| # taz.de -- Prozess gegen Ex-NPDler: Frontal draufgehalten | |
| > In Freiburg wird erneut über den Fall Florian S. verhandelt, der mit dem | |
| > Auto ein Antifa-Mitglied anfuhr. Der BGH ließ einen Notwehr-Freispruch | |
| > nicht gelten. | |
| Bild: Nächtliche Straßenszene in Freiburg. Auf einem Pendlerparkplatz am Kais… | |
| FREIBURG taz | War es Notwehr, ein Mordversuch oder kopflose Panik? Der | |
| südbadische Ex-NPDler Florian S. hat im Oktober 2011 mit seinem Auto einen | |
| Antifaschisten schwer verletzt. Wollte er sich verteidigen oder hat er die | |
| Gelegenheit genutzt, seine Mordfantasien auszuleben? | |
| Darüber muss das Landgericht Freiburg schon zum zweiten Mal entscheiden. | |
| Der erste Prozess endete mit einem Freispruch für S. Im April forderte der | |
| Bundesgerichtshof eine neue Verhandlung. | |
| S. war führendes Mitglied der Nazi-Kameradschaft „Freie Kräfte Ortenau“. … | |
| März 2011 kandidierte er für die NPD bei der Landtagswahl. Inzwischen sei | |
| er aber aus der rechten Szene ausgestiegen, sagt S.. | |
| Im Oktober 2011 wartete S. in seinem Wagen auf einem Pendlerparkplatz bei | |
| Freiburg, um rechte Gesinnungsgenossen zu einem konspirativen Nazi-Konzert | |
| zu lotsen. Die Antifa hatte jedoch vom Treffpunkt erfahren und wollte S. | |
| dort stellen. | |
| Als fünf Vermummte auf ihn zuliefen, startete S. seinen Wagen mit | |
| durchdrehenden Reifen und fuhr frontal auf die Gruppe zu. Die meisten | |
| konnten ausweichen, doch ein junger Mann wurde vom Wagen erfasst, | |
| kollidierte mit der Windschutzscheibe und blieb schwerverletzt auf der | |
| Straße liegen. | |
| ## Richter werteten Panik als Freispruchsgrund | |
| Im ersten Urteil 2012 nahm das Landgericht an, dass S. zwar von der Antifa | |
| angegriffen wurde, er aber zur anderen Seite hätte wegfahren können und | |
| müssen. Der Angegriffene müsse flüchten, so das Landgericht in seiner | |
| Begründung damals, wenn der Gegenangriff die Angreifer in Lebensgefahr | |
| bringt. Allerdings habe die Aussage von S., er sei nur aus Angst und Panik | |
| in diese Richtung gefahren, nicht widerlegt werden können. Das Landgericht | |
| wertete die Tat deshalb als entschuldigt und S. wurde freigesprochen. | |
| Der Bundesgerichtshof (BGH) hob den Freispruch jedoch bald wieder auf. Das | |
| Landgericht habe nicht ausreichend geprüft, ob S. überhaupt mit | |
| Verteidigungswillen handelte. Denn wenige Tage vorher hatte S. in einer | |
| Facebook-Kommunikation davon geschwärmt, wie schön es wäre, eine „Zecke“… | |
| Notwehr zu töten: „ich warte ja nur darauf, dass einer mal angreift! dann | |
| kann ich ihn endlich mal die Klinge fressen lassen!“ Der Bundesgerichtshof | |
| verlangte eine neue Verhandlung. | |
| Die inzwischen veröffentlichte Begründung des BGH-Urteils enthält eine | |
| Vielzahl von Vorgaben für den neuen Prozess. So genüge es für eine Notwehr, | |
| wenn der Verteidigungswillen Teil eines Motivbündels sei. Notwehr sei nur | |
| dann ausgeschlossen, wenn andere Gründe (wie Hass auf Linke) dominant sind. | |
| Das dürfte schwer zu beweisen sein. | |
| Jedenfalls konnte, so der BGH, von S. nicht verlangt werden, ohne | |
| Konfrontation zu flüchten. Wer angegriffen wird, dürfe sich verteidigen, | |
| auch wenn dies zu Lebensgefahr für die Angreifer führe. S. habe also mit | |
| dem Auto auf die Antifa-Leute zufahren dürfen. Prüfen müsse das Landgericht | |
| nun aber, ob S. dabei zu schnell fuhr, das heißt, ob ein langsameres Fahren | |
| den drohenden Angriff genauso gut verhindert hätte. Wenn nicht, wäre S. | |
| freizusprechen. | |
| ## Hätte langsameres Fahren genügt? | |
| Hätte ein langsameres Fahren genügt, so der BGH, läge ein grundsätzlich | |
| strafbarer Notwehrexzess vor. Dann käme es darauf an, ob S. tatsächlich in | |
| Panik handelte. Dagegen könnte sprechen, so der BGH, dass S. nach der Tat | |
| mit Polizisten recht rational seine Handlungsalternativen diskutierte. | |
| Die Anklage lautet immer noch auf „versuchten Totschlag“. | |
| Nebenkläger-Anwalt Jens Janssen bat das Gericht, auch „versuchten Mord“ zu | |
| prüfen. „Hass auf politische Gegner ist auch ein niedriger Beweggrund“, so | |
| Janssen. | |
| Erste Zeugen schilderten den Vorfall auf dem Pendlerparkplatz. „Das Auto | |
| ist mit durchdrehenden Reifen losgefahren“, sagte eine Krankenschwester, | |
| die auf ihre Kollegin gewartet hatte. „Ich hörte einen aufheulenden Motor“, | |
| sagte ein Lehrer, der mit dem Rad zufällig in der Nähe fuhr. Auch er sah | |
| den Crash. „Es wirkte wie ein Mordanschlag aus dem Gangsterfilm.“ Das | |
| Urteil wird Mitte Dezember erwartet. | |
| 19 Nov 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Antifa | |
| Notwehr | |
| Freispruch | |
| Freiburg | |
| Udo Voigt | |
| Freiburg | |
| Rechtsextremismus | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Freispruch für Nazi: Notwehr nicht ausgeschlossen | |
| Ein Ex-NPDler mit Gewaltfantasien verletzte mit seinem Auto einen | |
| Antifa-Aktivisten schwer. Nun befand ein Gericht, der Nazi könnte könnte | |
| sich verteidigt haben. | |
| Früherer NPD-Chef will zurück: Dem Pastörs mitten ins Herz | |
| Machtkampf in der NPD: Ex-Chef Voigt will Spitzenkandidat für die | |
| Europawahl werden. Die Parteiführung möchte aber Pastörs aufstellen. | |
| Antifa-Mitglied über Outing von Rechten: „Wir wollen Nazis natürlich schade… | |
| Die Autonome Antifa Freiburg outet regelmäßig Nazis. Ein Mitglied der | |
| Gruppe, das unerkannt bleiben will, über ihre Ziele, Methoden und Grenzen. | |
| Rechter Terror in Sachsen-Anhalt: Nazis entführen Antifa | |
| Nach einer Antifa-Demo in Burg werden Linke von Neonazis gejagt. Ein | |
| 18-Jähriger wird verschleppt und dann „stark lädiert“ im Wald liegen | |
| gelassen. | |
| Freiburger Gericht spricht Neonazi frei: Antifa aus Notwehr angefahren | |
| Neonazi freigesprochen: Florian S. hatte einen Freiburger Antifaschisten | |
| angefahren und dabei schwer verletzt. Der Neonazi habe aus Notwehr | |
| gehandelt, urteilte das Gericht. |