| # taz.de -- Kommentar Berlusconi: Und immer noch gibt er das Opfer | |
| > Ein überführter Straftäter ist aus dem Parlament geflogen – wird Italien | |
| > jetzt eine ganz normale Demokratie? Keine Sorge: Silvio hetzt weiter | |
| > gegen Staat und Justiz. | |
| Bild: Ein ganz normaler Krimineller: Silvio Berlusconi. | |
| Game over. Es klingt unfassbar, aber Italiens Parlament hat es geschafft. | |
| Es hat Silvio Berlusconi jenen unrühmlichen Abgang verschafft, den er sich | |
| redlich verdient hat. [1][Mit großer Stimmenmehrheit beschloss der Senat, | |
| Berlusconi auszuschließen], ganz so wie das Gesetz es befiehlt für einen | |
| Straftäter, der zu vier Jahren Haft verurteilt ist. | |
| Anderswo wäre dieser Schritt eine Selbstverständlichkeit gewesen – in | |
| Italien nicht. Anderswo wäre ein verurteilter Millionen-Steuerbetrüger von | |
| selbst zurückgetreten, oder er wäre von seinen Parteifreunden in die Wüste | |
| geschickt worden – in Italien musste man Berlusconi gleichsam raustragen | |
| aus dem Parlament. | |
| Bis zur letzten Minute klammerte er sich an seinen Sitz – und leistete es | |
| sich zugleich, eben jenem Parlament, das er um keinen Preis verlassen | |
| mochte, mit offener Verachtung zu begegnen. | |
| Während der Senat nämlich über seinen Ausschluss votierte, redete der | |
| Cavaliere bloß einige hundert Meter entfernt vor einigen tausend Anhängern | |
| auf einer Straßenkundgebung, hetzte gegen die Justiz des Landes – sogar der | |
| Vergleich mit den Roten Brigaden fiel ihm ein –, gegen die Linke, das | |
| Verfassungsgericht, den Staatspräsidenten. | |
| ## Eine echte Herzensangelegenheit | |
| Das kann der vorbestrafte Täter halt am besten: das Opfer geben. Wenigstens | |
| eines war ihm damit vergönnt. Noch einmal, wie so oft in den letzten 20 | |
| Jahren, hatte er alle TV-Kanäle für sich, noch einmal wehten die | |
| Forza-Italia-Banner, noch einmal rief er die „Missionare, die Soldaten der | |
| Freiheit“ zum Kreuzzug auf, zum Kreuzzug vor allem in eigener Sache. | |
| Das mit der „Freiheit“ ist ihm ja weiterhin – angesichts diverser anderer | |
| laufender Verfahren, in denen jahrelange Haftstrafen drohen – eine echte | |
| Herzensangelegenheit. | |
| Schon dies veranschaulicht aber, dass Italien mit dem Rauswurf Berlusconis | |
| aus dem Senat keineswegs seine Anomalie überwunden hat. In so gut wie jeder | |
| anderen Demokratie würde ein Mann wie er seine delirierenden Ansprachen zu | |
| Hause vor dem Badezimmerspiegel halten. | |
| ## Die Getreuen und die Sektkorken | |
| In Italien dagegen kann Berlusconi weiter auf eine Partei zählen, in der | |
| niemand seine Rolle als absoluter Chef infrage stellt, und zählen kann er | |
| weiterhin auf Millionen Wähler, die ihm jeden Unsinn über die „verstümmelte | |
| Demokratie“ abnehmen, die jetzt angeblich im Lande zu beklagen sei. | |
| Auf der anderen Seite stehen jene Millionen anderen Italiener, für die der | |
| 27. November ein wirklich schöner Tag war; so mancher Sektkorken dürfte | |
| gestern in vielen italienischen Haushalten geknallt haben. | |
| Diese Menschen haben Grund zur Freude: Das Justizsystem, das politische | |
| System haben wenigstens das Dogma Berlusconis widerlegt, er stehe über dem | |
| Gesetz und die Paragraphen des Strafrechts gälten für ihn nicht. | |
| Doch seine Gegner sollten es mit der Freude nicht übertreiben. Eine | |
| Botschaft hatte Berlusconi auf seiner Kundgebung nämlich auch noch: Sie war | |
| keine Abschiedsvorstellung. Auch als „außerparlamentarischer Anführer“ | |
| werde er weitermachen, drohte er – und fügte hinzu, der nächste Wahlkampf | |
| gehe jetzt schon los: „Andiamo avanti!“ Dieses düstere Versprechen muss man | |
| ernstnehmen. | |
| 28 Nov 2013 | |
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| ## AUTOREN | |
| Michael Braun | |
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