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# taz.de -- Muslimische Minderheit in China: Uigurischer Ökonom verhaftet
> Die chinesische Polizei hat am Mittwoch den uigurischen
> Wirtschaftswissenschaftler Ilham Tohti festgenommen. Auch seine Mutter
> nahmen sie mit.
Bild: Der Universitätsprofessor Ilham Tohti im Jahr 2010 in Peking.
PEKING taz/dpa | Ilham Tohti ist kein Dissident. Der 44-Jährige ist
Wirtschaftswissenschaftler und Hochschullehrer an der Nationalen
Minderheiten-Universität in Peking und hatte die soziale Situation der
Uiguren in seiner Heimatprovinz Xinjiang untersucht.
Seine Ergebnisse waren erschreckend: Obwohl sich die chinesische Führung
damit rühmt, die Rechte der Minderheiten zu schützen, würden Uiguren
systematisch von den Behörden benachteiligt. Es gebe für sie kaum Jobs. Und
wenn sie eingestellt würden, verdienten sie sehr viel weniger als ihre
zugezogenenen Han-chinesischen Mitbürger.
Diese Missstände hatte Tohti mehrfach thematisiert. Das passte Chinas
Führung nicht. Nun haben Sicherheitskräfte ihn festgenommen. Sie werfen ihm
nicht näher definierte „Verbrechen“ vor.
Rund 30 Beamte waren am Mittwoch in seine Pekinger Wohnung eingedrungen und
haben den bekannten Wissenschaftler nach einer sechsstündigen Razzia an
einen bislang unbekannten Ort verschleppt. Seine Mutter nahmen sie mit,
inzwischen wurde sie aber wieder freigelassen. Sie beschlagnahmten zudem
Computer, Handy und sogar die Doktorarbeiten seiner Studenten, berichtet
Tohtis Ehefrau Guzaili Nu'er. Bei vergangenen Festnahmen sei er nach
stundenlangen Verhören noch am selben Abend entlassen worden, sagt Guzaili.
„Diesmal ist die Lage sehr viel ernster.“
## Uiguren fühlen sich an den Rand gedrängt
Tohti und seine Familie sind Uiguren aus der westchinesischen Provinz
Xinjiang. Sie ist als Chinas „Unruheprovinz“ bekannt. Vor der Annektierung
durch die Volksrepublik war die Gegend viele Jahrhunderte überwiegend von
muslimischen Uiguren bewohnt. Mit neun Millionen machen sie auch heute noch
knapp die Hälfte der Einwohner aus. Doch sie fühlen sich politisch,
kulturell und religiös von der chinesischen Staatsmacht unterdrückt und von
den zuziehenden Han-Chinesen an den Rand gedrängt. Immer wieder ist es in
den vergangenen Jahren zu blutigen Auseinandersetzungen gekommen.
Tohti lebt seit vielen Jahren nicht mehr in Xinjiang. 2006 gründete er eine
Webseite mit dem Ziel, zu einem besseren Verhältnis zwischen Uiguren und
Han-Chinesen beizutragen. Die chinesischen Behörden warfen ihm daraufhin
vor, er würde mit dem Portal den „Separatismus“ fördern. 2008 wurde er
bereits einmal verhaftet.
Nachdem es Anfang Juli 2009 in der Provinzhauptstadt Urumqi zu schweren
Unruhen mit mehr als 150 Toten kam, warf der Provinzgouverneur von Xinjiang
Tohti vor, mit der Webseite den Unmut geschürt zu haben. Auf Druck unter
anderem der US-Regierung kam er wenige Wochen später wieder frei, steht
seitdem aber immer wieder unter Hausarrest.
## Die Festnahme wird kritisiert
Ob seine Festnahme in Zusammenhang mit dem Anschlag auf dem Platz des
Himmlischen Friedens steht - dazu wollten die chinesischen Behörden keine
Angaben machen. Direkt unter dem symbolträchtigen Bild von Mao Zedong am
Eingang zum Kaiserpalast war am 28. Oktober ein Auto in eine Menschengruppe
gerast. Bei den Wageninsassen handelte es sich nach Polizeiangaben um drei
Uiguren. Zwei Touristen rissen sie mit in den Tod und verletzten 40
weitere. Die Behörden sprachen wenige Tage später von einem
„Terroranschlag“ radikaler Islamisten.
Die USA, die EU und Menschenrechtler forderten Peking auf, die Hintergründe
des Vorgehens gegen Ilham Tohti aufzuklären. „Die Behörden sollten
veröffentlichen, was ihm konkret vorgeworfen wird“, forderte der
EU-Botschafter in China, Markus Ederer, am Freitag vor Journalisten in
Peking. Die Polizei solle Tohtis Familie mitteilen, wo er festgehalten
wird. Falls es keine haltbaren Vorwürfe gegen den Regimekritiker gebe,
solle er wieder freigelassen werden, sagte der Botschafter weiter.
17 Jan 2014
## AUTOREN
Felix Lee
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Xinjiang
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