# taz.de -- Staatskrise in der Ukraine: Kein Kompromiss, keine Ruhe | |
> Präsident Janukowitsch hatte der Opposition angeboten, mitzuregieren. Die | |
> lehnte ab. Sie fordert nach wie vor Neuwahlen. In der Nacht gingen die | |
> Proteste weiter. | |
Bild: Sie weichen nicht zurück: Demonstranten vor dem Kongresszentrum in Kiew,… | |
KIEW ap/dpa/afp | Nach dem gescheiterten Kompromiss zwischen der | |
ukrainischen Staatsführung und der prowestlichen Opposition haben die | |
Regierungsgegner in Kiew ihre Proteste fortgesetzt. Die Demonstranten | |
hätten das Kongresszentrum in der Nähe des Europaplatzes fest in ihrer | |
Hand, teilte am Sonntag die Vaterlandspartei der inhaftierten | |
Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko mit. In der Halle sollen sich bis zu | |
200 Polizisten aufgehalten haben. In der Folge der Stürmung kam es zu | |
schweren Ausschreitungen. | |
Unterdessen kündigte die Partei des prorussischen Präsidenten Viktor | |
Janukowitsch an, einer Änderung umstrittener Gesetze etwa zur Einschränkung | |
des Demonstrationsrechts zustimmen zu wollen. Die Novelle ist eine | |
Hauptforderung der Opposition um Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko. | |
Von dem Angebot Janukowitsch' am Samstagabend hatte sich die Opposition | |
unbeeindruckt gezeigt. „Wir lehnen den Vorschlag nicht rundweg ab, | |
akzeptieren ihn aber auch nicht“, sagte Oppositionsführer Arsenij Jazenjuk. | |
Stattdessen würden die Proteste und Verhandlungen fortgesetzt. | |
Unter dem Druck der anschwellenden Massenproteste hatte Präsident Viktor | |
Janukowitsch dem früheren Außenminister Jazenjuk zuvor den Posten des | |
Regierungschefs angeboten. Doch Jazenjuk reagierte verhalten. Zwar sei die | |
Opposition grundsätzlich zur Führung der Regierungsgeschäfte bereit. Doch | |
zunächst müsse Janukowitsch einige ihrer Schlüsselforderungen erfüllen, | |
forderte Jazenjuk vor einer großen Menschenmenge auf dem Maidan-Platz. In | |
den vergangenen Tagen hatten sich Janukowitsch und die Oppositionsführung | |
mehrfach zu Krisengesprächen getroffen. | |
## „Wir geben nicht nach“ | |
Die Opposition verlange ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union | |
und die Freilassung politischer Gefangener, darunter die frühere | |
Ministerpräsidentin Julia Timoschenko. Zudem pochen die Regierungsgegner | |
weiter auf Neuwahlen noch in diesem Jahr. In diesem Punkt werde man nicht | |
nachgeben, erklärte der andere Protestführer Vitali Klitschko vor den | |
jubelnden Demonstranten auf dem Maidan-Platz. „Wir geben nicht nach. Wir | |
sind friedliche Menschen, die ihre Rechte und Forderungen verteidigen“, | |
sagte der frühere Boxweltmeister. Klitschko sagte der Bild am Sonntag: „Das | |
war ein vergiftetes Angebot von Janukowitsch, um unsere | |
Demonstrationsbewegung zu spalten.“ Die Opposition wolle weiter verhandeln. | |
Die Reden der Oppositionsführer warfen ein Schlaglicht auf das Misstrauen, | |
mit dem sich die Konfliktparteien gegenüberstehen. So werteten Beobachteter | |
das jüngste Zugeständnis Janukowitschs als vergiftetes Geschenk, das | |
Jazenjuk in den Augen der Demonstranten womöglich als Verräter hätte | |
erscheinen lassen. Eine ablehnende Haltung Jazenjuks könnte ihn allerdings | |
als verstockten Gegner einer politischen Lösung der zwei Monate andauernden | |
Krise dastehen lassen. | |
Jazenjuk hofft nun, dass eine für Dienstag anberaumte Sondersitzung im | |
Parlament den Durchbruch bringt. Janukowitsch hat Beschlüsse zur Lockerung | |
der kürzlich eingeschränkten Demonstrationsfreiheit in Aussicht gestellt. | |
Möglich sei zudem eine Kabinettsumbildung. „Dienstag ist der Jüngste Tag“, | |
erklärte Jazenjuk auf dem Maidan-Platz. „Wir glauben kein einziges Wort, | |
wir glauben nur an Aktionen und Resultate.“ | |
## Protestkundgebungen in Paris und Warschau | |
Die Proteste weiteten sich zuletzt auch auf andere Städte aus. | |
Demonstranten griffen laut örtlichen Medienberichten Regierungsgebäude im | |
Norden und Osten des Landes an. So stürmten Oppositionsanhänger am Samstag | |
die Sitze der Regionalverwaltungen von Poltawa östlich von Kiew und von | |
Winnizja westlich der Hauptstadt. | |
Aus Solidarität mit den Regierungsgegnern in der Ukraine gab es am Samstag | |
auch in mehreren europäischen Hauptstädten Kundgebungen. In Paris und | |
Warschau zogen jeweils dutzende Menschen in die Nähe der ukrainischen | |
Botschaft, in Vilnius bildeten hunderte Teilnehmer eine Kette von der | |
Botschaft zur EU-Vertretung. Auch in Riga, Prag und London fanden | |
Kundgebungen statt. | |
Regierung und Opposition liefern sich seit zwei Monaten einen erbitterten | |
Machtkampf, der die frühere Sowjetrepublik in eine tiefe Krise stürzte. Bei | |
den jüngsten Ausschreitungen starben mindestens vier Menschen, Hunderte | |
wurden verletzt. Die Europäische Union und die Bundesregierung riefen den | |
Staatschef mehrfach mit Nachdruck zum Einlenken auf. | |
26 Jan 2014 | |
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