| # taz.de -- Kolumne Später: Alte Hüte | |
| > Viele Mützen in den Geschäften eignen sich für die Arktis. Oder eine | |
| > Schiffstaufe. Aber nicht für den Gang auf die Straße. | |
| Bild: Geschmackssache: der Bommel-Look | |
| Als ich neulich bei Karstadt in der Hutabteilung vor dem langen Spiegel | |
| stand, der, man muss es zugeben, eigentlich vorteilhaft beleuchtet ist, | |
| wurde mir die ganze Misere schlagartig bewusst. Wintermütze! Brauche ich | |
| als Winterradlerin schon aus Kälteschutzgründen unbedingt. Aber welche? | |
| Tja. | |
| Dass da ein ungelöstes Problem schlummert für Frauen meiner Altersgruppe, | |
| war mir schon zu Augen gekommen, als Theresa bei mir zu Hause aufgetaucht | |
| war, mit ihrer neuen Mütze auf dem Kopf. Eine Beanie. Das sind diese | |
| modischen Häkelmützen, die so lang sind, dass dann am Hinterkopf noch eine | |
| Art Zipfel überbleibt. Der Zipfel hing auch bei Theresa irgendwie hinten | |
| runter, so als sei sie ein Gartenzwerg, dem man eine Wintermütze | |
| übergezogen hat. Eine Zwergenmütze! Die macht aber leider auch nicht | |
| jünger. Ich beschloss, so was gar nicht erst anzuprobieren im Kaufhaus. | |
| Also stehe ich mit einer Fliegermütze vor dem Spiegel. Die Ohrenklappen | |
| hängen herunter, ein bisschen Kunstfell ragt ins Gesicht. Das Ding hält | |
| warm, ohne Zweifel. Ich schwitze jetzt schon. Und sehe aus wie Elly | |
| Beinhorn im offenen Flugzeug während eines Flugs über die Arktis. | |
| Romantisch. Das Problem ist nur: Berlin ist nicht die Arktis. | |
| Eine Kundin in schätzungsweise den Siebzigern drängt sich vor den Spiegel. | |
| Sie setzt einen roten Hut mit Krempe und Dekorblume auf. „Furchtbar“, | |
| lautet ihr Kommentar, „dann lieber frieren.“ Hüte sind ja erst recht eine | |
| Mutprobe. Dabei kriegen die das im britischen Königshaus doch auch hin mit | |
| ihren Kopfbedeckungen. Aber vermutlich fehlt bei uns das Ambiente: | |
| Pferderennen, Hochzeiten, Schiffstaufen und so weiter. Wir wollen einfach | |
| nur mit warmen Ohren durch Berlin spazieren. Wofür ein Hut auch nicht | |
| unbedingt das geeignetste Kleidungsstück ist. | |
| Ich wickle mir probeweise einen der neuen Schlauchschals um den Kopf. So | |
| machen es schließlich Millionen Frauen in den Kälteregionen der Welt: Schal | |
| rumwickeln, und schon ist alles warm. Praktisch. Aber mit wollenem Schal um | |
| den Kopf sehe ich aus wie eine alte Bäuerin auf der Flucht aus Ostpreußen. | |
| Der Elendseffekt stellt sich sofort ein. Ich hätte mir vorher Make-up | |
| auflegen sollen. | |
| Der nächste Versuch ist eine Baskenmütze. In meinen 20ern ging ich mit so | |
| einer Che-Guevara-Mütze in Clubs. Kam gut an. Aber heute sehe ich damit aus | |
| wie eine Landschaftsmalerin aus der Künstlerkolonie Worpswede. Sehnsüchtig | |
| denke ich an meine hellgraue Fleecemütze zurück. Sie saß nicht zu eng, ging | |
| bis über die Ohren, auf der Stirnseite vorne prangte ein kleines Logo. Ich | |
| sah aus wie eine Schweizer Bergführerin. Cool. Leider verloren. | |
| Vielleicht also doch wieder was Einfaches. Eine beigefarbene Fleecemütze | |
| schließlich funktioniert vor dem Spiegel. Hell in der Farbe, da wirkt man | |
| nicht so elend wie in Schwarz. Nicht zu eng, sie macht nicht streng. | |
| Dezente Topfform, da zipfelt nichts rum. Die doofe Zierblume kann ich zu | |
| Hause abtrennen. Ich hab mir die gleiche Mütze jetzt sogar noch mal | |
| gekauft. Als Reserve. | |
| 18 Nov 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Barbara Dribbusch | |
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