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# taz.de -- Politikerprozess in Thüringen: Tiefer Fall eines Innenministers
> Christian Köckert muss sich am Landgericht Meiningen gegen
> Korruptionsvorwürfe verteidigen. Er soll einen Windanlagenbauer
> protegiert haben.
Bild: Christian Köckert am Montag vor Gericht.
MEININGEN taz | Auf der Anklagebank im Landgericht Meiningen saß am
Montagmorgen nicht mehr der fesche Nachwende-Aufsteiger mit der
Pilzkopf-Frisur. Der frühere Thüringer Innenminister Christian Köckert
(CDU) wirkte müde und sprach leise. Er muss sich vor Gericht verantworten:
Auf Vorteilsannahme im Amt und Abgeordnetenbestechung lautet die Anklage
gegen ihn.
Als ehrenamtlicher Beigeordneter der Stadt Eisenach soll Köckert den
Windanlagenbauer Juwi protegiert und dafür 80.000 Euro erhalten haben.
Weitere 15.000 Euro soll ihm der Projektentwickler Tupag gezahlt haben,
damit Köckert im Eisenacher Stadtrat die Ansiedlung eines Media-Marktes
durchsetzt.
Der heute 56-jährige ehemalige evangelische Pfarrer von Stedtfeld bei
Eisenach gehört zu den DDR-Theologen, die nach der Wende politische
Karriere machten. Vom Bürgermeister in Stedtfeld führte sein Weg 1994 in
den Thüringer Landtag und bald an die Spitze der CDU-Fraktion. 1999 berief
ihn der damalige Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) zum Innenminister.
Als Konkurrent von Dieter Althaus galt er einigen sogar als Kronprinz in
der Vogel-Nachfolge.
Doch Köckert stolperte über eine ganze Reihe von Dingen: über eine
verschwundene CD mit brisanten Daten, Formel-1-verdächtige Autofahrten und
über illoyale Mitarbeiter wie den Ex-Verfassungsschutzpräsidenten Helmut
Roewer. 2002 resignierte Köckert als Innenminister und zog sich in die
Eisenacher Kommunalpolitik zurück.
## Geschäftsmann ohne großes Geschick
Nebenbei versuchte sich Köckert auch unternehmerisch. Offenbar mit wenig
Erfolg, wie die Vernehmung zur Person zutage förderte. Sechsstellige Summen
sind aus früheren Beteiligungen und Insolvenzen offen. Für das kleine
Beratungsunternehmen EA Consult, in das Köckert 2007 als Geschäftsführer
eingestiegen war, seien etwa 250.000 Euro an Verbindlichkeiten offen,
räumte der Pfarrer ein.
EA Consult, das sich in Weißrussland mit wenig Erfolg an der Vermittlung
erneuerbarer Energien versuchte, kam es 2010 gerade recht, dass Juwi
Windanlagen bei Eisenach bauen wollte und dafür eine Regionalvertretung
suchte. Als Beigeordneter in Eisenach und als Vertreter im regionalen
Planungsverband half Köckert EA Consult, „die festgefahrene Wind-Situation
in Thüringen aufzubrechen“, wie Köckert selbst sagt. Es sei dabei nicht nur
um Eisenach gegangen, verteidigte er sich gegen den Vorwurf, sein Amt in
der Stadt für den Deal eingesetzt zu haben, sondern um Projekte in ganz
Thüringen.
Kollisionen mit seinen Ehrenamtspflichten erkannte Köckert nicht. Für seine
Dienste will er netto nur 14.000 Euro erhalten haben, weil der Vertrag mit
Juwi bald gekündigt wurde. Hinter seiner Strafverfolgung wittert der wohl
schillerndste Thüringer Politiker die ehrgeizige Eisenacher Baudezernentin
Gisela Rexrodt von den Grünen. Auf ihre Hinweise geht offenbar das
Verfahren zurück, das seiner Bedeutung wegen gleich am Landgericht eröffnet
wurde.
Bei einer Hausdurchsuchung im Februar 2012 stießen die Polizeibeamten dann
gleich noch auf rund tausend Blatt teils vertraulicher Akten aus dem
Innenministerium, die Köckert 2002 mitnahm.
Die Befragung zur Person zeigte am Montag keinen Erfolgstypen mehr. Als
Berater sei er „so gut wie tot“, so Köckert. Er lebe heute von den
Ruhestandsbezügen als Landtagsabgeordneter und den Einkünften seiner Frau.
Für vier seiner sieben Kinder aus verschiedenen Beziehungen leistet er noch
Unterhalt.
Im Saal saßen auch zahlreiche ältere Mitglieder einer Eisenacher
Bürgerinitiative gegen Kommunalabgaben. Sie kommentierten Köckerts
Einlassungen als „Märchenstunde“. Im Hauptverfahren sind zunächst fünf
weitere Prozesstage bis Januar 2014 vorgesehen.
9 Dec 2013
## AUTOREN
Michael Bartsch
## TAGS
Schwerpunkt Thüringen
Prozess
Verfassungsschutz
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