurde
das Haus der Yezidischen Gemeinde in Oldenburg mit Hakenkreuzen beschmiert
– nachdem die NPD im September ein Bild des Gemeindehauses auf ihrer
Website veröffentlichte, zusammen mit anderen Fotos, die eine angebliche
„Überfremdung“ Oldenburgs belegen sollten.
Das Kulturzentrum für Sinti und Roma in Kreyenbrück betreibt der Verein von
Patrick Schwarz erst seit ein paar Monaten. Nach einem Empfang im
Oldenburger Rathaus, anlässlich der Errichtung des „Denkmals für die im
Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas“ in Berlin, habe die
Stadt dem Verein endlich geholfen, einen Raum zu finden.
Über 20 Jahre habe sein Verein dafür gekämpft, sagt Schwarz. „Maro Kher“
hätten sie es genannt, das heißt „Unser Haus“. Ein Ort der Begegnung soll
das Kulturzentrum nun sein, „für alle Leute, nicht nur für Sinti und Roma�…
sagt er. Im Haus finde Gitarren-Unterricht statt, eine
Hausaufgaben-Betreuung für Kinder, ein Kaffee-Treff. Jeden Samstag treffe
sich seine Freie-Christen-Gemeinde hier zum Gottesdienst.
In der multikulturellen Nachbarschaft, sei das Zentrum gut aufgenommen
worden. Vorfälle wie die der letzten Tage lassen Schwarz jedoch
verzweifeln. „Wir versuchen es zu vergessen, was damals war“, sagt er, „w…
sie mit unseren Großeltern in Auschwitz gemacht haben“.
Er lade die deutsche Bevölkerung ein, die Sinti-Gemeinde kennenzulernen und
aufeinander zuzugehen. Aber: „Wenn wir die Hand reichen und wir nicht mal
den kleinen Finger zurück kriegen, wie soll das jemals funktionieren?“,
fragt Schwarz. Das Kulturzentrum sei gegen den Schaden nicht versichert,
ohnehin sei der Verein auf Spenden angewiesen.
21 Oct 2013
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
## TAGS
Denkmal
Schwerpunkt Rassismus
Rechtsextremismus
Heilbronn
Familie
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