# taz.de -- Kolumne Ich meld' mich: Ein Himmelsbegräbnis | |
> Wenn Holz fehlt und die Erde fast nur gefroren ist, dann bleibt oftmals | |
> nur, die Toten zu zerkleinern und sie den Geiern zu überlassen. | |
Bild: Geier bei einer rituellen Himmelsbestattung. | |
Loba hat noch einiges vor sich. Der Pilger mit der staubigen Schürze und | |
den adidas-Socken sinkt auf die Knie, wirft sich mit dem Oberkörper zu | |
Boden, schiebt die Hände, an denen er Holzbretter trägt, mit einem | |
scharrenden Geräusch nach vorn, rappelt sich hoch, macht zwei Schritte, | |
geht in die Knie … Ein ganzes Jahr wird er auf seiner Reise zu Ehren | |
Buddhas die Strecke von Aba bis Lhasa mit seinem Körper ausmessen. | |
Im chinesischen Osttibet, das nicht zur Autonomen Region Tibet mit ihrer | |
Hauptstadt Lhasa gehört, ist das religiöse Leben noch höchst lebendig. | |
Zeremonien finden statt, die buddhistischen Klöster haben regen Zulauf. Und | |
jedes weist seine Eigenheiten auf. So wartet auf einem Traktoranhänger im | |
Hof des Gerdi-Klosters in Aba ein eingepackter Körper auf sein endgültiges | |
Ende. | |
Die Mönche lesen aus dem Tibetischen Totenbuch, anschließend wird der | |
Leichnam zum Begräbnisplatz gefahren. Ein Zeremonienmeister hackt ihn in | |
Stücke und überlässt diese den Geiern, die vom Rauch eines Wacholderfeuers | |
angelockt werden. Das „Himmelsbegräbnis“ ist im Land der gefrorenen Erde | |
und der Holzarmut immer noch die verbreitetste Art, sich von den Toten zu | |
trennen. | |
Manche aber will man auch bei sich behalten. Das Kloster der Tschunangba in | |
Rangtang stellt inmitten von Plastikblumen den Körper des 46. Ringpoche aus | |
– mumifiziert. Das ehemalige Oberhaupt, 46. Wiedergeburt des | |
Klostergründers, ist kürzlich mit über 70 an Magenkrebs gestorben. | |
Mit blassem, länglichem Gesicht, das schwarze Haar straff zurückgekämmt, | |
kauert er wie eine Schaufensterpuppe im Brokatmantel im Glassturz. Seine | |
bevorzugte Schülerin, eine chinesische Nonne, spricht mit großer Liebe von | |
ihm. Wer ein paar Yuan spendet, bekommt ein Beutelchen mit Salz. Salz, mit | |
dem der Leichnam eingerieben war. | |
So ist es hier. Und niemand von uns Besuchern lacht. Wie auch, solange | |
anderswo Menschenfleisch serviert wird, das sich angeblich in Weißbrot | |
verwandelt hat. | |
4 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Franz Lerchenmüller | |
## TAGS | |
Buddhismus | |
Begräbnis | |
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