# taz.de -- Mitgliederversammlung Hamburger SV: Die Basis entmachtet sich selbst | |
> Überraschend deutlich haben die HSV-Mitglieder für eine Ausgliederung der | |
> Profiabteilung in eine AG gestimmt. Das letzte Wort ist trotzdem noch | |
> nicht gesprochen. | |
Bild: Noch einmal wirklich mitbestimmen können: die HSV-Mitglieder beim Grunds… | |
HAMBURG taz | Kurz nachdem die HSV-Mitgliederversammlung am Sonntag mit | |
überraschend deutlicher Mehrheit von 79,4 Prozent die Ausgliederung der | |
Profiabteilung in eine Aktiengesellschaft beschlossen hatte, sagte ein | |
Mitglied im Foyer des Congress Centrums: „Solche Versammlungen wie heute | |
wird es künftig beim HSV nicht mehr geben. Schade, hier konnten junge Leute | |
immer direkt mitbekommen, wie Demokratie funktioniert.“ | |
Zwar können die über 70.000 HSV-Mitglieder auch künftig ihr Präsidium | |
wählen, aber auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrates der Fußball AG | |
haben sie nur noch indirekt Einfluss. „Man braucht beim AG-Modell eure | |
Zustimmung nur noch einmal für die Ausgliederung. Und dann tschüs!“, warnte | |
der Rechtsanwalt Reiner Ferslev in seiner Rede, mit der er für ein | |
Ausgliederungsmodell warb, bei dem 100 Prozent der Anteile beim Verein | |
verblieben. Ein Modell, das bei zehn Bundesligisten bereits praktiziert | |
wird. | |
Aber für Zwischentöne gab es auf dieser Versammlung mit der | |
Rekordbeteiligung von 7.100 Mitgliedern keinen Raum. Die Verfechter eines | |
radikalen Ausgliederungskonzeptes à la Bayern München um | |
Ex-Aufsichtsratsvorsitzenden Ernst-Otto Rieckhoff und einigen Altstars der | |
83-Mannschaft hatten mit Unterstützung der Boulevard-Presse und einer | |
großen Werbeagentur für eine Stimmung gesorgt, die ihr Konzept | |
alternativlos scheinen ließ. | |
Die Aussicht auf eine schnelle Entschuldung durch den von Rieckhoff in | |
Aussicht gestellten Kapitalzufluss von „bis zu 100 Millionen Euro“ war zu | |
verlockend, um auf Warnungen wie die zu hören, dies klinge wie Kohls | |
„blühende Landschaften“. Zumal Milliardär Klaus-Michael Kühne über sein… | |
Bevollmächtigten schon mit den ersten Millionen winkte und ausrichten ließ, | |
er wolle keinen Einfluss nehmen, sondern lediglich „Gutes tun“. | |
Die Verfechter des Vereinsmodells, die zwei Vorschläge zur Effektivierung | |
bestehender Strukturen einreichten, gaben sich bereits nach dem tosenden | |
Anfangsapplaus für Rieckhoff geschlagen und argumentierten nur noch | |
defensiv. „Ich hoffe nicht, dass der Verein irgendwann an den heute | |
geschürten Erwartungen zerbrechen wird,“ warnte etwa Fanvorsänger Jojo | |
Liebnau. | |
## Unbeteiligter Vorstand | |
Der Vorstand verfolgte die Diskussion weitgehend unbeteiligt. Als | |
Marketing-Vorstand Joachim Hilke sich überraschend deutlich für das | |
Rieckhoff-Modell aussprach, schienen seine Kollegen Carl Edgar Jarchow und | |
Oliver Kreuzer sowie der Aufsichtsratsvorsitzende Manfred Ertel überrascht. | |
Möglicherweise erhöht diese Positionierung seine Chance, auch in der | |
Führung der künftigen Fußball AG eine Rolle zu spielen. Für die sollen auch | |
Teile von Rieckhoffs Unterstützergruppe bereit stehen, am häufigsten wird | |
der Name Thomas van Heesen genannt. Rieckhoff selbst will weiter einfaches | |
Mitglied bleiben. | |
Der amtierende Vorstand muss das AG-Modell nun soweit ausarbeiten, dass es | |
auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung im Frühjahr verabschiedet | |
werden kann. Um die dafür erforderliche 75-prozentige Mehrheit zu erhalten, | |
stellten dessen Befürworter den Antrag, für diese Entscheidung auch eine | |
Fernwahl zu erlauben. Unter ihnen wird offensichtlich ein | |
überproportionaler Anteil an auswärtigen HSV-Fans vermutet. | |
Doch mit diesem Ansinnen scheiterten sie an den Gegnern der Ausgliederung, | |
die diesen kleinen Erfolg mit Sprechchören feierten und wieder ein bisschen | |
Morgenluft witterten. Mindestens einmal wird es also doch noch richtig | |
spannend auf einer HSV-Mitgliederversammlung. | |
## | |
20 Jan 2014 | |
## AUTOREN | |
Ralf Lorenzen | |
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