# taz.de -- Mode im Fernsehen: Schneider den Punk | |
> Die Castingshow „Fashion Hero“ bildet eine eigene Welt ab. Umso besser, | |
> sie sich zusammen mit einer Berlinerin Modedesignerin anzuschauen. | |
Bild: So hätte es mit dem Punk vielleicht gehen können. | |
BERLIN taz | Mitten in der fünften Folge kann auch Claudia Schiffer nicht | |
mehr an sich halten. Soeben wurden die Zwillingsschwestern [1][Jila und | |
Jale Pashottan] von der Jury übel abgestraft. Etwas Verspieltes, | |
Romantisches hatten die beiden Jungdesignerinnen entwerfen sollen, obwohl | |
ihre Mode doch sonst so „lässig, cool und edgy“ ist. | |
Das weiße Spitzenkleidchen mit dem bauschigen Rock, das ihr Model | |
präsentierte – es konnte die EinkäuferInnen von Asos, S. Oliver und | |
Karstadt nicht überzeugen. Keines der drei Modehäuser, das bei [2][Fashion | |
Hero], über Gedeih und Verderb der Designer-KandidatInnen entscheiden, | |
machte ein Kaufangebot – und das, obwohl die Zwillingsschwestern in den | |
ersten vier Folgen der Sendung zu den Shootingstars gehört hatten. | |
Während also bei einer der beiden Schwestern – Jila? Jale? Man weiß es | |
nicht – bereits die Schultern erzittern, steht auch Claudia Schiffer auf, | |
zupft, wie stets, wenn sie sich aus ihrem drehbaren Schalensessel erhebt, | |
das hautenge Kleidchen glatt und stakst auf langen, dünnen Modelbeinen auf | |
die Bühne. Dort drückt sie die weinende Schwester beherzt an sich und kann | |
nicht umhin, sich selbst die Augen mit den manikürten Fingern abzutupfen, | |
auf dass die Wimperntusche nicht verläuft. | |
Sie ist, das merkt man an dieser Szene nicht zuletzt, keine eiskalt | |
durchkalkulierte Grusel-Heidi Klum, die sonst den Markt der | |
Laufsteg-Castingshows im Reality TV-Format beherrscht. Im Gegensatz zu der | |
Macherin von [3][Germanys Next Topmodel] und der [4][US-amerikanischen Show | |
Projekt Runway], deren Konzept vermutlich Pate stand für das neue Pro | |
Sieben Format, ist Ex-Supermodel Schiffer, von der man bislang wenig mehr | |
kannte, als wunderschöne Bilder eines makellosen, blonden Engels, | |
erstaunlich sympathisch. | |
## Das andere Gesicht des Engels | |
Dennoch, auch bei Fashion Hero findet man sich wieder, in einer jener | |
Sendungen, die sich darauf spezialisiert hat, schöne, junge Menschen vor | |
große Aufgaben zu stellen, an denen einige von ihnen wohl oder übel | |
scheitern müssen und die dann, wenn das Scheitern offenbar wird, den | |
Comeshot auf die Tränendrüse perfektioniert haben. | |
Melancholisches Klaviergeklimper, klagender Gesang und Bilder in Slow | |
Motion zögern den Moment der Niederlage künstlich hinaus, so dass ihn die | |
ZuscherInnen daheim vor dem Fernseher auskosten können, nur um sich im | |
nächsten Moment wieder mit einem der anderen Kandidaten zu erfreuen. Welche | |
köstlich bitter-süße Gefühlsachterbahn! | |
Noch etwas aber ist anders bei Fashion Hero. Im Gegensatz zu Heidi Klums | |
Wanna be-Models, die darauf getrimmt werden, möglichst klaglos das zu tun, | |
was man ihnen sagt, können die KandidatInnen von Fashion Hero schon etwas | |
und sind da, um dieses Können unter Beweis zu stellen. Sie sind | |
Modedesigner und als solche müssen sie sich in der Show von Aufgabe zu | |
Aufgabe und unter Zeitdruck profilieren. | |
## Es bestimmen die Einkäufer | |
Claudia Schiffer, ebenso wie Modekommunikationschoach Ute Huesch und | |
Sytlist und Modeberater Sascha Lilics sind so genannte „Mentoren“, die den | |
