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# taz.de -- Neonazis feiern ihre Ikone: Ein Lorbeerkranz für SS-Siggi
> Am Samstag fand im „Rössle“ in Söllingen ein zuvor in Dortmund verboten…
> Nazikonzert statt. Die Gaststätte gilt als Treff der ultrarechten Szene.
Bild: Erschien nicht auf seiner eigenen Ehrenfeier: Nazihooligan Siegfried Borc…
SÖLLINGEN taz | Wer von Karlsruhe aus Richtung Straßburg fährt, muss sich
abends schon konzentrieren, um wach zu bleiben. Rechts und links der
Bundesstraße 36 ist es meist stockdunkel – das Gebiet ist dünn besiedelt.
Irgendwann, ein paar Kilometer südlich von Rastatt, geht es dann rechts ab,
die Kirchstraße liegt nach wenigen Metern linker Hand – ein ungewohnter Weg
für all die Autos mit Kennzeichen aus Nordrhein-Westfalen, Brandenburg oder
Hessen, die am Samstagabend das Rössle angesteuert haben.
Zumal die Neonazis erst wenige Stunden zuvor per Telefon erfahren hatten,
dass das Nazikonzert, das die Dortmunder Polizei am Freitagabend verboten
hatte, nun in Rheinmünster-Söllingen stattfinden würde. In einem großen
Dorfgasthof, der der lokalen Antifa seit Jahren als Basis der lokalen
Naziszene bekannt ist, hing dann das Transparent, das einen Jubilar ehrte:
eine Zeichnung von Siegfried Borchardt, besser bekannt als „SS Siggi“ – m…
Lorbeerkranz und dem Schriftzug „Alles für Dortmund“.
Borchardt ist Deutschlands wohl bekanntester Nazihooligan, der als Gründer
der Dortmunder „Borussenfront“ schon in den Achtzigern traurige Berühmtheit
erlangte. Im Moment ist er Dortmunder Kreisvorsitzender der Partei „Die
Rechte“, einem Auffangbecken für Mitglieder verbotener Kameradschaften.
Zu Ehren der Nazi-Ikone aus dem Ruhrpott waren die Nazibands Sachsonia,
Words of Anger und Klänge des Blutes angekündigt, ehe kurz vor halb eins am
Morgen der Star des Abends die Bühne betrat: Michael „Luni“ Regener,
Exsänger der als „kriminellen Vereinigung“ verbotenen Band Landser.
## Nationales Ereignis mit Anwesenheitspflicht
Zwei Tage zuvor, am 14. November, hatte Borchardt Geburtstag. „SS Siggi“
ist eine Ikone der deutschen Naziszene, schon in der Vergangenheit waren
seine Geburtstage ein nationales Ereignis mit Anwesenheitspflicht für alle,
die in der Szene etwas auf sich halten. Da wundert es auch nicht, dass zur
diesjährigen Geburtstagsfeier ein Barde aufspielt, der überall, wo er
auftritt, die Hallen füllt.
„Luni“ gilt bei der deutschen Naziszene als „Märtyrer“, weil er – im
Gegensatz zu seinen Bandkollegen – 2005 lieber für fast drei Jahre ins
Gefängnis ging, als gegenüber der Staatsanwaltschaft auszusagen. Die
„Terroristen mit E-Gitarre“ hatten „Bomben auf Israel“ gefordert und
Afrikaner als „Affen“ bezeichnet.
## Teilnehmer aus dem Westen angereist
Die Landser-Nachfolgeband Lunikoff-Verschwörung ist kaum weniger radikal.
Regener selbst wirbt auf seiner Homepage für die NPD, nennt die
Bundesregierung „ZOG“ („zionist occupied governement“ – zionistisch
besetzte Regierung“) und trifft damit den Ton, der seinen Fans gefällt. Zum
ersten Konzert nach seiner Haftentlassung strömten im Jahr 2009 etwa 4.000
Nazis nach Gera.
Viele sind am Samstag nicht nach Söllingen gekommen – die Polizei zählte
120 Teilnehmer. Die Mobilisierung war wohl doch zu kurzfristig. Doch
auffallend ist, wie viele Kennzeichen aus dem Westen der Republik
auszumachen sind, besonders aus Dortmund. Borchardt selbst war indes
offenbar nicht vor Ort, zumindest beklagen das einige seiner Fans im
Internet. Doch auch in Abwesenheit ihres Kreischefs hatte „Die Rechte“
einen Infostand im Rössle aufgebaut.
## Rössle ein Treffpunkt der rechten Szene
Das Konzert am Samstagabend war das fünfte Nazikonzert, das seit Juni im
Rössle stattfindet. Wirt Günter S. hat gegenüber Gewerkschaftern mehrfach
betont, er überlasse den Rechten seine Wirtschaft nicht aus Sympathie, ihm
sei vielmehr „egal, woher das Geld komme“.
Das kann man wohl sagen: Mitglieder der Nazikameradschaften in Rastatt und
Karlsruhe nutzen das Rössle als Treffpunkt, nach Informationen der Antifa
wurde das Konzert von „Division Germania“ und „Kommando Skin“ am 22. Ju…
von einem pfälzischen Hammerskin organisiert, einer ultrarassistischen,
konspirativen Neonazigruppe. Seither fanden vier weitere Konzerte mit bis
zu 350 Besuchern statt. S. hat die Konzession für zwölf Gigs im Jahr – gut
möglich also, dass Söllingen an den verbleibenden sechs Wochenenden des
Jahres wieder Besuch bekommt.
18 Nov 2013
## AUTOREN
Christoph Ruf
## TAGS
Schwerpunkt Neonazis
Ultrarechte
SS-Siggi
Schwerpunkt Rechte Musik
Dortmund
Rechtsextremismus
Udo Voigt
Cottbus
NPD
Rechtsextremismus
NPD
Synagoge
Moschee
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