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# taz.de -- Online-Beerdigungen: Trauer per Live-Schaltung
> Persönlich Abschied nehmen ist nicht immer möglich. Dank Videoübertragung
> kann man dennoch an Trauerfeiern teilnehmen.
Bild: Auch aus der Ferne mit dabei: Per Liveschaltung zur Trauerfeier
BERLIN dpa | Unter normalen Umständen wäre Niels Sorrells auf jeden Fall
zur Beerdigung seiner Mutter in die USA geflogen. Doch als sie im
vergangenen September starb, da waren die Umstände gerade alles andere als
normal. „Meine Frau war schwanger mit unserem dritten Kind und hatte einen
gebrochenen Fuß“, erinnert sich der Amerikaner, der seit zehn Jahren in
Deutschland lebt. „Mir wäre es nicht recht gewesen, meine Frau
alleinzulassen.“
Weil er aber in irgendeiner Form Abschied nehmen wollte, kam Sorrells auf
die Idee mit Skype. Der Internettelefonie-Dienst ermöglicht es seinen
Nutzern, kostenlos über das Internet Nachrichten auszutauschen und zu
telefonieren, auch mit Videoübertragung.
Einer von Sorrells‘ Brüdern nahm ein Laptop samt eingebauter Kamera mit zur
Trauerfeier und schaltete den heute 42-Jährigen zu. „Ich hatte nicht
erwartet, dass der Bestatter WLAN hat“, erinnert sich der Journalist
Sorrells noch heute an die ungewohnte Situation.
Ungewohnt auch deshalb, weil die Trauerfeier in Huntsville, Alabama, am
späten Nachmittag stattfand. In Deutschland herrschte da schon tiefe Nacht.
Und auch wenn die Internetverbindung nicht immer ganz einwandfrei lief,
letztendlich hat es funktioniert.
## Mit dem Laptop herumgeführt
Ganz ähnlich behalf sich auch die Lehrerin Alison Quinn. In ihrem Blog
berichtet die junge Frau, wie sie - die gerade in Helsinki war - nicht zur
Beerdigung ihres Großvaters nach Kanada reisen konnte. Dank eines
Internetdienstes konnte sie ihm und der Trauergemeinde so nahe sein, wie es
eine Datenleitung eben zulässt.
„Ich hatte den Eindruck, dass es sehr natürlich war. Ich wollte in
irgendeiner Form dabei sein und meiner Familie ging es genau so“, berichtet
Quinn in einem Telefongespräch. „Mein Bruder oder meine Eltern nahmen
einfach das Laptop und führten mich quasi herum.“
Dank der technischen Möglichkeiten habe sie an der Feier teilnehmen und
viele Verwandte und Freunde sehen können, was ihr auch persönlich geholfen
habe. Mittlerweile hat die junge Frau, die derzeit in Japan lebt, an einer
weiteren Beerdigung online teilgenommen.
Ihre Mutter Clara berichtet, die Familie habe nicht lange überlegen müssen,
als sie von Alisons ungewöhnlichem Wunsch erfuhr. „Für uns war es wichtig,
dass sie an der Beerdigung teilnimmt. Wir wussten, dass sie nicht
persönlich würde kommen können, also war Skype die beste Möglichkeit“, sa…
Clara Quinn.
Der Bestatter John Reed aus Webster County im US-Staat West Virginia bietet
das sogenannte Beerdigung-Webcasting bereits seit vier Jahren an. Dazu
gehören aber nicht nur die Möglichkeit zur Teilnahme an einer Beerdigung
via Live-Schaltung, sondern auch die Einrichtung einer persönlichen
Webseite, über die Menschen virtuell an einer Trauerfeier teilnehmen
können. Dabei erhalten sie die Möglichkeit, den Feierlichkeiten
beizuwohnen, können aber nicht mit jenen in Kontakt treten, die persönlich
vor Ort sind. Extra Geld verlange er für den Service nicht, sagt Reed.
Insgesamt sei die Resonanz auf das Angebot gut, sagt der Bestatter. Was
nicht zuletzt mit der ländlichen Struktur seiner Region zu tun habe. Viele
Familien lebten weit verstreut, so dass es niemals allen Angehörigen
möglich sei, bei einer Beerdigung zusammen zu kommen, sagt er.
## Kein Trend in Deutschland
Auch in Deutschland sind Bestatter durchaus auf entsprechende Wünsche
eingestellt, berichtet Oliver Wirthmann, Geschäftsführer des [1][Kuratorium
Deutsche Bestattungskultur]: „Das ist aber kein Trend, das ist eine absolut
singuläre Situation.“
Dirk Matzik, Gründungsmitglied im [2][Bundesverband Trauerbegleitung],
sieht sowohl Vor- als auch Nachteile in Sachen Online-Trauerfeier. „Es ist
besser als nichts. Das sehe ich auch so. Wenn es aber irgendwie möglich
ist, sollte man versuchen, gegenwärtig zu sein“, sagt Matzik. Es sei
wichtig, mit allen Sinnen anwesend zu sein. Mittels eines Bildschirms
verbunden zu sein, dabei bliebe die Distanz einfach zu groß.
Zudem bestehe die Gefahr, dass Trauer als etwas Negatives betrachtet werde,
so dass Menschen vermeiden könnten, sich diesem Gefühl auszusetzen und
deshalb Abstand von einer Trauerfeier hielten, gibt der Berater zu
bedenken. Doch Beerdigungen dienten auch dazu, gemeinsam Erinnerungen zu
teilen.
Bestatter Reed hingegen kann eine solche Gefahr nicht erkennen: „Die
Menschen nutzen das nicht als Ersatz. Wenn sie kommen können, werden sie es
tun.“
3 Feb 2014
## LINKS
[1] http://www.bestatter.de/bdb2/pages/vorsorge/kuratorium.php
[2] http://www.bv-trauerbegleitung.de/
## TAGS
Internet
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Skype
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Markus Lanz
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