# taz.de -- Journalistenpreis für „Langen Atem“: Beharrlich wie die Gallier | |
> Im Rockerclub oder im Stadion. Simone Wendler überzeugte mit Recherchen | |
> zu Rassismus beim Journalistenpreis für „Langen Atem“. | |
Bild: Wer in seiner Region über Rassismus schreibt, lebt gefährlich | |
Simone Wendler brachte es auf den Punkt: „Ich freue mich über diesen Preis, | |
weil er Brot- und Buttertugenden unseres Berufs ehrt.“ Wendler arbeitet für | |
die [1][Lausitzer Rundschau], jahrelang hat sie in den neonazistischen | |
Kreisen in der Region recherchiert – im Kickboxklub, bei Rockern, unter | |
Energie-Cottbus-Fans. | |
Für diese Beharrlichkeit bekam sie am Dienstagabend in der Berliner | |
Akademie der Künste den Preis „Der Lange Atem“ vom Journalistenverband | |
Berlin-Brandenburg verliehen. Für diese Beharrlichkeit flog vor kurzem aber | |
auch ein faustgroßer Stein durch das Fenster ihrer Wohnung. | |
Wer in seiner Region über Rassismus, über Korruption, Kungelei und andere | |
Missstände berichte, stehe schnell als Nestbeschmutzerin da, sagte Dagmar | |
Engel, Chefredakteurin bei der Deutschen Welle, in ihrer Laudatio. Wendler | |
könne weder Kritikern ihrer Arbeit noch den Objekten ihrer | |
Berichterstattung aus dem Weg gehen. | |
Sie teile damit ein Schicksal vieler Lokalberichterstatter. Dagegen lebten | |
„Großjournalisten“ fast schon gefahrlos: „Was kann schon schlimmstenfalls | |
passieren, wenn man die Kanzlerin kritisiert?“, fragte Engel. Vielleicht | |
würde man nicht mehr zu Flügen mit der Regierungsmaschine eingeladen. | |
Vielleicht. | |
## Ausdauer, Widerstandsfähigkeit, Mut | |
Die Chefreporterin Wendler steht deshalb exemplarisch für das, was dieser | |
Preis seit sieben Jahren auszuzeichnen versucht: Ausdauer, | |
Widerstandsfähigkeit, Mut. Der Vorsitzende des Journalistenverbands | |
Alexander Fritsch verglich die Nominierten deshalb mit den Galliern aus den | |
Asterix-Comics, mit deren gallischem Dorf, „das sich beharrlich und stur | |
nicht unterkriegen lässt“. | |
Wendler ist keine Feuilletonistin, ihre Texte – auch der auf der Bühne | |
vorgetragene – sind keine Prosa. Sie ist Berichterstatterin und | |
Aufklärerin, keine Künstlerin. „Eine muss es ja machen“, sagte sie bei der | |
Vorstellung ihrer Arbeit lapidar. Bei anderen Journalistenpreisen kommt man | |
mit solch einer Einstellung nicht über eine lobende Erwähnung hinaus. | |
Die Ästhetik steht fast immer im Vordergrund. Doch „guter Stil und | |
Sprachsicherheit sind noch nicht genug für den Langen Atem“, sagte Sabine | |
Prokscha vom Journalistenverband – hinzukommen müsse noch die | |
Hartnäckigkeit. | |
Die bewiesen alle zehn Journalistinnen und Journalisten, die für den Preis | |
nominiert waren – darunter auch taz-Redakteur Jost Maurin –, egal ob es um | |
Neonazis in Burschenschaften, die Abzocke von Kleinanlegern oder psychische | |
Folgen des Zweiten Weltkriegs für die Enkelgeneration ging und bis heute | |
geht. | |
Ausgezeichnet wurden auch Mario Kaiser (2. Platz) für seine Reportagen über | |
den Sozialstaat sowie Kathrin Rothe auf Rang drei für ihre [2][TV-Doku | |
„Betongold“, welche die sogenannte Entmietung ihrer eigenen Wohnung zeigt] | |
. Alle Preisträger wünschten sich am Ende eines: dem „Langen Atem“ noch | |
einen langen Atem. | |
30 Oct 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.lr-online.de/ | |
[2] /Doku-ueber-Mietervertreibung-auf-Arte/!117075/ | |
## AUTOREN | |
Jürn Kruse | |
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