# taz.de -- Wahltag in Bangladesch: Gewalt überschattet Abstimmung | |
> Die Parlamentswahl wurde von Angriffen auf Wahllokale, Betrug und einer | |
> geringen Beteiligung überschattet. In 150 Lokalen muss nachgewählt | |
> werden. | |
Bild: Das Militär patroulliert durch die Straßen von Dhaka. | |
BERLIN taz | Das Ereignis in Bangladesch am Sonntag eine Wahl zu nennen | |
grenzt an Euphemismus. Es ist ungefähr alles schiefgegangen, was | |
vorstellbar ist: Die Opposition, die die Wahl boykottiert, griff Dutzende | |
Wahllokale an; Aktivisten der Regierungspartei, deren Sieg schon vor der | |
Wahl feststand, versuchten dennoch zu betrügen; und die Wähler blieben | |
verständlicherweise meist zu Hause. | |
Schon in den vergangenen Monaten war die Parlamentswahl heftig umstritten. | |
Die Opposition unter Führung der konservativen BNP befürchtete | |
Manipulationen und boykottierte die Wahl. Denn die regierende | |
Mitte-links-Partei Awami Liga (AL) hatte die in der Verfassung vorgesehene | |
Einrichtung einer neutralen Übergangsregierung gestrichen, die bislang | |
dafür verantwortlich war, Wahlen zu organisieren. Als Folge des Boykotts | |
hatte ein Großteil der 92 Millionen Wahlberechtigten am Sonntag ohnehin | |
keine Wahl: in 154 Wahlkreisen wird nicht gewählt, da es keine | |
Gegenkandidaten gibt. Die AL und ihre Verbündeten haben somit schon eine | |
Mehrheit der 300 Parlamentssitze sicher. | |
In den offenen Wahllokalen blieben die Wähler größtenteils aus, | |
Journalisten verschiedener Medien berichteten, dass es kaum Schlangen vor | |
den Lokalen gab. „Die Menschen haben diese kontroverse Einparteienwahl | |
abgelehnt“, sagte der BNP-Generalsekretär Mirza Fakhrul Islam. | |
## Angriffe auf Wahllokale | |
Tatsächlich hatte eine Meinungsumfrage der Zeitung Dhaka Tribune kürzlich | |
ergeben, dass 77 Prozent der Befragten die Wahl für undemokratisch halten. | |
Dennoch sagten 41 Prozent, sie würden trotz des Oppositionsboykotts zur | |
Wahl gehen. Bei der letzten Parlamentswahl 2008 lag die Beteiligung über 80 | |
Prozent. Ein Sprecher der Regierungspartei schob die niedrige Beteiligung | |
auf das kalte Wetter und die Gewalt der Opposition. | |
Schon am Samstagabend griff die Opposition mehr als einhundert Wahllokale | |
an, ebenso viele wie am Vorabend. Dabei lieferte sie sich Kämpfe mit der | |
Polizei, bei der ein Dutzend Menschen ums Leben kamen. Unter den Toten | |
waren vor allem Mitglieder der islamistischen Partei Jamaat-e-Islami (JI), | |
ein Bündnispartner der BNP, die aber bei dieser Wahl ausgeschlossen wurde. | |
Auch ein Polizist kam ums Leben. | |
In der BNP-Hochburg Bogra im Nordosten des Landes griffen Aktivisten eine | |
Polizeiwache und zahlreiche Wahllokale mit Molotowcocktails an. In mehreren | |
Distrikten drohten Aktivisten von JI und BNP Menschen an, ihre Wohnungen | |
anzuzünden, würden sie an der Wahl teilnehmen. Wegen der Angriffe brach die | |
Wahlkommission die Abstimmung in mehr als 150 Wahllokalen ab. Bis Ende | |
Januar soll dort nachgewählt werden. | |
## Vermittlung gescheitert | |
Obwohl die Wahl schon in ihrem Sinne entschieden war, hielten auch | |
Aktivisten der AL Betrugsversuche für nötig. Ein Wahlvorstand aus dem Süden | |
des Landes meldete, dass AL-Aktivisten ihm die Stimmzettel entrissen und | |
selbst ausgefüllt hätten. Auch aus anderen Teilen des Landes gab es | |
ähnliche Meldungen. Sechs parteilose Kandidaten zogen sich von der Wahl | |
zurück. | |
Auch international wird die Wahl kritisch eingeschätzt: Die EU, USA und der | |
Commonwealth hatten Ende Dezember angekündigt, keine Wahlbeobachter zu | |
entsenden. | |
Bisher gab es in Bangladesch Übergangsregierungen, die aus aus angesehenen, | |
aber parteilosen Bürgern bestanden und die Neutralität der Wahl | |
gewährleisten sollten. Die AL hatte das international anerkannte System | |
abgeschafft, nachdem die letzte Übergangsregierung 2006 mithilfe des | |
Militärs zwei Jahre an der Macht verblieb und die Chefinnen beider Parteien | |
wegen Korruption anklagte. | |
Die BNP und ihre Verbündeten glaubten bei der Wahl keine Chance zu haben, | |
obwohl sie in Umfragen leicht führen und zuletzt mehrere Kommunalwahlen | |
gewannen. Seit mehreren Monaten protestierten sie auf der Straße mit | |
zahlreichen Generalstreiks und Ausschreitungen, bei denen bisher mehr als | |
150 Menschen gestorben sind. Nach der Wahl kündigten sie erneute Streiks | |
an. | |
5 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Lalon Sander | |
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