# taz.de -- Der sonntaz-Streit: Dein Freund, der beste Feind | |
> "Können Staaten Freunde sein?", wird nach der NSA-Affäre gefragt. Schon | |
> Friedrich Nietzsche wusste: Streit gehört zur Freundschaft | |
Bild: Da blühte die deutsch-amerikanische Freundschaft noch: John F. Kennedy 1… | |
Nachdem bekannt wurde, dass vom Dach der Berliner US-Botschaft aus das | |
Regierungsviertel inklusive des Handys der Kanzlerin ausspioniert wurde, | |
wird viel über Freundschaft geredet. Unter anderem darüber, ob die | |
deutsch-amerikanische Freundschaft vielleicht nur ein Mythos war. | |
„Ich bin mir sicher, dass Deutschland und die USA trotz des | |
Vertrauensbruchs ziemlich beste Freunde bleiben“, schreibt Kathrin | |
Göring-Eckhardt im aktuellen sonntaz-Streit. Anders sieht das Katja Kipping | |
von der Linkspartei: „Individuen können Freunde, Staaten können lediglich | |
Verbündete sein. Als solche binden sie gemeinsame Interessen oder die | |
Drohung mit Gewalt.“ Derzeit werde von den amerikanischen Verbündeten | |
mutwillig gegen Grundsätze der deutschen Partner verstoßen. | |
Einig sind sich beide, wenn sie auf ihre Vergangenheit als DDR-Bürgerinnen | |
zurückblicken. Göring-Eckhardt bezeichnet sich als „gebranntes Kind“, wenn | |
es um Freundschaftsschwüre zwischen Staaten gehe. Denn die inszenierte | |
„Deutsch-Sowjetische Freundschaft“ sei vor allem ein Konstrukt gewesen, um | |
die Bürger ideologisch zu disziplinieren. Schon in den Geboten der | |
Jungpioniere war die Freundschaft mit den Kindern der Sowjetunion | |
verankert. | |
Katja Kipping schreibt, dass von „den Freunden“ ironisch immer dann die | |
Rede war, wenn es um Ärgernisse sowjetischer Militärpräsenz gegangen sei. | |
Sie findet: „Die Rückkehr der Freundschaftssemantik in Bezug auf | |
außenpolitische Beziehungen der Bundesrepublik ist bezeichnend.“ | |
Klaus-Dieter Eichler, Philosophie-Professor in Mainz, kritisiert eine rein | |
realpolitische Argumentation, wenn um es gute Beziehungen zwischen Staaten | |
geht: Politisches Handeln nur als interessengeleitetes Handeln zu | |
betrachten sei zu einfach. Politiker müssten nicht befreundet sein, „aber | |
die Freundschaft als politische Kategorie verweist auf die Bedingungen der | |
Möglichkeit von Politik überhaupt,“ schreibt er. Klaus-Dieter Eichler | |
glaubt, der aktuelle Umgang unter „Freunden“ hätte Friedrich Nietzsche gut | |
gefallen. Der prägte den Satz: „In seinem Freunde soll man seinen besten | |
Feind haben.“ | |
Der FDP-Politiker Hartfrid Wolff saß bis vor kurzem im Innenausschuss des | |
Deutschen Bundestages. Er hält eine enge Verbindung zwischen den Völkern | |
für ausschlaggebend. „Für eine Freundschaft zwischen Ländern ist | |
entscheidend, dass die Menschen befreundet sind“, sagt Wolff. Zwischen | |
Deutschland und den USA sei die Verbindung von beiden Seiten her durch | |
Respekt und ein gemeinsames Wertefundament geprägt. Die aktuellen | |
Differenzen sollten von den gewählten Volksvertretern angesprochen werden. | |
Behörden und Regierungen spielten in diesem Verständigungsprozess keine | |
entscheidende Rolle. | |
Der Koordinator für Transatlantische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt, | |
Harald Leibrecht, sieht in der momentanen Krise sogar eine Chance: | |
Fehlentwicklungen könnten korrigiert und klare Regeln für den Umgang | |
miteinander aufgestellt werden. „Dann können auch Staaten gute Freunde | |
sein“, meint er. | |
Die Streitfrage in der aktuellen sonntaz vom 02../03.November beantworteten | |
außerdem der FDP-Politiker Alexander Graf-Lambsdorff, die Geschäftsführerin | |
der Bertelsmann-Stiftung in Washington D.C. Annette Heuser, Beate Neuss, | |
Professorin für Internationale Politik an der TU Chemnitz, der Politologe | |
Andrew J. Nathan, die Entertainerin Gayle Tufts und der taz-Leser Steffen | |
Wolf. | |
3 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Katja Musafiri | |
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