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# taz.de -- Strahlende Meiler am Palmenstrand: Brasilien stärkt die Atomkraft-…
> Wasserkraft ist und bleibt Brasiliens Primärstrom-Quelle. Aber die
> Ressource ist recht instabil. Der Energie-Mix soll verbreitert werden –
> mit Atomkraft.
Bild: Küstenbild mal anders: Druckwasserreaktor in Angra dos Reis
ANGRA DOS REIS dpa | Die Kernenergie hat in Brasilien gerade mal einen
Anteil von 3 Prozent an der Stromerzeugung. Das ist wenig, vergleicht man
das mit dem „Noch-Atomland“ Deutschland, wo der Anteil 2012 bei 16,1
Prozent lag. Deutschland aber steigt bis 2022 aus der Kernenergie aus –
worüber man in Brasilien den Kopf schüttelt. „Das war wohl eher eine
politische Entscheidung, und die Bevölkerung in Deutschland wird dafür ein
bisschen zahlen müssen“, sagt Othon Luiz Pinheiro da Silva (64), Präsident
des staatlichen brasilianischen Atom-Konzerns „Eletronuclear“.
Brasiliens Weg ist anders. „Ausbau statt Ausstieg“, heißt das Motto. Es
wird darüber nachgedacht, bis 2030 vier bis acht Atomstandorte zu
entwickeln und den Nuklear-Anteil am Energie-Mix auf bis zu 10 Prozent
hochzuschrauben. Noch ist das graue Theorie, aber: Nach jahrzehntelangem
Planungsstillstand laufen die Arbeiten für den dritten Reaktor Angra III
auf Hochtouren. Wie seine betagten Schwesterblöcke Angra I und Angra II
entsteht er im Küstenort Angra dos Reis rund 150 Kilometer südlich von Rio.
Geplante kommerzielle Inbetriebnahme: Mai 2018. Kosten: 12 Milliarden Reais
(rd. 4 Mrd. Euro). Leistung: 1405 Megawatt.
Während die Brasilianer für Angra II Siemens/KWU beauftragten, laufen die
Arbeiten für das ebenfalls 1975 zu Diktaturzeiten geplante Angra III unter
der Regie des französischen Atom-Konzerns Areva, nachdem Siemens dort beim
Joint-Venture ausstieg. Für den neuen Druckwasserreaktor werden auch
mechanische Teile verwendet, die 26 Jahre alt sind, die aber, so versichert
Eletronuclear, in den vergangenen Jahrzehnten penibel genau gewartet
wurden. Bis 2012 war eine deutsche Hermes-Bürgschaft im Gespräch, doch nach
langem Hin- und Her entschied Brasília, das Kraftwerk zu 100 Prozent mit
eigenen Mitteln zu finanzieren.
„Das dürfte eine ziemliche Erleichterung für die deutsche Regierung gewesen
sein, die damit aus Erklärungsnot gerettet wurde“, sagte der technische
Berater des Eletronuclear-Direktoriums, Paulo Carneiro. Damals ging es um
eine Grundsatzzusage in Höhe von 1,3 Milliarden Euro. Doch wie sollte man
erklären, dass Deutschland der Atomenergie den Rücken kehrt und Berlin dann
Atomkraftwerke in anderen Ländern mitfinanziert. Das fanden nicht nur Grüne
und Greenpeace unstimmig.
## Suche nach Komplementärquellen
Die Atomkraft wird jedoch in Brasilien nie Primär-Ressource werden. Das
Land setzt auf Wasserkraft, die in guten Jahren für 90 Prozent der
Stromerzeugung sorgt. Doch saisonale Schwankungen bedingt durch Trockenheit
und ausbleibenden Regen kratzen am Ruf der über 200 Wasserkraftwerke als
stets verlässlicher Strom-Lieferant. Der Konsum soll dabei jährlich um 3
bis 4 Prozent steigen.
Deshalb dienen Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen und die Atomkraft als
Komplementär-Quellen. Dasselbe gilt für Wind- und Solarenergie. „Doch diese
erneuerbaren Energiequelle erhöhen ja die saisonale Abhängigkeit von
Wettereinflüssen“, gibt Pinheiro zu bedenken. „Was wir brauchen sind
verlässliche Komplementärquellen, wenn es mal trocken ist und weniger
regnet, der Wind mal schwächer bläst und die Sonne mal nicht scheint.“
Die Investitionskosten für die Nuklearenergie sind gewaltig, doch verfügt
das Land im Gegenzug über reichlich Uran. „Brasilien verfügt derzeit über
309 000 Tonnen Uran, die siebtgrößten Reserven der Welt“, sagt der
Energieexperte der Stiftung Getulio Vargas, Otavio Mielnik, kürzlich in
einem Interview. Es würden zusätzliche Reserven von bis 800 000 Tonnen Uran
vermutet. Mielnik: „Das würde Brasilien nach Australien zum Land mit dem
weltweit zweitgrößten Uran-Reserven machen.“
## Kernkraftfreunde
In Brasilien haben Kernkraftfreunde weitgehend Ruhe. Breite „Akw-
Nein-Danke“-Bewegungen sind nahezu unbekannt. Das mag daran liegen, dass es
derzeit nur zwei Meiler gibt, auf deren Gelände auch der Atommüll lagert.
Hochradioaktive Restbestände – jährlich fallen 60 Kubikmeter von Angra I
und II an – werden dort unter Wasser gelagert. Die Stimmung mag sich
ändern, wenn landesweit mehr Meiler ans Netz gehen und mehr kontaminierter
Müll anfällt.
Doch Eletronuclear-Chef Pinheiro hält die Ausbaupläne Brasiliens für „sehr
moderat“. Zudem nennt er immer wieder einen zentralen Begriff für den
Erfolg für Atomkraft: „Humildade“ (Demut). Wir müssen uns immer fragen, ob
es sicher genug ist. Das ist essenziell für ein Nuklearprojekt.“
2 Dec 2013
## AUTOREN
Helmut Reuter
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