DesignerInnen die Aufgaben stellen, Tipps bei der Umsetzung geben und am | |
Ende im „Fashion Showdown“ jeweils zwei KandidatInnen vor dem endgültigen | |
Ausscheiden retten können. Die wahre Jury jedoch, sind die Einkäufer der | |
Modehäuser, die bei Gefallen um die Designs bieten und diese durch die Show | |
bereits gut beworben verkaufen können. | |
Eine, die beinahe selbst bei Fashion Hero teilgenommen hätte, ist | |
[5][Harryet Lang]. Die 37-jährige Schweizerin, die in Berlin ihr eigenes | |
Label betreibt, war von der Produktionsfirma zum Casting eingeladen worden. | |
Nun bittet sie auf ein paar Berliner Pilsener und eine Schachtel Cabinet | |
zum Gucken in ihre Kreuzberger Wohnung. „Als erstes mussten wir | |
unterschreiben, dass nichts von dem, was beim Casting passiert, nach | |
draußen geht“, erinnert sich Lang. Dann hält sie kurz inne und überlegt, ob | |
sie dieses Gespräch überhaupt führen darf. | |
„Ach, jetzt, wo die Sendung schon läuft“, sagt sie und winkt ab. Drei Teile | |
ihrer Männerkollektion nahm sie mit in ein schickes Hotel nach Düsseldorf, | |
zog einer Puppe das mitgebrachte Outfit aus Hose, Hemd und Gehrock an und | |
durfte sich anschließend einer vierköpfigen Jury erklären. Anschließend | |
folgte ein Gespräch mit der Produktionsleitung. | |
„Da war ich dann skeptisch“, sagt Lang. „Alles, was Pro Sieben betraf, war | |
juristisch klar definiert. Immer wenn es um uns ging, wurde es schwammig.“ | |
Wer an der Show teilnimmt, musste zusichern, während dieser Zeit nicht | |
anderweitig tätig zu sein und unterschreiben, dass die in der Show | |
entworfenen Stücke dem Sender gehören. Wie viel die Designer letztlich von | |
dem Geld bekommen, das die Modehäuser bei der Ersteigerung bieten, ist | |
nicht klar – immerhin zwischen 50.000 und 500.000 Euro. | |
## „Wir versuchen darauf zu achten“ | |
„Wenn es um diese Fragen ging, haben sich die Leute von der | |
Produktionsfirma gewunden“, erinnert sich Lang. Auch von ihr gestellte | |
Bedingungen wurden eher weggelächelt als ernstgenommen. „Ich wollte zum | |
Beispiel auf keinen Fall, dass meine Sachen in Indien oder anderswo von | |
Billiglohnarbeitern produziert werden und habe das auch gesagt.“ – „Wir | |
versuchen darauf zu achten“, war die vage Antwort. Einen Monat später bekam | |
Harryet Lang eine Absage. Warum sie nicht genommen worden war, stand nicht | |
dabei. Heute ist sie nicht entschieden, ob sie darüber froh oder traurig | |
sein soll. | |
„Karrieremäßig wäre es bestimmt super gewesen“, sagt die 37-Jährige und | |
nimmt einen Schluck Bier aus der Flasche, während das Küken der Sendung, | |
[6][Jungdesigner Riccardo „Ricci“ Serravalle], auf dem Bildschirm aufgeregt | |
durchs „Designloft“ ruschelt und nicht so recht weiß, wie er mit der ihm | |
gestellten Aufgabe „Punk“ umgehen soll. „Ich hätte es interessant gefund… | |
mich mit anderen zu messen“, sagt Lang. „Und es wäre spannend gewesen, zu | |
sehen, wie ich mit dem Zeitdruck und den gestellten Aufgaben, | |
zurechtgekommen wäre. Zu wissen, dass man auch etwas schafft, das einem | |
nicht so liegt, macht Dich als Designer sicher.“ | |
Der 19-Jährige Riccardo Serravalle, der sonst vor allem elegante Abendmode | |
für Frauen mit Grandezza entwirft, versagt am „Punk“ kläglich. Zu viel | |
Karomuster, zu viele Nieten, zu viel Klischee. Auch Harryet Lang ist nicht | |
sonderlich angetan und zuckt abschätzig mit den Schultern. Am Ende heißt es | |
