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# taz.de -- Coen-Brüder über ihren neuen Film: „Erfolg hat uns nicht intere…
> Ein Kater schlüpfte herein und bekam eine Hauptrolle. Joel und Ethan Coen
> erzählen, wie „Inside Llewyn Davis“ aus ihrer Leidenschaft für Folkmusik
> entstand.
Bild: „Die Liebe zur Musik war immer da.“ In ihrem neuen Film widmen sich d…
taz: Ihr Film „Inside Llewyn Davis“ erzählt vom glücklosen Dasein eines
Folksängers im New York der späten 1950er/frühen 1960er Jahre. Wie zentral
war der Einfluss des Musikers Dave Van Ronk und seiner Biografie?
Joel Coen: Dave Van Ronks Biografie war das beste Buch, das wir in die
Hände gekriegt haben, was die Beschreibung des Musikermilieus des Greenwich
Village dieser Zeit anbelangt. Die Szene war in den späten 50er Jahren
schon da, aber man kennt erst die Singer-Songwriter der 60er wirklich gut:
Bob Dylan hat das losgetreten. Van Ronk schrieb das Buch gemeinsam mit
Elijah Wald, wir haben Charaktere, bestimmte Ideen daraus entnommen. Seine
Persönlichkeit war nicht so wichtig – Llewyn Davis, die Filmfigur von Oscar
Isaac, ist nicht Van Ronk.
Obwohl auch Van Ronk eine Platte hatte, die „Inside Dave Van Ronk“ hieß?
Joel Coen: Ja, aber Llewyn singt nicht nur Van-Ronk-Songs. Das Buch war
wirklich eher Inspiration und Quelle.
Das Milieu ist noch sehr authentisch: Es geht um Künstler, die sich nicht
anbiedern wollen, die an ihr ureigenes Tun glauben. Warum war das wichtig?
Joel Coen: Wir mögen dieses nichtkommerzielle Milieu, in dem es um
persönliche Ambitionen geht, um die Folklore-Tradition, die von der Idee
von Authentizität geradezu besessen war. Den Leuten ging es darum,
musikalische Formen zu konservieren.
Wie hat sich denn Ihre Leidenschaft für diese Musik entwickelt?
Ethan Coen: Die Liebe war immer da, nur gefiltert durch andere. Bob Dylan,
den wir verehren, seit wir kleine Jungs sind, ist vielleicht der
offensichtlichste Filter. Es ist seltsam mit Musik, sie wandert von
Jahrzehnt zu Jahrzehnt. Und man selbst bewegt sich wieder zurück in der
Zeit.
Joel Coen: Diese Musik war ja vor den Leuten da, die wir jetzt
thematisieren.
Ethan Coen: Sie haben wiederum die Musik gehört, die wir schon in „O
Brother, Where Art Thou?“ behandelt haben.
Anders als in diesem Film sind alle Nummern live aufgenommen und werden
vollständig gespielt.
Ethan Coen: Ja, diesmal geht es um einen Musiker. Wir mussten das, was er
tut, ernst nehmen.
Joel Coen: Er verbringt einen Großteil seines Alltags mit dem Musikmachen.
Ethan Coen: Und er bewegt sich in diesem abgeschlossenen Zirkel von Leuten,
von denen etliche auf Bühnen stehen. Das bedeutet, dass man sie beim
Musizieren zeigen muss, um die Community einzufangen.
Das Cover von Bob Dylans Album „The Freewheelin’“ hat Ihren Film, Farben
und Atmosphäre mitinspiriert, stimmt das? Wie ist daraus die weitere
Erzählung entstanden?
Ethan Coen: Es begann damit, dass Joel sagte, wie es wäre, einen Film über
einen Folksänger zu machen, der damit anfängt, dass dieser in einer dunklen
Gasse niedergeschlagen wird. Von da an weiß ich es gar nicht mehr so genau
… Wir haben uns sehr früh für diese Kreisform der Erzählung entschieden.
Und dann gab es bald die Idee für den Roadtrip nach Chicago in der Mitte
des Films, als eine Form der Interpunktion. Es erschien uns wichtig, wieder
an den Anfang zurückzukehren.
