Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Zum Tod von Claudio Abbado: Abschied von einer Lichtgestalt
> Der glanzvolle, intellektuelle Dirigent starb am Montag nach langer
> Krankheit. Er war ein antiautoritärer Maestro und Verfechter der
> Avantgarde.
Bild: Er war ein Vorreiter der Avantgarde mit einem Hang zum Politischen.
BERLIN taz | Sein Tod war vorhersehbar, aber nun ist er doch ein gewaltiger
Schock: Der wortkarge Charismatiker am Dirigentenpult, der eigensinnige
Programmgestalter, der antiautoritäre Maestro, der glühende Verfechter der
Avantgarde, Claudio Abbado, ist am Montag in Bologna im Alter von 80 Jahren
seinem langjährigen Krebsleiden erlegen.
Seit dem Abschluss des Luzern-Festivals im Herbst hatte Abbado alle
Konzerte abgesagt, „auf Anraten seiner Ärzte“, wie es hieß, verzichtete er
auf eine Japan-Tournee und anschließende Konzerte in Europa. Erst
vergangene Woche wurde bekannt, dass das von ihm 2004 gegründete „Orchestra
Mozart“ in Bologna seine Arbeit vorerst einstellen muss.
Das Luzern-Festival, dessen Orchester eine seiner vielen Gründungen
jenseits des institutionalisierten Musikbetriebs ist, meldet in der
Trauernachricht, dass Abbado „mit einem großartigen, zutiefst ergreifenden
Moment der unendlichen musikalischen Stille sein künstlerisches Wirken am
26. August 2013 in Luzern mit der Aufführung der neunten Sinfonie von Anton
Bruckner“ beendet habe.
Dies meldete das Festival, das eine der Großtaten seiner späten Jahre war
und dessen Identität nun ohne seinen Mentor wohl einer ganz neuen
Definition bedarf.
Abbado war eine Ausnahmeerscheinung im globalen Musikbetrieb. Schon früh
mischte der 1933 geborene Sohn einer Musikerfamilie nach Studien in Mailand
und Wien ganz oben mit, doch er war nie ein alerter Zampano, der mit der
Best-of-Liste des Klassik-Kanons im Gepäck um die Welt jettete.
## Politisch links und deshalb häufig unverträglich
Obwohl er es in Sachen Repertoirebeherrschung mit jedem Hochglanzstar
aufnehmen konnte, bestand er stets auf Berücksichtigung der Avantgarde und
war ein Vorreiter der dramaturgisch ambitionierten Konzertprogramme mit
deutlichen Bezügen auf Außermusikalisches, ja Politisches.
Bereits mit 32 Jahren gelingt ihm der Durchbruch mit Mahlers
„Auferstehungssymphonie“ bei den Salzburger Festspielen, mit 35 Jahren wird
er leitender Dirigent an der Mailänder Scala, 1971 wird er ihr
Musikdirektor, 1977 künstlerischer Leiter.
1986 übernimmt er die eigens für ihn geschaffene Position des
Musikdirektors der Wiener Staatsoper und der Wiener Philharmoniker.
Glanzvolle Jahre, jedoch stets begleitet von Unverträglichkeiten, die sich
der politisch erklärtermaßen links tickende Freund von Luigi Nono und
Mauricio Pollini ganz bewusst einhandelte mit seiner sphinxhaften
Eigenwilligkeit.
Heute hat man es fast schon vergessen, aber Abbado ist erst spät in seiner
Karriere, eigentlich erst seit seiner vor 12 Jahren zunächst überstandenen
Krebserkrankung wirklich unumstritten.
In seiner Wiener Zeit wirft man ihm vor, er habe einen Hang zum Schwierigen
und Abseitigen. Selbst seine vielleicht größte Zeit, als er überraschend
1989 seinen in jeder Hinsicht ihm diametral gegenüberstehenden Antipoden
Herbert von Karajan als Chef der Berliner Philharmoniker beerbt, knirscht
es am Anfang gewaltig.
## Das schwerelose Leuchten magischer Momente
Abbados neuer Stil, seine mitunter sperrigen Themenzyklen treffen auf
Widerstände sowohl beim Publikum als auch bei den Musikern. Doch Abbado
bleibt seinem Konzept treu, und als er 2002 den Stab an Simon Rattle
abgibt, ist er bereits ein Mythos und das Orchester atmet einen neuen,
zeitgemäßen Geist, von dem Rattle nun profitiert.
Seine späten Jahre widmet er vor allem der Arbeit mit jungen Musikern etwa
mit dem Mahler Chamber Orchestra und der konzentrierten Arbeit mit den
„Überzeugungstätern“ des Luzerner Festivalorchesters, in dem Spitzenmusik…
einträchtig neben Starsolisten sitzen.
Neben seiner künstlerischen Konsequenz und lauteren Autorität bleiben vor
allem seine berühmten magischen Momente unvergessen. Momente, die er
niemals druckvoll erzeugte, sondern sich ereignen ließ und in deren
schwerelosem Leuchten er zu verschwinden schien.
20 Jan 2014
## AUTOREN
Regine Müller
## TAGS
Salzburger Festspiele
Avantgarde
Hamburg
Potsdamer Platz
## ARTIKEL ZUM THEMA
Klassik für alle: Die leichte Muse an Silvester
Das alljährliche Silvesterkonzert der Klassikphilharmonie Hamburg ist mit
Hits aus dem Klassik-Repertoire, bunten Luftballons und etwas
aufgelockerten Ritualen auch was für Einsteiger ins Genre.
Dirigent für Münchner Philharmonie: Mehr als nur taktlos
Waleri Gergijew soll Chefdirigent der Münchner Philharmonie werden. Nach
einer homofeindlichen Aussage schlägt ihm nun heftige Kritik entgegen.
50 Jahre Berliner Philharmonie: Eine ist immer die Erste
Hundert Jahre lang waren die Berliner Philharmoniker ein reiner Männerclub.
Bis Madeleine Carruzzo kam und dort Geigerin wurde.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.