# taz.de -- Kolumne Ausgehen und Rumstehen: Das große Adventsrauschen | |
> Die Weihnachtszeit ist die Zeit der Rituale. Gut, wenn man auch seine | |
> eigenen Traditionen pflegen kann. | |
Bild: Frau Yma Sumac. | |
Alles was noch fehlt, ist der Schnee. Die ganze Weihnachtsdeko hängt | |
jedenfalls schon, kalt ist es meistens auch, vereinzelt waren auch bereits | |
vorfrühe Silvesterböller zu hören, zumindest in den Niederungen Neuköllns. | |
Ein eher privateres Ritual zur Vorweihnachtszeit ist das sogenannte | |
Adventshören. Hören statt singen, ja. Das findet an den jeweiligen | |
Adventssonntagen bei vier verschiedenen GastgeberInnen statt. Vorab wird | |
ein Motto ausgegeben, und dann heißt es: Platten mitbringen und vorspielen, | |
Lebkuchen, Kaffee und obskure Singles zum Thema der Woche. | |
Vorläufer dieser Idee war das in Süddeutschland gängige „Smoke & Play“, … | |
es allerdings mehr um den begleitenden Konsum von Rauschmitteln geht als um | |
neue, möglichst noch ungehörte Musik, die die Partizipanten mitzubringen | |
haben. So gesehen ist das „Adventshören“ die eher biedere Variante. Wobei | |
sich auch hier mit den Jahren Verschleißerscheinungen zeigen – nicht mehr | |
alle sind auf dem neuesten Stand, erweitern noch ihre Musikinteressen, | |
zeigen Sinn für die damit verbundene Missionarsarbeit. Sei’s drum. | |
Einfaches Quatschen mit musikalischer Begleitung kann auch schön sein. | |
Das Thema diesmal war denn auch schlicht „2013“. Alle brachten ungefähr die | |
Musik mit, die sie oder ihn in diesem Jahr bewegt hat – in wirklichem Sinn | |
aktuell war davon das wenigste. In meinem Fall waren das die neue Of | |
Montreal, die Doledrums, der absolute Sommerhit „Get Lucky“ von Daft Punk | |
samt Coverversion von Daughter und eine Platte der Schwedin Anna von | |
Hausswolff, die sich übrigens nicht so genannt hat, weil sich das irgendwie | |
deutscher und abgründiger und düsterer anhört. Nein, das ist tatsächlich | |
ihr Name: Anna Michaela Ebba Electra von Hausswolff. | |
Ihre Musik löste denn auch zuerst Begeisterung aus. Sie klingt nämlich | |
schön sakral, besinnlich, dunkel. Es ist einfach die Musik zur Jahreszeit, | |
und gespielt wird sie zumeist auf ominösen Kirchenorgeln. Wie Beach House | |
im Winter oder einfach: wie Beach House in besser. Das Problem für manche | |
der Adventshörer war dann nur die Stimme. Ja, es ist das Kate-Bush-Problem: | |
weibliche Exaltiertheit mögen oder nicht mögen. Also, ich mag es. | |
Die anderen haben dann eher andere Sachen mitgebracht. Es gab viel | |
Psychedelisches, auch ganz ohne Rauschmittel, beispielsweise von den | |
Heliocentrics oder den Wooden Shjips (die spielen heute im Berghain). Es | |
gab jede Menge afrikanische Musik, als wenn Jarmuschs Film „Broken Flowers“ | |
nicht doch schon einige Jahre her wäre – genau wie der kurzzeitige und | |
weitgehend vergebliche Hype um Hi-Life, der vorwiegend ostafrikanischen | |
Musik mit dem enthusiasmierenden Gitarrenpicking. | |
Und es gab eine rührend knisternde Single, die Xenia in einem | |
Second-Hand-Laden gefunden hat, der sich in einem obskuren Hinterhof in | |
Poznan, Polen, befand. Auf dieser Single singt die Peruanerin Yma Sumac | |
(leider schon 2008 verstorben) in Begleitung irgendeines rumänischen | |
Rundfunkorchesters; denn richtig, die Single stammt aus Rumänien. | |
Überhaupt Rumänien – das könnte doch mal ein neues Trendland werden! Fand | |
man. Was ist da eigentlich kulturell so los? Gibt es noch anderes als | |
Straßenmusik und rumäniendeutsche Schriftsteller? | |
Das Motto für den nächsten Adventssonntag steht übrigens noch nicht fest. | |
2 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Rene Hamann | |
## TAGS | |
Musik | |
Gothic | |
Sibylle Berg | |
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