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# taz.de -- Debatte Italiens „Partito Democratico“: Hoffnung für eine Leic…
> Die Demokratische Partei hat sich entschieden: Matteo Renzi,
> Bürgermeister von Florenz, soll es für die parlamentarische Linke
> Italiens richten.
Bild: Matteo Renzi: Ein neues, lächelndes Gesicht für den italienischen „Pa…
Hoffnungsträger oder Totengräber? Seit knapp einem Monat ist Matteo Renzi,
der erst 38-jährige Bürgermeister von Florenz, Chef der größten
italienischen Regierungspartei, des gemäßigt linken Partito Democratico
(PD).
Den einen steht er für die womöglich letzte Chance der Partei, den
schleichenden Niedergang abzuwenden, den anderen dagegen für die schon
eingetretene Katastrophe: für das schmähliche Ende der italienischen
Linken.
Hoffnungsträger ist der ebenso smarte wie grundkatholische Renzi ganz
gewiss für jene stolzen 70 Prozent der drei Millionen Parteianhänger, die
ihn Anfang Dezember in einer Urwahl zum neuen Parteichef kürten, während
der Kandidat des alten Parteiapparates, Gianni Cuperlo, bei demütigenden 18
Prozent hängen blieb.
Geradezu messianische Erwartungen knüpfen sich an den Neuen, vorneweg
diejenige, dass er endlich die Serie schmerzender Wahlniederlagen, die
zermürbenden Flügelkämpfe, das unpopuläre Krisen-Klein-Klein der
Notstandsregierungen beenden möge.
## Altlinke verschrotten
Ebendaher rührt die Faszination Renzis: dass er sich – mit flotten Sprüchen
über die notwendige „Verschrottung“ der alten Garde der Partei genauso wie
über das Abschneiden alter Zöpfe – seit Beginn seiner Karriere systematisch
als Politiker inszeniert hat, der für den Kontinuitätsbruch in der PD
steht. Für einen Kontinuitätsbruch, der recht besehen die mehr als
90-jährige Geschichte des „Comunismo all’italiana“ beendet.
Denn die PD mag zwar in ihrer heutigen Gestalt erst sieben Jahre alt sein,
doch sie steht in direkter Kontinuität zur glorreichen KPI, die im Januar
1921 in Livorno von Antonio Gramsci, Palmiro Togliatti und ihren
Mitstreitern aus der Taufe gehoben worden war. Die KPI war zunächst in der
Illegalität unter dem Mussolini-Regime, dann in der Resistenza gegen die
Nazi-Besatzer zur beherrschenden Kraft der italienischen Linken
aufgestiegen.
Und sie hatte diese Position auch nach dem Zweiten Weltkrieg, in den langen
Jahrzehnten der christdemokratischen Herrschaft, beharrlich ausgebaut, war
so zur stärksten Kommunistischen Partei im freien Westen aufgestiegen.
Zu einer KP, die auf den Festen der Parteizeitung Unità zwar einerseits das
goldene Morgenrot des Sozialismus beschwor, die aber andererseits seit den
Zeiten des Stalinisten Togliatti auch die „nationale Verantwortung“
hochhielt: Chiffre für eine übervorsichtige Politik, die neben dem
utopischen Morgen des Sozialismus das Heute eines gemäßigt
sozialdemokratischen, oft genug grauen Realismus bereithielt. Kein Problem:
Das Morgen und das Heute wurden in den Augen der Millionen vertrauensvoller
Anhänger von der strategischen Weisheit der Parteiführung zusammengehalten.
## Die Partei weiß es besser
An dieser Grundanlage änderte sich auch nichts mit der eurokommunistischen
Wende der 1970er Jahre unter Enrico Berlinguer, der mit der Sowjetunion
brach – und doch das utopische Morgen ebenso wie das hyperrealistische
Heute als Schema beibehielt.
Doch 1991 schien der radikale Neuanfang möglich. Die Partei verzichtete im
Gefolge des Mauerfalls auf das Signum „kommunistisch“ und gründete sich als
„Demokratische Linke“ neu. Das Morgen der Utopie war somit abgeschafft –
nicht jedoch die alten Attitüden, nicht der in der alten kommunistischen
Angst vor „politischen Abenteuern“ und Bürgerkrieg wurzelnde
übervorsichtige Realismus, nicht die Pose der „nationalen Verantwortung“,
hinter der Parteiinteressen zurückstehen müssten; und erst recht nicht der
Anspruch, dass die Partei weiterhin Hüterin der wahren Linie sei. Auch die
Fusion mit der Mitte-Partei „Margherita“, nunmehr zur PD, brachte da keine
Neuerung: Die Führung der PD war weiterhin fest in der Hand der alten, in
der KPI groß gewordenen Politiker.
So entstand eine Partei übervorsichtiger Bedenkenträger, die sich jedoch
zugleich als Hort der „richtigen“ linken Politik aufführte und die in der
Zivilgesellschaft entstandenen Anti-Berlusconi-Bewegungen der frühen 2000er
Jahre in einer Weise als „politische Abenteurer“ abqualifizierte, die an
den Habitus des Komintern-Kommunisten Togliatti anknüpfte.
Am Ende standen vor allem Niederlagen – gegen Silvio Berlusconi, den
Dominus der italienischen Politik seit 1994, Niederlagen, die die
Linksdemokraten sich selbst einbrockten, nicht zuletzt weil sie immer
wieder den Kompromiss mit Berlusconi wiederholten – ganz so, als sei der
ein mit Berlinguer verhandelnder Aldo Moro – kurz: eine neue schöne
Gelegenheit, im Dialog mit ihm von links „nationale Verantwortung“ zu
zeigen.
## Renzis Triumph
Jene Pose erlebte gerade in den letzten zwei Jahren ihren Triumph. Erst
beugte sich die PD im November 2011 nach dem Rücktritt der Regierung
Berlusconi dem Diktat des Staatspräsidenten Giorgio Napolitano, verzichtete
auf sofortige Neuwahlen und stützte stattdessen die Notstandsregierung
unter Merkels Sparkommissar Mario Monti. Dann führte sie unter Parteichef
Pierluigi Bersani im Februar 2013 einen höchst „verantwortlichen“
Wahlkampf, der schier gar nichts versprach – und vergeigte so den sicher
geglaubten Wahlsieg.
Und schließlich zerlegte sie sich bei der Wahl des Staatspräsidenten; mehr
als 100 Heckenschützen aus den eigenen Reihen vereitelten die Wahl Romano
Prodis. Stattdessen wurde die Wiederwahl Napolitanos unvermeidlich, dann
die Auflage einer neuen Notstandsregierung, beides ebenfalls mit dem
Berlusconi-Lager.
Dies allein erklärt den Triumph Matteo Renzis, des ersten Parteichefs ohne
jeden Hauch kommunistischer Vergangenheit: Ja, der Hoffnungsträger ist
zugleich der Totengräber. Der Totengräber einer Parteiführung allerdings,
die vorher Suizid begangen hat.
Wohin wird die PD mit Renzi gehen? Noch vor wenigen Jahren gab der Mann
sich als flotter Politiker der Mitte, stellte er sich mitten in einem
harten gewerkschaftlichen Konflikt offen an die Seite des Fiat-Bosses
Sergio Marchionne. Doch in den letzten Wochen suchte Renzi den
Schulterschluss ausgerechnet mit Marchionnes Erzfeind, mit Maurizio
Landini, dem Chef der traditionslinken Metallgewerkschaft Fiom.
5 Jan 2014
## AUTOREN
Michael Braun
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