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# taz.de -- Wulff, Brüderle, Tebartz-van Elst: Sex, Lügen und Geschrei
> Erregung gehört zum medialen Kerngeschäft. Skandale zeigen
> gesellschaftlichen Gesprächsbedarf an. Aber bringt die Empörung wirklich
> was?
Bild: Damals noch kein Skandal: als rheinland-pfälzischer Weinbauminister test…
Wer war nochmal dieser Tebartz-van Elst? Der Tag wird kommen, an dem jemand
beim Smalltalk diese Frage stellt. Der Bischof ist wegen seines „Prunkbaus“
und einer Badewanne, die es womöglich auch im einen oder anderen Baumarkt
zu kaufen gibt, Gegenstand einer erregten Debatte geworden. Als Symbolfigur
steht er für das Bedürfnis nach Repräsentation in einer Kirche, deren Chef
gerade in die Bescheidenheitsoffensive gegangen ist.
Skandalisierungen folgen ihren eigenen Rhythmen. 22 Talkshows widmeten sich
im vergangenen Jahr den Verfehlungen des Bundespräsidenten Christian Wulff.
Er trat zurück. Am Donnerstag beginnt in Hannover der Prozess. Die
Staatsanwaltschaft wirft Wulff Vorteilsannahme vor. Er soll sich als
niedersächsischer Ministerpräsident einen Oktoberfestbesuch teilweise vom
Filmproduzenten David Groenewold bezahlt haben lassen. Später soll Wulff
für ein Filmprojekt Groenewolds geworben haben.
Wulff hatte es abgelehnt, sich auf einen Deal einzulassen, der zur
Einstellung des Verfahrens geführt hätte. Er will vor Gericht die Vorwürfe
entkräften. Die Erkenntnisse, die in der öffentlichen Verhandlung gewonnen
werden, könnten den Skandal noch einmal in einem neuen Licht erscheinen
lassen.
In vielen anderen Fällen gab es keine Gelegenheit zur Korrektur eines
Stimmungsbilds, das durch Leitartikel und Talkshows geprägt wurde.
Vielleicht ist das auch nicht nötig, weil das Publikum womöglich kritischer
ist, als sich die Redaktionen es sich vorstellen.
Menschen lieben Skandale, weswegen Erregung und Empörung zum medialen
Kerngeschäft gehören. Das wiederum lässt es immer etwas bigott erscheinen,
wenn sich Journalisten in den Medien über öffentliche Erregung erregen.
Trotzdem ist es erhellend, vergangene Empörungswellen zu studieren und zu
vergleichen. Sie geben Auskunft darüber, was die Leute umtreibt.
## Lautes Pfeifen der Skandale
Nicht jeder Skandalisierungsversuch führt zur großen Empörung. Ein gewisses
Maß an gesellschaftlichem Gesprächsbedarf muss gegeben sein. Auch wenn sich
in ein paar Jahren niemand mehr an den Bischof von Limburg erinnern sollte,
wird die Frage, wie reich die Kirche sein darf, vermutlich nicht
verschwunden sein.
Die großen Skandale lassen sich als gesellschaftliche
Selbstbeobachtungsprozesse beschreiben. Ihre Rückkopplungen schwellen
irgendwann zu einem lauten Pfeifen an, das in den Ohren klingelt.
Deshalb kann man sich fragen, was die Empörung bringt, und wer von ihr
profitiert. Es wäre vermutlich besser gewesen, die kruden Thesen Thilo
Sarrazins nicht in auflagenträchtigen Vorabdrucken unters Volk zu bringen,
sondern sie in kurzen Rezensionen abzuhandeln. Dann aber hätte man auch
nicht beobachten können, wie anfällig diese Gesellschaft immer noch für
eugenisches und rassistisches Gedankengut ist.
In anderen Fällen darf die Nachhaltigkeit der Aufregerthemen bezweifelt
werden. Die Skandalisierung des misslungenen Flirtversuchs von Rainer
Brüderle hat wenig Neues über das Frauenbild einer älteren Generation von
Männern an den Tag gebracht. Man sollte annehmen, dass Journalisten nichts
Menschliches fremd ist. Aber offensichtlich kann auch das Anlass zur
Empörung sein.
Brauchen wir Skandale? Sind sie dazu da, den Leserinnen und Zuschauern das
wohlige Gefühl zu geben, so doof oder unmoralisch wie die öffentlich
Vorgeführten seien sie selber nicht? Hat öffentliche Empörung die
gesellschaftlich wertvolle Funktion, drängende Themen zur Diskussion zu
stellen? Oder lenkt uns die auf einzelne Personen projizierte Erregung nur
davon, über wirklich empörende Verhältnisse nachzudenken?
9 Nov 2013
## AUTOREN
Ulrich Gutmair
## TAGS
Tebartz-van Elst
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