# taz.de -- Proteste in der Ukraine: Ministerpräsident Asarow tritt zurück | |
> Die Aktionen der Opposition zeigen Wirkung: Der ukrainische | |
> Ministerpräsident Asarow legt sein Amt nieder und das Demoverbot wird | |
> aufgehoben. | |
Bild: Das Vermummungsverbot wird in Kiew nur partiell beachtet. | |
KIEW ap/afp/rtr/dpa | Das ukrainische Parlament hat am Dienstag die | |
umstrittene Einschränkung des Demonstrationsrechts zurückgenommen. 361 | |
Abgeordneten stimmten bei einer Sondersitzung in Kiew für die Abschaffung | |
der entsprechenden Gesetze, wie in einer Fernsehübertragung zu sehen war. | |
Präsident Viktor Janukowitsch hatte nach einem Treffen mit führenden | |
Vertretern der Regierungsgegner am Montagabend auf seiner Webseite die | |
Aufhebung angekündigt. | |
Nach den monatelangen Protesten gegen die Regierung ist nun | |
Ministerpräsident Mykola Asarow zurückgetreten. Er habe „eine persönliche | |
Entscheidung“ getroffen, um einen „politischen Kompromiss für eine | |
friedliche Lösung des Konflikts“ zu ermöglichen, erklärte Asarow am | |
Dienstag, während das Parlament zu einer Sondersitzung in der Hauptstadt | |
Kiew zusammentrat. | |
Oppositionsführer Arseni Jazenjuk habe bei dem Treffen zudem das Angebot | |
Janukowitschs abgelehnt, Ministerpräsident zu werden, hieß es weiter. An | |
dem Gespräch mit dem Präsidenten hatte auch der Oppositionelle und | |
Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko teilgenommen. Zur Unterstützung der | |
Opposition reiste auch Vitalis Bruder Wladimir in die Ukraine. In einer | |
Videobotschaft rief er die internationale Gemeinschaft um Hilfe: „Lasst uns | |
nicht allein.“ | |
Derweil hat US-Vizepräsident Joe Biden den ukrainischen Präsidenten | |
aufgefordert, auf die Verhängung des Ausnahmezustandes zu verzichten und | |
zusammen mit der Opposition eine friedliche Lösung des Konflikts zu finden. | |
Zum zweiten Mal innerhalb einer Woche telefonierte er deswegen mit | |
Janukowitsch. | |
In dem Telefonat warnte er laut einer Mitteilung des Weißen Hauses | |
Janukowitsch davor, harte Sicherheitsmaßnahmen wie die Ausrufung des | |
Notstandes anzuwenden. Dies würde die Situation nur weiter anheizen. Auch | |
die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton äußerte sich besorgt über | |
Berichte, dass die Regierung die Ausrufung des Notstandes erwäge. Das würde | |
nur eine Abwärtsspirale der Gewalt auslösen, von der in der Ukraine niemand | |
profitieren werde, erklärte sie. | |
## Ministerium geräumt | |
## | |
Mit der Ausrufung des Notstandes hatte am Montag Justizministerin Elena | |
Lukasch gedroht, nachdem Demonstranten das Regierungsgebäude stundenlang | |
besetzt hatten. Die Besetzer verließen schließlich das Ministerium. | |
Außenminister Leonid Koschara versuchte anschließend, die Sorge um eine von | |
seiner Kollegin angedeutete Verschärfung des Vorgehens gegen die | |
Protestbewegung zu zerstreuen. Eine Maßnahme wie der Notstand, der | |
Beobachtern zufolge Straßenkämpfe in Kiew auslösen könnte, „liegt heute | |
nicht auf dem Tisch“, sagte er. | |
Die aus dem Justizministerium abziehenden Demonstranten bildeten zuvor eine | |
Menschenkette, um weiter den Rücktritt von Janukowitsch und andere | |
Zugeständnisse zu fordern. Lukasch hatte den Abzug der Besetzer verlangt, | |
allerdings keine Frist dafür gesetzt. Demonstranten halten noch drei | |
