# taz.de -- Kolumne Blicke: Endlich Raucher! | |
> Auch wer mit den besten Vorsätzen ins neue Jahr startet: Man braucht | |
> einen verdammt langen Atem – und falsche Freunde lauern überall. | |
Bild: Geschafft: Es qualmt! | |
Dinge ernst zu meinen war mir schon immer schwer gefallen. Aber nun lag | |
2013 in der Vergangenheit, und es war Zeit für einen neuen Versuch. | |
Ich hatte mich gewiss auch falsch beraten lassen: Mit dem Rauchen | |
anzufangen sei gar nicht so schwer, hatten „Freunde“ mir immer wieder | |
versichert, auch nach 28 Jahren Nichtgewöhnung an die Zigarette. | |
Für meinen zweiten Anlauf hatte ich mir deswegen professionelle Hilfe | |
geholt, im Internet, in der Literatur und bei einer Selbsthilfegruppe. | |
Anfangen musste ich aber schon selber, wie immer im Leben. | |
Die erste Zigarette gleich nach dem Aufwachen, hatte ich gelesen, sei die | |
wichtigste, um eine verlässliche Abhängigkeit zu entwickeln - wenn man es | |
denn ernst meinte … | |
## Gleich nach dem Aufwachen! | |
Es war am Neujahrsmorgen. Ich lag im Bett, in der Hand einen wunderbaren, | |
leicht gesüßten doppelten Espresso, vor mir ein kluges Buch, die gleißende | |
Wintersonne streichelte die Dielen. | |
Zigaretten (kein Light- oder Zusatzfreigedöns), Aschenbecher (hübsch, vom | |
Flohmarkt) und Zippo (neu erworben) waren auf dem Nachtschränkchen | |
drapiert. Ich trank einen Schluck Kaffee. | |
Köstlich, wie der belebende Trunk so ganz ohne scheußlichen | |
Tabakbeigeschmack die Kehle hinunterlief: Genau diese Kombination hatte bei | |
meinen vorhergehenden Versuchen immer einen kaum zu unterdrückenden | |
Brechreiz ausgelöst. | |
Aber jetzt kam der schwere Teil, jetzt wurde es real. Nun musste ich | |
rauchen. Ich löste die bestimmt fies unabbaubare Cellophanhülle von der | |
dunkelblauen Schachtel (dieses verträumte, inaktive Blau mag ich als Farbe | |
ja gar nicht), schnipste die bleiche Kippe raus und steckte mir das | |
unförmige Ding in den Mund. | |
Wie viel Kinderhände in der 3. Welt hatten schuften müssen, bis dieser | |
Stängel zu mir kam? Wie viel Wasser war verbraucht worden, wie viel Boden | |
verseucht? Egal, daran durfte ich jetzt nicht denken. | |
## Schmatzendes Zippo | |
Mit einem Klicken und einem Schmatzen wie ein sich öffnendes | |
Atomraketendepot erfüllte das Zippo seinen fiesen Job. Mit größtem | |
Widerwillen führte ich die Flamme zum Glimmstängel. Noch einmal schüttelte | |
es mich vor Ekel, dann aber siegte mein Stolz, und ja, das Ding, es | |
rauchte. | |
Erst mal musste ich die Zigarette aus dem Mund nehmen. Sie würde ja nicht | |
ausgehen, ha, dafür hatten verbrecherische Chemiker schon Sorge getragen! | |
Nein, es war nun weiß Gott nicht schön anzusehen, wie der todbringende | |
Rauch langsam im Licht sich kräuselnd nach oben stieg – und dann dieser | |
Gestank! Ich kann das nicht, schrie es irgendwo in mir. | |
„Weichei“, sagte meine Freundin, lässig in der Tür stehend und genüsslich | |
an einer Kippe ziehend – gewiss nicht der ersten an diesem Morgen, der so | |
hoffnungsfroh begonnen hatte. In mir brodelte es. „Für dich ist es anders“, | |
wollte ich greinen. „Du warst nie abhängig vom Nichtrauchen, warst immer | |
eine Genussnichtraucherin!“ Aber nur ein hysterisches Röcheln entwich | |
meinem Mund. | |
Dann zog ich, hustete, zog. Und wollte sterben, ach was, wollte nie geboren | |
worden sein. Schließlich aber – ging es. Und schon ein paar Stunden später | |
dachte ich, vergnügt mit der Liebsten paffend: 2015 fange ich mit dem | |
Trinken an! | |
3 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Ambros Waibel | |
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