# taz.de -- Streamingangebote für Musik: Ein Topf mehr, aber was ist drin? | |
> Streaming-Dienste wie Spotify bieten 20 Millionen Songs. Viele Musiker | |
> haben nur wenig davon. Ein Besuch bei Freunden und Feinden des Streams. | |
Bild: Wie Trophäen werden die reumütigen Rückkehrer von Spotify präsentiert… | |
Ein kleines Büro in Berlin-Mitte. Ein paar Computer-Terminals, an denen | |
gearbeitet wird, mehr zu sehen gibt es nicht. Dafür, dass Spotify gerade | |
dabei ist, die Musikwirtschaft neu zu erfinden, ist das Deutschland-Office | |
des aus Schweden kommenden Musikstreamingdienstes recht bescheiden | |
ausgestattet. | |
In einer Ecke des Büros ist eine Bühne eingerichtet, dort treten manchmal | |
Musiker auf. Zumeist Newcomer aus dem Independent-Bereich, was nur | |
schlüssig ist, schließlich wirbt Spotify gerne damit, eine Plattform für | |
die Entdeckung von unbekannter Musik zu sein. Nein, man macht hier nicht | |
die große Show und tut lieber noch ein wenig, als sei man eines unter | |
vielen Start-ups in Berlin. | |
[1][//www.spotify.com/de/:Dabei ist Spotify gerade dabei,] zu einer der | |
großen Marken zu werden. Noch spielt man natürlich nicht in einer Liga mit | |
den globalen Giganten aus den USA wie Apple, Google oder Amazon, aber auf | |
ein paar Milliarden US-Dollar Börsenwert wird Spotify schon jetzt | |
geschätzt, und dieser Wert dürfte 2014 noch einmal stark steigen. Was das | |
Anfeindungspotenzial angeht, kann Spotify bereits mithalten mit den | |
Branchenriesen. 2013 war die Firma gleich mehrfach im Gerede. | |
Die CD-Verkäufe der Plattenfirmen gingen weltweit weiter runter, legale | |
Downloads nahmen weiter zu, das Streamen von Musik, also das reine Hören | |
dieser über PC, I-Pad oder I-Phone, jedoch ging regelrecht durch die Decke. | |
Der Anteil digital verkaufter Musik nahm in den USA, wie das | |
Billboard-Magazin eben bekannt gab, nach einem Höhenflug in den letzten | |
Jahren erstmals wieder ab. Wegen der zunehmenden Beliebtheit von | |
Streamings, vermutet Billboard. | |
## Raubt Streaming dem Nachwuchs die Existenzgrundlage? | |
Spotify bietet Musik entweder im Abonnement für Premium-User – oder | |
kostenlos, dazu aber mit reichlich Werbung für Normal-User. 24 Millionen | |
Nutzer weltweit hat Spotify inzwischen bereits damit überzeugt, rund ein | |
Viertel von ihnen nutzt nach Angaben des Konzerns das kostenpflichtige Abo. | |
Werbung betreibt Spotify so gut wie gar nicht. Herumgesprochen hat sich | |
sein Modell vor allem über Mundpropaganda. | |
Und so, wie sich beim Onlineversandunternehmen Amazon alle fragen, was | |
angesichts dessen Marktmacht aus der Buchhandlung um die Ecke werden soll, | |
so fragten bei Spotify bald auch Musiker, was es für sie bedeutet, wenn | |
Streaming sich tatsächlich durchsetzt. | |
Die prominentesten Mahner sind Thom Yorke (Radiohead) und David Byrne | |
(Talking Heads). Beide treten auf als Musiker, die noch in der goldenen | |
Zeit der Majorlabels ihr Geld gemacht haben und nun ritterlich eher im | |
Namen anderer befürchten, Streaming würde dem Nachwuchs die | |
Existenzgrundlage rauben. Mit sehr vielen Zahlen argumentieren sie, | |
beispielsweise mit einer Abrechnung des Musikers Damon Krukowski von der | |
US-Indieband Galaxie 500. Krukowski hat die Verdienste errechnet, die | |
seiner Band für den Song „Tugboat“ und seinen 5.960 Streams in einem | |
Vierteljahr bei Spotify übermittelt wurden. | |
Darüber, dass seine längst aufgelöste Band noch ein paar Leuten etwas zu | |
bedeuten schien, freute sich Krukowski, nicht aber über das Geld, das ihm | |
für das tausendfache Abspielen auf Spotify überwiesen wurde, nämlich | |
ungefähr 1 US-Dollar. Wenn irgendwann also Streaming zur | |
Haupteinnahmequelle für Musiker werden sollte, so fragen Yorke und Byrne, | |
wie sollen sie davon leben können? | |
Spotify, die Firma, die als Marktführer den meisten Hass der | |
Streaming-Kritiker abbekommt, aber nur einer unter zirka 20 | |
Streamingdiensten ist, halten dagegen: Besser 1 Dollar als gar nichts. Zum | |
Beweis wurde irgendeine Studie herausgeholt, mit der bewiesen werden soll, | |
dass legales Streaming vor allem dem illegalen Downloaden entgegenarbeitet. | |
## Bands, die Spotify verließen, kamen zurück | |
Bei Spotify zu streamen ist schließlich kinderleicht: Einfach über Facebook | |
anmelden, und wer bereit ist, Werbung zu ertragen, bekommt kostenlos den | |
Zugriff auf über 20 Millionen Songs. Alles da, alles kostenlos, da lohnt | |