Das ist ziemlich anders als die Sorte Musikerfilm, die mit einem Hit endet
…
Joel Coen: Ja, Erfolg hat uns einfach nicht interessiert. Aber wir wollen
auch keine Geschichte übers Scheitern erzählen, weil den Musikern das
Talent fehlt. Das Spannende an der Figur des Llewyn Davis ist, dass man
nicht weiß, ob er sich durchsetzen wird oder nicht. Man hat seine Zweifel,
ob er es schafft. Musikalisch ist er gut. Manchmal reicht es aber nicht,
gut zu sein.
Der Film leistet auch die Rekonstruktion einer Ära: Das New Yorker Village,
die Clubs, aber auch Orte wie ein Diner definieren ihn mit. Wie eng war
dabei die Zusammenarbeit mit Ihrem Produktionsdesigner Jess Gonchor?
Ethan Coen: Was den Look betrifft, haben wir darüber eigentlich mehr mit
dem Kameramann Bruno Delbonnel gesprochen als mit Jess. Das erwähnte
Dylan-Cover, die Farben der Bilder von damals, alles, was New York in den
1960er Jahren dieses spezifische Aussehen gab, war uns wichtig.
Es war immer klar, dass es Winter sein würde?
Ethan Coen: Ja. Auch Fotos von Robert Frank lieferten Akzente, gerade beim
Roadtrip.
Joel Coen: Diese Reise durch den Mittleren Western hat auch den Aspekt,
dass wir die Gegend aus unserer eigenen Kindheit gut kennen. Wir sind dort
aufgewachsen. Diese Restaurants an den Highways existieren heute nicht
mehr.
War es deshalb wichtig, auf Film zu drehen?
Ethan Coen: Ja, wobei zum Teil die Autofahrten „process shots“ sind [mit
Rückprojektionen im Studio gedreht, Anm.]. Die Straßenaufnahmen in New York
waren eine Qual. Man muss schon sehr viel Arbeit investieren, um am Ende
dem damaligen Zeitkolorit zu entsprechen.
Joel Coen: Bei diesen ganzen Details hat Jess geholfen, sogar die
Fensterfassungen sind ja mittlerweile anders – früheren waren sie aus Holz.
Zugunsten von besserer Dämmung sind die inzwischen zumeist ausgetauscht.
Doch solche Details lassen sich später am Computer kaum rekonstruieren, das
würde zu undeutlich.
Es heißt, T Bone Burnett und Marcus Mumford, Ihre Musikberater, waren mit
der Performance und Bandbreite von Oscar Isaac sehr glücklich.
Joel Coen: T-Bone hat am Set eine Stoppuhr verwendet. Er wollte
sicherstellen, dass das Tempo von Einstellung zu Einstellung nicht zu sehr
schwankt – er war dann ganz verdutzt, dass das bei Oscar so selten der Fall
war. Er hat ein absolutes Gehör. Das ist natürlich toll, wenn man
unterschiedliche Takes variiert …
Ethan Coen: … was wir gar nicht so oft getan haben!
Das heißt, die Entscheidung für Oscar Isaac fiel vor allem aufgrund seiner
musikalischen Fähigkeiten?
Joel Coen: Wir haben jemanden gesucht, der auf zwei Arten außergewöhnlich
ist: als Schauspieler und als Musiker. Es passiert selten, dass das
gelingt. Es gibt tolle Musiker, die gute Nebenfiguren abgeben, aber wir
brauchten jemanden, der einen ganzen Film zu tragen vermag. Insofern war es
ein kleines Wunder, dass wir Oscar fanden.
Ich habe noch gar nicht den Kater im Film erwähnt, der ja wirklich ein
Original ist.
Joel Coen: Das trifft es ganz gut! Ich weiß nicht, woher er kam. Er
schlüpfte durch den Türspalt. Sobald er da war, suchten wir nach einer
Aufgabe für ihn. Ab einem bestimmten Punkt erschien es praktisch. Mit dem
Kater ließen sich Szenen verbinden. Er hat die Episoden gut
zusammengehalten.
Ethan Coen: Außerdem gibt es diese versteckte durchgehende Frage im Film:
Was wird Llewyn behalten und was wieder verlieren? Obdachlos sein, bei
fremden Leuten schlafen, das alles mit Kater – es ergab einfach Sinn.
Joel Coen: Llewyn ist so etwas wie ein ungewollter Gast. Noch dazu einer
mit stiller Begleitung.
4 Dec 2013
## AUTOREN
Dominik Kamalzadeh
## TAGS
Folkmusik
New York
Spielfilm
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in die Kinos. Die Musik darin kann man jetzt schon hören.
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