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# taz.de -- Türkisches Interesse an Öl im Nordirak: Ein schmieriger Deal
> Die Türkei könnte sich mit Energie aus dem Norden Iraks aus ihrer
> Abhängigkeit von Russland lösen. Doch das führt zu Konflikten mit Bagdad.
Bild: Wer profitiert von den zweitgrößten Vorkommen der Welt? Ölraffinerie n…
ISTANBUL taz | Es ist ein Kampf um Rohstoffe, Macht, die Unabhängigkeit der
Kurden – und viele Milliarden: Beim Konflikt um die zweitgrößten Ölvorräte
der Welt bahnt sich eine Lösung an. Sie könnte die Autonomiebestrebungen
der Kurden im Norden des Irak fördern.
Seit Jahren streiten sie sich mit der Zentralregierung in Bagdad um
Förderung und Verwertung des Öls im Norden des Irak – und um das Gas aus
den Feldern von Kirkuk und Mossul. Regierungschef Nuri al-Maliki pocht
darauf, dass nur die irakische Zentralregierung Förderlizenzen vergeben
darf und anschließend den Verkauf des Öls kontrolliert, während die Kurden
schon lange unabhängig von Bagdad Verträge mit Ölkonzernen machen, die in
ihrem Gebiet fördern wollen.
Bislang war das aber nicht mehr als eine Trockenübung, denn die Kurden
hatten keine Möglichkeit, ihr Öl auf den Weltmarkt zu bringen. Doch das ist
jetzt Geschichte In der vergangenen Woche schlossen Techniker im Nordirak
eine kurdische Ölpipeline an eine seit Saddam Husseins Zeiten bestehenden
Pipeline von Kirkuk an den türkischen Ölhafen Ceyhan an. Ab sofort könnte
kurdisches Öl Richtung Türkei fließen – völlig ohne den Zugriff Bagdads.
In der vergangenen Woche unterschrieb Nechirvan Barsani, Chef der
kurdischen autonomen Regierung, in Ankara sogar noch weitere Verträge über
den Bau einer zweiten Öl- und Gaspipeline sowie über Schürfrechte für den
neu gegründeten türkischen Staatskonzern Turkish Energy Company.
Wenn die zweite Pipeline fertig ist, könnte 2015 täglich eine Million
Barrel Öl aus kurdischen Quellen nach Ceyhan gepumpt werden. Das ist etwa
genauso viel, wie durch die von den USA mit Milliardensummen gesponserte
Pipeline von Baku am Kaspischen Meer nach Ceyhan fließt.
## Kurdischer Staat unter türkischer Kontrolle
Für die Türkei und für die irakischen Kurden wäre der Deal eine absolute
Win-win-Situation. Premier Tayyip Erdogan könnte die Türkei sogar aus der
Abhängigkeit von russischen Energielieferungen befreien. Derzeit kauft das
Land hier jährlich für 60 Milliarden Dollar Öl und Gas ein – einer der
Gründe für die miserable türkische Leistungsbilanz. Die Karten im
Energiepoker der Region würden mit den kurdischen Rohstoffen neu gemischt –
für Erdogan gerade jetzt, wo drei wichtige Wahlen anstehen, hoch
willkommen.
Doch das Geschäft birgt außenpolitische Risiken. Bagdad hat bereits damit
gedroht, die Beziehungen zu Ankara einzufrieren. Erdogan hat es ja
mittlerweile geschafft, dass kaum noch eine Regierung im Nahen Osten mit
ihm redet. Ägypten wies gerade den türkischen Botschafter aus, weil Erdogan
weiter am gestürzten Präsident Mursi festhält. Wegen Ägypten sind auch die
Beziehungen zu den Golfstaaten gespannt. Mit Israel redet Erdogan schon
lange nicht mehr.
Auch um nicht vollends isoliert in der Region dazustehen, kann Erdogan
Bagdad also nicht einfach übergehen. Der türkische Energieminister Taner
Yildiz reiste deshalb zum südlichen Nachbarn, um Maliki den Deal vielleicht
doch noch schmackhaft zu machen. Die Türkei bietet Bagdad nun an, den
größten Teil der Erlöse aus den Ölverkäufen auf einem jederzeit einsehbaren
Treuhandkonto für die Zentralregierung zu bunkern. Noch ein Angebot an den
Nachbarn: Ankara will sich am Bau einer weiteren Ölpipeline beteiligen,
diesmal aus dem südirakischen Basra in die Türkei, damit Irak von den
Tankerrouten im Persischen Golf unabhängiger wird.
Ob Maliki darauf eingeht, ist mehr als fraglich. Öl ist schließlich die
einzige Einnahmequelle des Irak. Doch eine Dauerblockade durch die
Zentralregierung werden sich die Kurden nicht mehr lange bieten lassen.
Barsani droht bereits mit Abspaltung – das würde die Grenzen des fragilen
einstigen Kriegslands Irak endgültig infrage stellen. Ein neuer kurdischer
Staat unter der Kontrolle der aufstrebenden Türkei könnte die Folge sein.
4 Dec 2013
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
Kirkuk
Nordirak
Erdöl
Schwerpunkt Türkei
Irak
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Irak
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