# taz.de -- Die Wahrheit: Fingerknöchel al Forno | |
> Kolumnen über das Älterwerden sind zum Kotzen. Noch schlimmer ist es, mit | |
> Anfang 30 eine Kolumne über das Älterwerden zu schreiben. | |
Bild: Bildungsterrorist bei seinem elitären Werk | |
Ich war immer der Meinung: Kolumnen über das Älterwerden sind zum Kotzen. | |
Das will doch keiner lesen. Jetzt weiß ich: Noch schlimmer ist es, wenn man | |
plötzlich den Drang verspürt, eine Kolumne über das Älterwerden zu | |
schreiben – und das mit Anfang 30! Gegen ein solches Verlangen kann man | |
sich nur wehren. Tja … | |
Ich hab’s versucht. Aber, halt! Bevor jetzt alle „laaaangweilig!“ brülle… | |
Im Grunde geht es in meinem Fall auch eher um die psychologischen und vor | |
allem traumdeuterischen Auswirkungen des partiellen Alterns. Meine | |
Fingerknöchel zum Beispiel sind Jahrzehnte älter als mein Restkörper. Das | |
merkt man daran, dass sie seit meinem 30. Geburtstag regelmäßig trocken, | |
spröde und schließlich blutig werden, sobald es Herbst wird. | |
Ich habe das nun einige Jahre standhaft ignoriert – wie alle anderen | |
eingebildeten oder tatsächlichen Zipperlein, auf die man zwangsläufig | |
wartet, wenn man aus der omniresistenten Teeniephase raus ist. In diesem | |
Jahr nun gingen mir diese trockenen Fingerknöchel dermaßen auf die Nerven, | |
dass ich mich sogar anschickte, Rat zu suchen. Dummerweise im Internet. Und | |
spätestens dann kommt man sich wirklich seltsam und alt vor. So wie ich, | |
als ich mich durch die Forumseinträge von „Silvia_Maus“, „Stoffel“ und | |
„Petra64“ scrollte. | |
Die rieten mir – na ja, eigentlich sich gegenseitig – es mit einer | |
Olivenölpackung zu versuchen, die man abends auf die Hände gibt und sich | |
dann erst dünne Baumwollhandschuhe und dann nochmal Plastiktüten | |
drüberzieht. Das sei total easy, lecker und billig. Die Baumwollhandschuhe | |
gebe es in jedem Drogeriemarkt (was natürlich nicht stimmt, ich habe zwei | |
verschiedene aufgesucht). Alternativ wurde auch die „Hautregeneration von | |
innen heraus“ betont. Das ginge mit Leinöl. | |
Weil ich auch das nicht hatte, versuchte ich es mit einem extrem scharfen | |
Paneer Jalfrezy vom Inder, das irgendwie auch über Nacht nachwirken sollte | |
– in Körper und Geist. Ich träumte danach nämlich schon von meinen | |
Fingerknöcheln. In diesem bizarren Albtraum zogen sie erst milchig-weiße | |
Schlieren, die dann spröde wurden und abbröselten. Dann wurden meine Hände | |
plötzlich furchtbar heiß und klebrig. Ich blickte hinunter und sah | |
massenweise Reibekäse, der langsam zerlief. Ich versuchte ihn abzuziehen, | |
aber er zog lauter Fäden. Darunter kam schließlich halb verbrannte, wunde | |
Haut zum Vorschein. Ich spülte schnell mit kaltem Wasser, aber es brannte | |
höllisch. Dann schreckte ich aus dem Albtraum hoch. | |
Nach diesem nächtlichen Traumatraum ging es meinen Fingerknöcheln am | |
nächsten Tag schon viel besser. Was war da nur passiert? Spontane | |
Traumheilung? Unterbewusste Botschaften von „Petra64“? Es bleibt ein | |
Rätsel. Was auch immer in diesem Traum abgelaufen ist, ich bin zufrieden. | |
Vor allem, weil es mir nun erspart bleibt, meine Hände wirklich mit | |
Emmentaler zu überbacken. Aber falls hier noch jemand an trockenen Knöcheln | |
leiden sollte, seien Sie herzlich eingeladen, es einmal zu probieren. | |
22 Oct 2013 | |
## AUTOREN | |
Michael Gückel | |
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