| # taz.de -- NSU-Prozess: Auf ein Bierchen raus | |
| > Der NSU-Beschuldigte Holger Gerlach steht unter Zeugenschutz. Trotzdem | |
| > durfte er sich mit Leuten aus der Neonazi-Szene treffen. | |
| Bild: Jetzt ein wichtiger Zeuge: die Festnahme Holger Gerlachs. | |
| HAMBURG taz | Am Ende des 54. Verhandlungstages im Prozess gegen den | |
| „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) hat eine Zeugin aus Hannover | |
| einen Eklat ausgelöst. Das Oberlandesgericht München hatte Silvia S. | |
| geladen, weil die Hauptbeschuldigte Beate Zschäpe deren Krankenkassenkarte | |
| und Namen im Untergrund nutzte. S. will ihre Versichertenkarte dem | |
| Mitbeschuldigten Holger Gerlach verkauft haben. Mit diesem, so die Zeugin, | |
| habe sie sich auch getroffen als er schon im Zeugenschutz war. | |
| Im Saal A 101 waren die Prozessbeteiligten über diese Aussage der Friseurin | |
| überrascht, die mit dem rechten Skinhead Alexander S. verheiratet ist. „Ein | |
| Treffen einer im Zeugenschutz befindlichen Person mit Zeugen, hier ja sogar | |
| Belastungszeugen, widerspricht allen Regeln des Zeugenschutzes, die der | |
| Zeuge normalerweise auch unterschreiben muss“, sagte Alexander Hoffmann. | |
| Der Kieler Rechtsanwalt vertritt als Nebenkläger Opfer des mutmaßlichen | |
| NSU-Bombenanschlags in Köln 2004. „Das ist ein echter Skandal“, findet er. | |
| Auch weil Gerlach die Friseurin nicht alleine traf. | |
| In einem Haus in Isernhagen habe das Treffen im Sommer 2012 stattgefunden, | |
| sagte S., die sich unwissend und unpolitisch gab. Mit dabei: die Mutter und | |
| die Lebensgefährtin Gerlachs sowie dessen langjähriger Freund und der | |
| Ehemann von S. Dem gewalttätigen Skinhead werden in Hannover Kontakte zu | |
| rechten Hooligans und dem Rockerclub Hells Angels unterstellt. | |
| S. erzählte, Gerlach habe ihren Mann damals auf den Handy angerufen: „Er | |
| könne jetzt raus, und ob wir uns nicht treffen könnten, ein Bierchen | |
| trinken.“ Zwei Zivilbeamte sollen Gerlach, der bis zu seiner Verhaftung in | |
| Lauenau lebte, zu dem Treffen gefahren haben, sagte S. und schob nach: „Die | |
| waren nicht im Raum.“ | |
| Ab dem Vormittag hatte S. sehr leise auf Fragen vor allem eines | |
| geantwortet: Nichts zu wissen, nichts nachgefragt zu haben. Gerlach, der | |
| dem NSU-Trio mehrfach zu Reisepässen verhalf, habe sie 2005 über ihren Mann | |
| kennengelernt. 2006 soll Gerlach ihr für 300 Euro die AOK-Karte abgekauft | |
| haben. | |
| Richter Manfred Götzl fragte nach, ob sie sich dabei nichts gedacht habe. | |
| „Ich bin eine arme Friseurin“, antwortete sie. Sie habe nur an das Geld | |
| gedacht. Gerlach habe sich bei ihr schon „tausendmal dafür entschuldigt“, | |
| dass er sie in so eine Situation gebracht habe, sagte S. | |
| Nebenklage-Anwalt Sebastian Scharmer, der die Tochter der ermordeten Mehmet | |
| Kubasik vertritt, wies darauf hin, dass beim Zeugenschutz Kontakte in die | |
| Szene unterbunden werden sollten – auch wegen möglicher Absprachen. | |
| Gerlachs Verteidigung entgegnete, dass „der Verdacht, unser Angeklagter | |
| hätte Absprachen getroffen“, falsch sei. Mehrere Nebenkläger stellten einen | |
| Antrag zur Aufklärung. | |
| 13 Nov 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Speit | |
| Andrea Röpke | |
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