illegales Downloaden gar nicht mehr, so das Argument. Eine riesige | |
Aufgeregtheit herrscht also gerade in der Spotify-Debatte und alles | |
erscheint ziemlich verworren. Hilft oder schadet Spotify, diskutieren junge | |
Bands – eine Frage, auf die es keine endgültige Antwort gibt. | |
Coldplay, Adele und die Red Hot Chili Peppers hatten alle eine Zeit lang | |
ihre Musik von Spotify abgezogen. Weil sie darauf spekulierten, die | |
Winzbeträge, die ihnen über Streaming zukamen, durch lukrativere legale | |
Downloads kompensieren zu können. Nun sind sie alle wieder da. Wie Trophäen | |
werden die reumütigen Rückkehrer von Spotify präsentiert. Der Berliner | |
Großraum-Techno-DJ Paul Kalkbrenner ist nun auch da, erfährt man, seit | |
Neuestem sogar Led Zeppelin. Wenn irgendwann AC/DC nachgeben, wird | |
wahrscheinlich auch im Berliner Spotify-Office ein Sektkorken knallen. | |
Der britische Elektronikmusiker Kieran Hebden (Four Tet) dagegen hat eben | |
bekannt gegeben, seine Musik von Spotify abgezogen zu haben. Hebden wolle, | |
so sagt er, wieder Kontrolle über diese haben. Macht also Spotify Musiker | |
arm und rechtlos, wie Damon Krukowski glaubt, entwertet es die Musik, wie | |
Hebden sagt, und zerstört sein Streaming auf längere Sicht gar einen | |
Großteil der Musikkultur, wie David Byrne befürchtet? | |
Maurice Summen, Betreiber des kleinen Berliner Plattenlabels Staatsakt und | |
selber Musiker bei der wenig kommerziell ausgerichteten Band Die Türen, | |
sagt: „Das stimmt alles, was Musiker wie Thom Yorke vorrechnen bezüglich | |
Spotify. Aber ich habe doch früher als Indiemusiker auch nichts verdient. | |
Schon zu CD-Zeiten konnten die wenigsten rein von ihrer Musik leben. Wann | |
war das Musikgeschäft jemals gerecht? Noch nie.“ | |
## Wann war das Musikgeschäft jemals gerecht? | |
Summen hört sich nicht ganz so unkritisch an wie der ehemalige | |
Deutschlandchef des Musikriesen Universal, Tim Renner, der sich inzwischen | |
ebenfalls in die Debatte eingeschaltet hat, weil er vor Kurzem ein neues | |
Buch „Digital ist besser“ veröffentlichte, in dem es auch um Spotify geht | |
und vor allem darum, welche fantastischen Möglichkeiten der digitale Wandel | |
Musikern doch zur Verbreitung ihrer Songs eröffnen würde. | |
Für Renner ist Byrne ein alter Sack, der nicht mehr durchblickt und nicht | |
einmal bei Facebook angemeldet ist. Renner möchte Visionär sein und begrüßt | |
alles, was zur weiteren Auflösung der klassischen Strukturen von | |
Plattenfirmen beiträgt. Seit er nicht mehr bei Universal als Manager | |
amtiert, scheint das irgendwie seine Mission zu sein. Summen ist dagegen | |
eher Beobachter und nüchterner Analytiker, der eines der letzten halbwegs | |
funktionierenden Independentlabels in Deutschland über die Runden bringt | |
und nebenbei seine Band schaukeln will. Als solcher sieht er zumindest auch | |
Chancen in der aktuellen Entwicklung. | |
Was geschieht mit der CD? Wird sie wirklich über kurz oder lang vom Markt | |
verschwinden? Steigen die Vinylverkäufe weiter, so wie aktuell, oder | |
verschwindet der Gedanke, dass man Musik in irgendeiner physischen Form | |
besitzen möchte? Darüber macht sich Summen so seine Gedanken, beobachtet, | |
wie auch bei seinen Bands Vinyl wieder attraktiver wird und der Großteil | |
der paar CDs, die er verkauft, über Amazon ausgeliefert wird. | |
## Idee einer Universalbibliothek | |
„Spotify“, sagt Summen, „ist jetzt einfach ein Topf mehr, über den Geld | |
reinkommt. Die CD ist als Medium Schrott, schon deswegen bin ich pro | |
Digital. Die Idee einer Universalbibliothek, wie sie Spotify anbietet, | |
finde ich erst mal gut. Und seit dem Start von Spotify haben sich die | |
Umsätze beim Streaming verzehnfacht. Wenn da jetzt noch eine Null | |
dranhängen würde, wäre das ein akzeptables Geschäftsmodell.“ | |
Spotify hat bisher alle Kritik an sich einfach ausgesessen. So wie das | |
Giga-Kaufhaus Amazon trotz Günter Wallraffs Mahnworten einfach weiter | |
wächst, wird der Erfolg der Streaming-Firma womöglich auch die Brandreden | |
von David Byrne und Thom Yorke überstehen. Aber dass Maurice Summen von | |
Staatsakt nicht über Spotify schimpft, wie man das hätte annehmen können, | |
ist das wenigstens etwas wert? | |
Der Geschäftsführer von Spotify Deutschland, Stefan Zilch, meint auf | |
Nachfrage nur, er kenne Staatsakt gar nicht. | |
12 Jan 2014 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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