# taz.de -- Kolumne Ich meld'mich: Unterwegs in großen Nöten | |
> „Koch es, schäl es oder lass es“: Man kann diese oberste Maxime auf | |
> Reisen verbissen befolgen – auch sie schützt am Ende nicht. | |
Bild: Am stillen Ort. | |
Blasser als der Tod, die Lippen ein Strich, gehetzte Blicke nach allen | |
Seiten – wer ist das? Es ist ein Mensch auf Reisen, mit dem es die Götter | |
in diesem Moment nicht gut meinen. Sie haben ihm GAP geschickt, die größte | |
anzunehmende Plage gleich nach kanadischen Black Flies, schottischem Regen | |
und chinesischen Mitessern. Hier ist jemand in Nöten. Hier hat jemand das, | |
was man verschämt mit „Magenproblemen“ umschreibt. | |
„Cook it, peel it or forget it – Koch es, schäl es oder lass es“: Man ka… | |
diese oberste Maxime wie eine Voodoo-Formel vor sich hin beten und geradezu | |
verbissen befolgen – auch sie schützt am Ende nicht. Es kann das Curry | |
sein. Die Nudelsuppe zum Frühstück. Oder auch nur die Verbindung von kaltem | |
Bier und heißer Pizza. Und dann irrt man durch die Stadt, dieses nicht | |
abreißende, untergründige Bohren, Röhren und Grummeln in den Eingeweiden. | |
Man windet sich, man horcht nach innen – es will schon wieder gewittern. | |
Man legt sich kurze Etappen zurecht: Museum – Bahnhof – Galerie – Museum, | |
und hat sich vorher genau die Lage der örtlichen McDonald’s-Filialen | |
eingeprägt. Gerade in östlichen Ländern sind sie oft Vorposten | |
toilettentechnischer Zivilisation. | |
Man schwitzt. Man friert. Man flucht und kneift zusammen. Die Lust auf | |
Neues reduziert sich auf die Frage: Wo zum Teufel ist das nächste Klo? Und | |
wenn die Götter besonders missgelaunt sind, knüllt man im Hotel am anderen | |
Morgen ein Bettlaken in die Ecke des Bades, legt ein viel zu großes | |
Trinkgeld obendrauf – nein, Reisen ist nichts für Leute, die sich niemals | |
schämen wollen. | |
In Lima muss es das Ceviche gewesen sein, roh marinierter Fisch. Es | |
wirbelte heftigst hinterm Gürtel. Am Abend erwartete mich ein Probiermenü | |
bei einem der besten Köche Perus, eine Einladung, die ich so nie wieder | |
bekommen würde. Ich ging hin. Es war köstlich: Trockenfleisch mit Kürbis. | |
Taschenkrebse. Spanferkel in Fruchtsoße. Coca-Eis. Sieben Gänge kamen | |
insgesamt. Nach jedem legte ich einen Zwischengang ein. Wohin, ist klar. | |
14 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Franz Lerchenmüller | |
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