# taz.de -- Flüchtlingsdrama in Zentralafrika: Flughafen der Verzweifelten | |
> In der Zentralafrikanischen Republik eskaliert die Gewalt. Millionen | |
> Zivilisten brauchen Schutz. Französische und afrikanische Truppen sind | |
> machtlos. | |
Bild: Zeltstadt am Internationalen Airport in Bangui. | |
BERLIN taz | Es ist eine Flüchtlingskatastrophe, die auf der Welt | |
ihresgleichen sucht. Nicht im Regenwald oder einer entlegenen Wüste, | |
sondern auf einem internationalen Flughafen kampieren rund 100.000 | |
Menschen. Sie sitzen auf dem Gras teils direkt am Rande der Rollbahn, teils | |
am Südrand des Terminals, in gigantischen Zeltstädten. Es sind Bewohner der | |
zentralafrikanischen Hauptstadt Bangui, die um ihr Leben fürchten. | |
Es dürfte in Bangui keinen sichereren und sichtbareren Zufluchtsort geben | |
als diesen Flughafen. Jeder Besucher, vom Reporter bis zum Staatschef, | |
sieht diese Ansammlung von Verzweiflung. Und am Nordende des Flughafens, | |
getrennt von den Flüchtlingen durch einen Stacheldrahtzaun, steht die | |
französische Armee – die 1.600 Mann starke „Operation Sangaris“, die seit | |
dem 5. Dezember in der Zentralafrikanischen Republik für Ordnung sorgen | |
soll. | |
Aber das einzige Hilfswerk, das hier kontinuierlich arbeitet, ist „Ärzte | |
ohne Grenzen“ (MSF). Es landen immer wieder UN-Frachtflugzeuge voller | |
Hilfsgüter, aber es gibt, wie MSF beklagt, keine aktive und koordinierte | |
UN-Hilfsaktion. Das Flughafenlager widerspricht sämtlichen UN-Prinzipien. | |
„Die große Anzahl an Vertriebenen auf der Piste“ wird regelmäßig als Gru… | |
dafür genannt, warum Hilfsflüge ausfallen müssen. | |
Seit Jahresanfang muss MSF seine Hilfe am Flughafen stark einschränken. Der | |
Grund: Zwei kleine Kinder seien erschossen, 40 Menschen verwundet worden, | |
teilte MSF mit. „Die Sicherheit am Flughafengelände muss verbessert | |
werden.“ | |
Was MSF nicht sagte: Für die Schießereien waren angeblich Friedenstruppen | |
verantwortlich. Soldaten der afrikanischen Eingreiftruppe „Misca“ | |
eröffneten nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR am Silvestertag | |
das Feuer auf demonstrierende Neuankömmlinge. | |
Dafür gibt es eine Erklärung: Die Demonstranten kamen aus Boy-Rabe, | |
Hochburg jener christlichen Milizen, die zahlreiche Massaker an Muslimen | |
verübt haben – die Friedenstruppen kamen aus dem muslimischen Tschad. | |
## „Ethnische Säuberungen“ | |
Es gibt in der Zentralafrikanischen Republik keine neutrale Ordnungsmacht, | |
keinen funktionierenden Staat. Die seit März 2013 regierende | |
Rebellenallianz Séléka, geführt von muslimischen Warlords aus dem fernen | |
Nordosten des Landes, war in Bangui nie beliebt. Staatschef Michel Djotodia | |
residiert in einem Militärlager und hat nichts zu sagen. Christliche | |
Milizen, genannt Anti-Balaka, verüben im Namen des Widerstands gegen Séléka | |
systematische „ethnische Säuberungen“ gegen Muslime in Bangui sowie anderen | |
Städten. | |
Als Frankreich am 5. Dezember Kampftruppen schickte, dachte die alte | |
Kolonialmacht offenbar, forsches Auftreten allein würde für Ruhe sorgen. | |
Die französischen Soldaten entwaffneten also als Erstes die | |
Séléka-Soldaten, die als Hauptproblem galten. Das ermutigte die | |
christlichen Milizen. Es kam zu erneuten Pogromen gegen Muslime, was | |
wiederum die Séléka zu neuem Leben erweckte. | |
Die gesamte Bevölkerung sammelt sich jetzt unter dem Schutz ihrer | |
jeweiligen bewaffneten Gruppe. Religiöser Fanatismus ist zwar den meisten | |
Menschen in Bangui fremd, der katholische Erzbischof und der Imam sind | |
befreundet. Aber auch sie sind machtlos, wenn Menschen aufgrund ihrer | |
Religionszugehörigkeit getötet werden. Und auch Frankreich hat nichts | |
dagegen getan. | |
## Geköpfte Kinder, Lynchjustiz, Vergewaltigungen | |
Die Franzosen haben die Séléka-Regierung entscheidend geschwächt, aber sie | |
haben keine Alternative aufgebaut und kein eigenes Gewaltmonopol errichtet. | |
Muslime sind in Bangui nicht mehr sicher. Fast täglich gibt es neue | |
Horrormeldungen: geköpfte Kinder, gelynchte Männer, vergewaltigte Frauen. | |
Inzwischen ist über die Hälfte der Bevölkerung Banguis auf der Flucht. Von | |
der Gesamtbevölkerung der Zentralafrikanischen Republik hat ein knappes | |
Viertel die Flucht ergriffen. Außerhalb der Hauptstadt gibt es so gut wie | |
keine humanitäre Hilfe. | |
„Akte von Gewalt und Rache, bei denen Opfer und Täter ständig wechseln, | |
breiten sich rapide aus“, warnte UN-Untergeneralsekretär Jeffrey Feltman | |
vor dem UN-Sicherheitsrat am Montag. Es drohe „eine Auseinandersetzung | |
großen Ausmaßes zwischen Christen und Muslimen“ in der gesamten Region. | |
8 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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