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# taz.de -- Ex-Bundespräsident Wulff vor Gericht: Zwei Freunde und 719,40 Euro
> „Motivation“ Oktoberfestbesuch? So bewertet die Staatsanwaltschaft den
> Fall Wulff und sieht Vorteilsnahme. Der gibt sich zu Prozessbeginn
> „empört“.
Bild: Siegessicher: Christian Wulff im Saal des Landgerichts Hannover.
HANNOVER taz | Christian Wulff setzt auf Freispruch. Zum Auftakt seines
Korruptionsprozesses vor dem Landgericht Hannover nimmt er nicht diskret
den Seiteneingang. Wulff will gesehen werden, als er über den Vorplatz
geht, durch die Pressemeute, die ihn sogleich verschluckt. „Ich habe mich
immer korrekt verhalten“, spricht der einstige niedersächsische Minister-
und spätere Bundespräsident in die Mikros, der am Donnerstag als erstes
bundesdeutsches Staatsoberhaupt überhaupt vor Gericht steht.
14 Monate hat die Staatsanwaltschaft Hannover gegen ihn ermittelt und quasi
jeden Verdacht auf Vergünstigung abgeklopft, über den in der Wulff-Affäre
berichtet worden war. Hauskredite, Urlaubsreisen, Autokäufe, Einladungen.
Doch vor Gericht geht es jetzt nur noch um einen Oktoberfestbesuch von
Wulff und seiner Noch-Frau Bettina. Bei dem Trip 2008 soll der befreundete
Filmunternehmer David Groenewold den Wulffs Teile der Hotel- und
Babysitterkosten, ein Abendessen und die Kosten des Festzeltbesuchs
spendiert haben, insgesamt 719,40 Euro.
Groenewold habe den damaligen Ministerpräsidenten damit „motivieren wollen,
sich in dienstlicher Eigenschaft“ für sein Filmprojekt „John Rabe“
einzusetzen, formuliert es Staatsanwalt Clemens Eimterbäumer. Wulff kam der
Bitte nach und warb bei Siemens-Vorstandschef Peter Löscher um
Unterstützung. Die Staatsanwaltschaft sieht darin Bestechung und
Bestechlichkeit. Das Gericht dagegen hat das Verfahren gegen Wulff und
Groenewold wegen Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung eröffnet.
## Was ist Freundschaft, was Geschäft?
Im Gegensatz zur Bestechung muss dabei der gewährte Vorteil nur allgemein
mit der Dienstausübung eines Amtsträgers verknüpft sein. Eine direkte
Verbindung zwischen Wulffs Engagement für Groenewolds Film und der
Einladung muss nicht nachgewiesen werden – es geht um den bloßen Anschein
der Käuflichkeit und die Frage, was Freundschaft und was Geschäft war.
Dass ihre Beziehung stets rein privat war, dass sich Einladungen und
Gegeneinladungen stets die Waage hielten, darauf pochen Wulff wie
Groenewold jetzt vor Gericht. Groenewold sei sein „Freund“, ja, ein
„Lebensbegleiter“, sagt Wulff. Groenewolds Anwalt beschreibt Wulff als
beinahe väterlichen Freund seines Mandanten, der ihm in „Lebenskrisen“ ein
„Vertrauter“ war. Als einer der Ersten habe Groenewold von Wulffs neuer
Frau erfahren, habe auf der Hochzeit eine Rede gehalten und die Wulffs noch
am Tag der Geburt ihres Sohnes im Krankenhaus besucht.
45 Minuten lang erklärt sich Wulff, spricht mit fester Stimme, die Hände
vor dem Bauch gefaltet, sein Bundesverdienstkreuz am Revers des Anzugs.
„Empört“ sei er über die „Einseitigkeit“ und die „Grenzüberschreit…
der Ermittlungen. Immer wieder seien „unter Bruch der Geheimhaltung“
Details an die Öffentlichkeit gelangt. Wulff spricht von
„ehrabschneidendem“ Vorgehen, dem „Verlust jeglicher Privatsphäre“, ei…
„lebenslangen Schaden“ durch die Affäre.
## „Schlechtes Gewissen“
Und auch Groenewold betont in seiner Erklärung, die sein Anwalt verliest,
sein „guter Ruf“, seine „berufliche und persönliche Existenz“ seien du…
das Verfahren und die „einseitige Berichterstattung“ zerstört. Es sei ihm
„unmöglich“, noch seinem Beruf nachzugehen.
Zu den Umständen des Oktoberfestbesuchs lassen sich die beiden Angeklagten
auch gleich am ersten von insgesamt 22 angesetzten Verhandlungstagen ein:
Groenewold lässt seinen Anwalt erklären, er als „Organisator“ des
Wochenendes habe einen Teil der Hotelkosten aus „schlechtem Gewissen“
bezahlt, da die Übernachtungen teurer gewesen seien als vorab besprochen.
„Wulff war in diesen Vorgang nicht involviert.“
Die Kosten für den Babysitter will Wulff Groenewold bar erstattet und von
den Hotelkosten erst 2012 erfahren haben. Jegliche Verbindung zwischen
seinem Einsatz für Groenewolds „John Rabe“-Film und dem Wochenende nennt
Wulff „absurd“. Er habe sich wegen der historischen Figur Rabe für den Film
engagiert.
Um das zu prüfen, wird das Gericht 45 Zeugen anhören; bis April ist der
Prozess terminiert. Unter den Zeugen sind Bettina Wulff sowie die
Schauspielerin und „Tatort“-Kommissarin Maria Furtwängler. Gibt es danach
keinen Freispruch, sondern eine Verurteilung – im schlimmsten Fall drohen
Wulff drei Jahre Haft –, bleibt den beiden Angeklagten die Revision beim
Bundesgerichtshof.
14 Nov 2013
## AUTOREN
Teresa Havlicek
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Christian Wulff
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David Groenewold
Vorteilsnahme
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