weitere Regierungsgebäude im Herzen der Hauptstadt besetzt, darunter das | |
Rathaus. | |
Lukasch sagte in einer vom Fernsehen übertragenen Erklärung, ihr | |
Ministerium sei von „sogenannten Demonstranten“ besetzt worden, als ihre | |
Beamten Maßnahmen wie eine Amnestie und eine Verfassungsänderung | |
vorbereitet hätten, mit der die Rolle des Ministerpräsidenten wieder | |
gestärkt werden sollte. | |
Janukowitsch hatte nach blutigen Zusammenstößen in der vergangenen Woche | |
mit vier Toten – darunter drei Demonstranten – am Wochenende mit | |
Oppositionsführern verhandelt und Jazenjuk das Ministerpräsidentenamt | |
angeboten. Jazenjuk lehnte am Montagabend ab. Zuvor hatte er angekündigt, | |
dass die Sondersitzung des Parlaments am (heutigen) Dienstag zum „Tag der | |
Abrechnung“ werde. | |
Es wird erwartet, dass bei der Parlamentssitzung die | |
Anti-Demonstrationsgesetze ausgesetzt werden. Ob die von Lukasch | |
angedeuteten Verfassungsänderungen auf die Tagesordnung kommen, war | |
zunächst unklar. Die Stärkung der Rolle des Ministerpräsidenten gegenüber | |
dem Präsidenten gilt als eine mögliche Kompromisslinie. | |
## Asarows Rücktrittserklärung im Wortlaut: | |
„Die Konfliktsituation, die sich im Land eingestellt hat, bedroht die | |
wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Ukraine und gefährdet die | |
gesamte ukrainische Gesellschaft und jeden Bürger. Die Regierung hat in | |
diesem Konflikt alles für eine friedliche Lösung unternommen. | |
Wir haben alles dafür getan und werden alles tun, um Blutvergießen, | |
Gewalteskalation, Verletzungen der Bürgerrechte zu vermeiden. Die Regierung | |
hat das Funktionieren der Wirtschaft und des Sozialsystems unter extremen | |
Bedingungen gewährleistet. Dagegen erfordern die Schärfe und die Gefahr des | |
Konflikts für unsere Bürger, für das Schicksal der Ukraine weitere | |
verantwortungsvolle Schritte. | |
Mit dem Ziel, zusätzliche Möglichkeiten für einen | |
gesellschaftlich-politischen Kompromiss zu schaffen, für die friedliche | |
Beilegung des Konflikts, habe ich die persönliche Entscheidung getroffen, | |
den Präsidenten der Ukraine zu bitten, meinen Rücktritt vom Amt des | |
Regierungschefs der Ukraine anzunehmen. | |
All diese schweren Jahre habe ich alles dafür getan, dass die Ukraine sich | |
normal als demokratischer europäischer Staat entwickelt. Ich traf diese | |
Entscheidung und nahm die Verantwortung auf mich im Interesse des Volkes | |
der Ukraine. Und daher kann ich jedem Bürger unseres Staates, jedem | |
Landsmann offen in die Augen schauen. | |
Ich bin für das Vertrauen des Präsidenten der Ukraine dankbar. Ich bin | |
allen Parlamentsabgeordneten dankbar, die in all den Jahren die überaus | |
schwierige Arbeit der Regierung zur Modernisierung und Reformierung des | |
Landes unterstützt haben. | |
Ich bin allen Bürgern der Ukraine dankbar, die die Regierung und mich | |
persönlich unterstützten und an die Richtigkeit des politischen Kurses, den | |
wir gewählt haben, nach wie vor glauben. Heute ist das Wichtigste, die | |
Einheit und Integrität der Ukraine zu bewahren. Das ist wesentlich | |
wichtiger, als irgendwelche persönlichen Pläne oder Ambitionen. Daher habe | |
ich diese Entscheidung getroffen.“ | |
Übersetzung: dpa | |
28 Jan 2014 | |
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