Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kommentar Orkan "Xaver" in Hamburg: Willkommene Auszeit
> Der Sturm hinterlässt vor allem Geschichten. Diese erzählen von der
> Sehnsucht, alles liegen zu lassen, weil eine höhere Macht es so will.
Bild: Endlich Ruhe: "Xaver"-Fotograf im Hamburger Hafen.
HAMBURG taz | Der Orkan „Xaver“ ist überstanden und das, was er im Norden
hinterlässt, sind in erster Linie Geschichten. Egal, ob man Menschen aus
Husum, Kiel, Cuxhaven oder Hannover fragt: Jeder hat seine
Xaver-Geschichte. Denn Xaver war nicht nur ein Sturm, er war auch ein
Medienhype mit allen klassischen Zutaten: Sich selbst verstärkende
Dauerbeschallung auf allen Kanälen und dazu eine lustvolle Angst, dass
Xaver tatsächlich eingreifen könnte in den Alltag, dessen Routinen die
Menschen lieben und zugleich satt haben.
In Hamburg, der Stadt mit den meisten Medien und der traumatischen
Sturmfluterfahrung des Jahres 1962, sah der Donnerstag mit Xaver nicht
wesentlich anders aus als der Dienstag ohne ihn. Dennoch sahen sich diverse
Akteure in der Stadt veranlasst, auf Xaver zu reagieren: Beim NDR wurden
alle Mitarbeiter nach Hause geschickt, die keine unverzichtbaren Aufgaben
zu erledigen hatten und die Schulen sagten den Unterricht ab, was
vielerorts als „schulfrei“ kommuniziert wurde.
Zwischenzeitlich brach dann die Internetseite des Hamburger
Verkehrsverbunds zusammen aufgrund der vielen User, die alle wissen
wollten, ob die Busse und U- und S-Bahnen noch fahren. Und abends auf
Kampnagel eröffnete ein Festival mit dem schönen, weil maximal
tagesaktuellen Namen „Nordwind“ vor deutlich dezimierten Zuschauerrängen.
Gerechtfertigt war das alles nicht. Regen gibt es öfter mal in Hamburg,
auch windig kann es Anfang Dezember schon mal sein. Folglich fuhren die
U-Bahnen auch nachts noch auf die Minute genau. Und die Eltern kamen
gegenüber ihren Kindern in Erklärungsnot: Schulfrei, ja. Aber warum?
Der Grund dafür war nicht das Orkantief Xaver, sondern die Sehnsucht, die
Alltags-Routine auszuhebeln. Zu Hause bleiben, Absagen, nicht Raus-Gehen,
Beine hoch. Xaver ist nur der Anlass für eine willkommene, womöglich nötige
Auszeit. Die Kinder fanden ihn super. Die Erwachsenen insgeheim auch.
Weil das Nicht-Hingehen sonst nicht drin ist, schon gar nicht im Advent,
ist ein geflügeltes Wort im Zusammenhang mit Xaver das von der „höheren
Macht“, die er sei. Die braucht es, wenn die Routinen durchbrochen werden
sollen. Die braucht es auch, um sich gut dabei zu fühlen: Xaver ist
verantwortlich für die Absage, nicht man selbst.
Menschen, die in den Bergen groß geworden sind, kennen das Phänomen, dass
ihre Häuser einschneien und nichts mehr geht. So gesehen ist Xaver für
Hamburg etwas Märchenhaftes: Ein Stück Bergbauernfolklore – mitten im
flachen Norddeutschland.
##
6 Dec 2013
## AUTOREN
Klaus Irler
## TAGS
Orkan „Xaver“
Hamburg
Verantwortung
Schule
Xaver
Sturm
Xaver
Orkan „Xaver“
Wetter
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kommentar Orkan „Xaver“: Sturmgeheule wie am Lager Vier
Ein Orkan ist nicht einfach nur schlimm. Er erfüllt auch unsere Sehnsucht
nach Naturgewalten. Davon leben ganze Branchen.
Kommentar Orkan „Xaver“: Ein Hoch auf die Wissenschaft
Meteorologen haben die Fluten des Orkans „Xaver“ präzise vorhergesagt. Das
hat Abwehrmaßnahmen erleichtert und Schäden minimiert. Danke dafür!
Orkan „Xaver“ über Deutschland: Sturm, Schnee und fliegende Dächer
Der Norden wurde mit aller Wucht getroffen. Hamburg verzeichnete die
zweithöchte Flut seit Beginn der Aufzeichnungen. Vielerorts bricht der
Winter ein.
Sturm „Xaver“ über Deutschland: Land unter im Norden
Der Orkan sorgt in Norddeutschland für Überflutungen. Größere Schäden
blieben bisher aus, doch weitere Sturmfluten werden erwartet.
Sturmtief „Xaver“: Der Norden wappnet sich
Vorsicht, „Xaver“ naht: Das Sturmtief führt zu Fluten und Orkanböen an der
Nordseeküste. Und zu Neuschnee in den Mittelgebirgen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.