für Serravalle drei Mal „No Offer“ von den Einkäufern, untermalt von einem | |
akustischen Zonk. Nun muss er wie alle anderen, die nichts verkaufen, in | |
den so genannten „Fashion Showdown“. | |
## Mode in 30 Minuten | |
Dort gilt es in 30 Minuten einen Ostfriesennerz, eine Regenjacke aus | |
Plastik also, in ein „It-Piece“ zu verwandeln, das die Mentoren am Ende zur | |
Gnade bewegt. Ganz anders bei [7][//www.marcelostertag.com/:Marcel | |
Ostertag], der in der Show wegen seiner Erfahrung als alter Design-Hase | |
gilt. Der 33-Jährige Münchner hat sich eigentlich schon längst einen Namen | |
gemacht. Sein Label präsentierte er bereits in London, Shanghai und auf der | |
Fashion Week in Berlin. „Was er macht, finde ich immer ziemlich geil“, sagt | |
Lang und lobt die Männermode-Entwürfe, die er wenig später auf dem Laufsteg | |
präsentiert. | |
Normalerweise entwirft Ostertag ausschließlich Frauen-Couture. Nun aber | |
tragen die beiden Malemodels Anzughosen und Hemden in rot, weiß und | |
schwarz, kombiniert mit einem goldenen Blouson mit | |
Ethno-Muster-Applikationen und Trenchcoat durchs Scheinwerfer- und | |
Beat-Stakkato. „Prinz aus Zamunda“, sagt Harryet Lang erfreut und meint das | |
als Kompliment. Doch auch bei Ostertags Entwürfen lehnen die Einkäufer der | |
Modehäuser ab. | |
„Ich könnte eine ganz kleine Menge für den modischen Kunden in Berlin | |
kaufen“, erklärt Karstadt-Manager André Maeder, der auch schon das Londoner | |
Luxus-Kaufhaus Harrots geleitet hat. „Aber wenn es um die großen | |
Stückzahlen geht, kann ich leider nicht mitgehen.“ Lang nickt zustimmend: | |
„Das ist das Problem: Modedesign wohnt in Deutschland in einer staubigen | |
Ecke. Die Kunden und damit auch die Einkäufer sind hier im Gegensatz zu | |
England oder Frankreich einfach nicht mutig genug.“ | |
## Sendeplatz nach 22 Uhr | |
Deshalb begrüße sie, dass die Sendung junge deutsche Designer pusht. Der | |
Erfolg jedoch ist mäßig, die Zuschauerquoten sind entsprechend schlecht. | |
Statt um 20.15 Uhr, wie zu Beginn, wurde die Sendung auf einen Sendeplatz | |
nach 22 Uhr verlegt und eingekürzt. | |
„Vielleicht ist das tatsächlich nur für andere Designer interessant?“, | |
fragt Lang etwas ratlos. Ihr jedenfalls scheint die Show inhaltlich etwas | |
zu bringen – trotz der dramatischen Musik und der Flammen, die seitlich | |
neben dem Laufsteg immer wieder etwas peinlich in die Luft lodern, trotz | |
der albernen Einblendungen, die die vorgeführten Stücke wie in einem | |
virtuellen Katalogen mit Mode-Binsen anpreisen („Showpieces bringen mediale | |
Aufmerksamkeit“, „Überlänge versteckt Hüftspeck“). | |
Kurz gesagt, trotz all des Trashs, den eine Casting-Show im deutschen | |
Fernsehen offenbar haben muss: „Es inspiriert mich, zu sehen, was andere | |
Designer sich überlegen“, sagt Lang. „Natürlich entwerfe ich am Ende mein… | |
eigenen Stil. Aber neuer Input von außen ist immer gut.“ | |
13 Nov 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://www.neuepresse.de/Hannover/Meine-Stadt/Sie-sind-Hannovers-Mode-Heldi… | |
[2] http://www.prosieben.de/tv/fashion-hero | |
[3] http://www.prosieben.de/tv/germanys-next-topmodel | |
[4] http://www.mylifetime.com/shows/project-runway | |
[5] http://www.harryet-lang.com/ | |
[6] http://www.may-mode.de/riccardo-serravalle.html | |
[7] http://https | |
## AUTOREN | |
Marlene Halser | |
## TAGS | |
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