| # taz.de -- Ökobilanz des Warschauer Gipfels: Klimakonferenz als Klimakiller | |
| > In Warschau wird über den Klimaschutz beraten. Das verursacht jede Menge | |
| > CO2. Die UNO versucht, den ökologischen Fußabdruck zu minimieren. | |
| Bild: Klimademo in Warschau. Hoffentlich sind die Teilnehmer nicht mit dem Flug… | |
| BERLIN taz | Klimagipfel sind Massenveranstaltungen. Und die haben einen | |
| größeren ökologischen Fußabdruck, als wenn alle zu Hause blieben. Der | |
| gescheiterte Gipfel von Kopenhagen 2009 verursachte nach den Berechnungen | |
| der Gastgeber 46.000 Tonnen Kohlendioxid – so viel wie 660.000 Menschen in | |
| Äthiopien oder 2.300 US-Amerikaner in einem ganzen Jahr. Viel heiße Luft, | |
| um heiße Luft zu produzieren. | |
| Politiker, Delegierte, Techniker und Journalisten brauchen Heizung, Essen, | |
| Unterkunft und Transport. Die dänische Regierung zahlte 700.000 Euro, um in | |
| Bangladesch 20 qualmende Ziegelöfen durch effiziente neue zu ersetzen und | |
| ersparte der Atmosphäre so 50.000 Tonnen CO2 – pro Jahr. | |
| Seit einigen Jahren versucht die UNO, bei den Konferenzen den ökologischen | |
| Fußabdruck zu minimieren. Die Veranstalter buchen neue Kongresszentren mit | |
| möglichst effizienten Beleuchtungsanlagen, richten Transportsysteme per Bus | |
| ein, achten auf Ökostandards für Hotels und Papier. Im Jahr 2012 druckte | |
| die Konferenz in Doha statt 1,2 Millionen Blatt Papier nur noch 480.000 und | |
| verkündete stolz, sie habe exakt 258 Bäume gerettet | |
| Im Jahr davor, im südafrikanischen Durban, kamen 25.000 Gipfelteilnehmer. | |
| Sie verursachten wegen der langen Flüge fast 77.000 Tonnen CO2, das sie | |
| eigentlich bekämpfen wollten. Deshalb „kompensierte“ Durban die Klimaschuld | |
| seiner Gäste mit dem Programm Ceba, das in der Region Renaturierung | |
| unterstützte und Bäume pflanzte. Auch in Warschau sollen Bäume neu gesetzt | |
| werden, von 9.000 ist die Rede. | |
| ## | |
| Seit 2012 arbeitet das UNO-Klimasekretariat „klimaneutral“: Es hat ein | |
| neues effizientes Gebäude in Bonn bezogen, nutzt Ökostrom und Solarpanels, | |
| vermeidet Flüge und kauft für notwendige Ökosünden Zertifikate – wie | |
| überhaupt die gesamte UNO seit 2007 in dem Programm „Greening the Blue“ | |
| danach strebt, die Arbeit der Weltorganisation ohne weitere Belastung der | |
| Atmosphäre zu schaffen. | |
| ## Mehr in Kampagnen vor Ort | |
| Die Klimagipfel wegen ihrer fetten Öko- und mageren Erfolgsbilanzen | |
| ausfallen zu lassen, ist für Martin Kaiser von Greenpeace keine Lösung: | |
| „Wir sehen, dass in den einzelnen Ländern vor und nach den Gipfeln | |
| politisch etwas passiert.“ So habe selbst Kopenhagen dazu geführt, dass | |
| sich viele Länder erstmals ernsthaft mit dem Thema beschäftigten, „die Zahl | |
| der Umwelt- und Klimagesetze hat deutlich zugenommen.“ Greenpeace, das | |
| seine Flüge klimaneutral ausgleicht und für die interne Kommunikation auf | |
| Videokonferenzen setzt, habe nach Kopenhagen seine Strategie geändert und | |
| mehr in Kampagnen „vor Ort“ in Brasilien, Indien, China oder den USA | |
| investiert. | |
| Vielleicht ist die Frage also falsch gestellt. Klimakonferenzen sind keine | |
| Ökogipfel, sondern die Plattform für Debatten über die Verteilung von | |
| Rohstoffen und Entwicklungschancen im 21. Jahrhundert. Viele Länder | |
| außerhalb Europas haben das begriffen und schicken nicht ihre machtlosen | |
| Umweltminister, sondern die Vertreter von Außen- und Wirtschaftsressorts. | |
| In den USA ist Klimapolitik im Außenministerium verankert, aus China kommen | |
| Vertreter der mächtigen Reformkommission NDRC. Konferenzen zur Abrüstung | |
| oder zum Welthandel bekommen die Frage nach dem ökologischen Fußabdruck | |
| nicht gestellt. Und Fan-Flüge zu den Spielen der Champions League erst | |
| recht nicht. | |
| Deutschland, der Klimamusterschüler, jedenfalls hat seit 2012 wieder ein | |
| paar schwarze Flecken mehr auf seiner grünen Weste. Damals strichen die | |
| Haushälter im Bundestag den Etatposten von zuletzt zwei Millionen Euro, mit | |
| dem die Regierung seit 2007 ihre Flüge kompensiert hatte, um damit zu | |
| zeigen, dass „die Bundesregierung den Klimaschutz auch in ihrem eigenen | |
| Geschäftsbetrieb ernst nimmt“. So hieß es damals aus dem Umweltministerium | |
| unter Sigmar Gabriel (SPD). Fünf Jahre und einen Koalitionswechsel später | |
| war es damit vorbei. Seitdem verpesten deutsche Klimadiplomaten wieder die | |
| Luft. | |
| 19 Nov 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
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