# taz.de -- Kulturpolitik Berlin: Ein Lebenstraum begraben | |
> Die Berliner Choreografin Sasha Waltz entlässt ihre Tänzer. Die bleibende | |
> strukturelle Unterfinanzierung durch die Stadt hat sie dazu veranlasst. | |
Bild: Sasha Waltz bei ihrer Pressekonferenz im Haus der Berliner Festspiele. | |
BERLIN taz | In einer aufregenden Rede, die fast eine dreiviertel Stunde | |
dauerte, stellte Sasha Waltz am 13. Dezember im Haus der Berliner | |
Festspiele die „Achterbahn der Gefühle“ dar, die sie und ihre Compagnie | |
2013 erlebt haben. Auf der Bühne des Festspielhauses wird gerade ihr Stück | |
„gefaltet“ aufgeführt, zum Abschluss des Jubiläums-Programms. | |
Denn 2013 war das Jahr, in dem die Compagnie Sasha Waltz & Guests ihr | |
zwanzigjähriges Bestehen mit großen künstlerischen Projekten und | |
ästhetischen Aufbrüchen feiern konnten. | |
Die Choreografin hat mit Ballett-Tänzern in St. Petersburg an einer | |
Wiederaufführung von Strawinskys „Sacre du Printemps“ gearbeitet und das | |
Stück mit ihrer eigenen Compagnie in Brüssel und Berlin getanzt. Sie hat | |
mit indischen Künstlern einen leerstehenden Palast in Kalkutta bespielt und | |
ihr bisheriges Werk für eine Ausstellung in Karlsruhe neu reflektiert. | |
Diesem Aufschwung gegenüber steht die Zitterpartie um die Finanzen: Die | |
Compagnie ist strukturell unterfinanziert, das sieht auch das Berliner | |
Parlament so. Sie wird in Berlin mit 1,85 Millionen Euro gefördert und muss | |
die Hälfte ihre Jahresetats von 4 Millionen selbst erwirtschaften mit | |
Gastspielen und Coproduktionen – das ist mehr, als jedes Stadttheater | |
vergleichbarer Größe schafft. Die Unterfinanzierung wird bleiben, das hat | |
sich am 12. Dezember zuvor gezeigt, als im Berliner Abgeordnetenhaus über | |
den Haushaltsentwurf der Großen Koalition diskutiert wurde. | |
## Bittere Konsequenz | |
Die bittere Konsequenz ist, dass Sasha Waltz die Zahl ihrer fest | |
angestellten Mitarbeiter von 35 auf 22 verringert und künftig keine | |
festangestellten Tänzer mehr hat. Für sie ist damit ein Lebenstraum | |
zerbrochen, ein festes Ensemble zu leiten und das eigene Repertoire zu | |
pflegen. | |
Traurig ist das auch für alle, die in Berlin gern mehr von Sasha Waltz | |
sehen würden. Gerade mal 20 Repertoirevorstellungen sind in Berlin 2014/15 | |
gesichert. Dass sie im November und Dezember ihres Jubiläumsjahres mit 4 | |
Projekten in Berlin präsent war, in der Staatsoper, im Festspielhaus und im | |
Radialsystem, Wiederaufnahmen und Neuproduktionen zeigte, wirkte wie ein | |
Versprechen, was werden könnte, wenn sie mehr von der Stadt unterstützt | |
wurde. Dieses Versprechen wird nicht wahr werden. | |
## Als Kulturbotschafterin unterwegs | |
Tänzer werden nun für jedes Projekt neu verpflichtet. Bestehen bleibt der | |
logistische Apparat, der es Sasha Waltz & Guests ermöglicht, ihre | |
Koproduktionen und Gastspiele zu organisieren. 2013 trat sie beispielsweise | |
in Chile, Lissabon, Luxemburg, Rumänien, Litauen, Marseille, Avignon, | |
Helsinki, Genf und Rom auf und trug dabei auch den Titel einer | |
„Kulturbotschafterin des Landes Berlin und der Bundesrepublik Deutschland“. | |
Um ihre eigene Karriere muss sich Sasha Waltz übrigens keine Sorge machen. | |
Sie wird 2014 Wagners „Tannhäuser“ an der Staatsoper inszenieren, mit | |
Daniel Barenboim und der Staatskappelle und Tänzern, die die Oper | |
engagiert. | |
In ihren Haushaltsberatungen hatte die Regierungskoalition zuletzt erwogen, | |
dass Sasha Waltz & Guests 500.000 Euro mehr erhalten könnte, wenn es der | |
Berliner Opernstiftung gelänge, diese 2014/15 einzusparen. Dieses | |
Ausspielen der Institution Opernstiftung gegen die Tanzcompagnie hat nicht | |
nur Waltz empört – sie will nicht denen, die mit ihr zusammenarbeiten, das | |
Geld nehmen –, sondern auch die Berliner Grünen. Als „ebenso beschämend w… | |
skandalös“ benennt deren kulturpolitische Sprecherin, Sabine Bangert, den | |
Umgang mit der Compagnie. | |
13 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Katrin Bettina Müller | |
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