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# taz.de -- Nach Berlusconis Senatsausschluss: Basta?
> Silvio Berlusconis Ausschluss aus dem Senat könnte den Ausnahmezustand
> beenden. So einfach ist die Rückkehr zur demokratischen Normalität aber
> nicht.
Bild: Berlusconi geht – doch ein Ende des Ausnahmezustands ist noch lange nic…
„Das Ende einer Ära“: Selbst das Berlusconi-Blatt Il Giornale will den
eigenen Lesern nichts vormachen. Akkurat 20 Jahre dauerte sie – die Ära, in
der eigentlich immer der demokratische Ausnahmezustand herrschte. Keine
andere europäische Demokratie hatte das zu bieten: einen Milliardär und
Medienzar, der ganz vorne auf der politischen Bühne steht, der seit 1993
die Agenda diktieren kann, der notgedrungen einen Dauerkrieg gegen die
Justiz führt, weil die wegen eines ganzen Straußes von Verbrechen gegen ihn
ermittelt – und der in diesem Dauerkrieg einerseits die öffentliche Meinung
gegen die „roten Roben“ mobilisiert, andererseits reihenweise Gesetze zum
eigenen Vorteil ändert.
Geschlagene zwei Jahrzehnte kam Berlusconi ungeschoren davon. Doch jetzt
ist Schluss, der Mann ist verurteilt, der Senatssitz ist perdu, die
Zeitungen spekulieren schon, ob es in den noch ausstehenden Verfahren bald
Haftbefehle hagelt.
Ist das also das Ende des Ausnahmezustands, die Rückkehr Italiens zu
demokratischer und rechtsstaatlicher Normalität? Ein Blick aufs politische
Personal ebenso wie aufs Wahlvolk legt zumindest Skepsis nahe.
Da wäre zum Beispiel Roberto Formigoni, neben Innenminister Angelino Alfano
der wohl wichtigste Frontmann in den Reihen der Berlusconi-Abtrünnigen, die
trotz der Vertreibung ihres früheren Chefs aus dem Paradies einfach in der
Regierungskoalition verblieben. Von 1995 bis 2013 hatte der die Lombardei
regiert, Italiens einwohnerstärkste Region und ökonomischer Motor des
Landes.
## Bestechlichkeit und Bildung einer kriminellen Vereinigung
Im letzten Februar dann ließ er sich in den Senat wählen. Seit knapp zwei
Jahren ermittelt die Mailänder Staatsanwaltschaft gegen ihn, wegen
Bestechlichkeit und Bildung einer kriminellen Vereinigung. Als Presidente
der Lombardei soll er Privatinvestoren im Gesundheitswesen millionenschwere
Vorteile zugeschanzt haben; im Gegenzug ließ er sich laut
Staatsanwaltschaft mit sündteuren Reisen zum Beispiel in die Karibik
entschädigen. Es versteht sich von selbst, dass Formigoni von Rücktritt
einfach nichts wissen will.
Als neues Gesicht einer sauberen, nunmehr von Berlusconi befreiten Rechten
taugt auch Renato Schifani nicht so recht. Schifani war in den besten
Berlusconi-Jahren erst Fraktionsvorsitzender der Forza Italia und dann
Senatspräsident. Jetzt ist er wieder Fraktionsvorsitzender – diesmal für
das Nuovo Centrodestra (NCD – Neues Mitterechts-Lager) der
Berlusconi-Dissidenten. Gegen ihn ermittelt seit Jahren die
Staatsanwaltschaft Palermo, wegen Unterstützung einer mafiösen Vereinigung.
Bloß aus „nationaler Verantwortung“ haben Alfano, Schifani, Formigoni mit
ihrem alten Meister gebrochen, und auch das nicht so richtig. Wie der Chef
ziehen sie vor allem eine Lehre aus den Berlusconi-Jahren: Das Land braucht
– eine Justizreform! Obendrein bieten die „neuen“ Rechten den alten
Silvio-Hardcore-Fans eine Allianz für die nächsten Parlamentswahlen an.
Für Wahlen, die die Rechte durchaus gewinnen könnte. Einem Gutteil der
Wähler gilt Berlusconi weiterhin als Lichtgestalt, nun auch in der Rolle
des Märtyrers: jenen Millionen Wählern, die in Gesetzen vor allem Gängelei
erblicken, die sich das Recht aufs Schwarzbauen oder Steuerhinterziehen
einfach nicht verbieten lassen wollen.
Von demokratischer Normalität ist Italien deshalb weiterhin ein gutes Stück
entfernt. Zwar fehlt das Angebot „Silvio Berlusconi“ in Zukunft auf dem
Wahlzettel. Doch die Nachfrage ist vorerst ungebrochen, und recht besehen
ließe sich die Lücke ziemlich leicht füllen, zum Beispiel mit Marina – der
Tochter Berlusconis.
28 Nov 2013
## AUTOREN
Michael Braun
## TAGS
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