| # taz.de -- Debatte um Markus Lanz: Wem gehört die Fernbedienung? | |
| > Es sprechen Korpsgeist und Unwille: Warum so viele Journalisten jetzt | |
| > ihrem TV-Kollegen Markus Lanz zur Seite springen. Eine Medienkritik. | |
| Bild: Man kann doch einfach umschalten. Na klar. | |
| Mehr als 220.000 Unterstützer hat die [1][Onlinepetition gegen den | |
| TV-Moderator Markus Lanz] schon gefunden. Viele Journalisten etablierter | |
| Medien springen ihrem bedrängten Kollegen deshalb zur Seite. Erstaunlich | |
| dabei ist, wie einmütig, dünnhäutig und empört sie auf die Onlinepetition | |
| reagieren: Der Starjournalist Hajo Schumacher sprach in der Berliner | |
| Morgenpost von [2][„Rudel-Aggression“]. Und der Tagesspiegel-Kolumnist | |
| Matthias Kalle fragte ironisch: [3][„Haben die keine Fernbedienung“?] | |
| Daraus sprechen ein Korpsgeist und ein Unwille, mit begründeter Kritik | |
| umzugehen, die Journalisten bei anderen Berufsgruppen nicht durchgehen | |
| lassen würden – etwa wenn ein Arzt einen Kunstfehler begeht oder sich ein | |
| Polizist im Dienst falsch verhält. Doch wenn sich ein Journalist | |
| danebenbenimmt, empfehlen sie unisono, man könne doch einfach umschalten. | |
| Na klar. Und wenn zwei Halbstarke auf der Straße einen Passanten | |
| zusammenprügeln, kann man auch einfach wegschauen. | |
| Natürlich ist es problematisch, wenn sich die Wut von vieler gegen einen | |
| Einzelnen richtet. Künftig soll es deshalb keine Petitionen gegen Personen | |
| mehr geben. Aber Journalisten selbst haben wenig Skrupel, sich alle | |
| zusammen auf einen Einzelnen – etwa Politiker wie Christian Wulff – zu | |
| stürzen. Und wie soll sich ihr Publikum sonst wehren? | |
| Die Onlinepetition ist nur die zeitgemäße Form des Protestbriefs. | |
| Journalisten stellen die Machtverhältnisse auf den Kopf, wenn sie Markus | |
| Lanz jetzt zum Opfer erklären. Denn der ist in seiner Sendung ganz klar aus | |
| seiner Rolle als Moderator gefallen und hat grob gegen die Gebote der | |
| journalistischen Fairness verstoßen, als er sich in seiner Sendung mit | |
| einem Gast gegen einen anderen – Sahra Wagenknecht – verbündete. | |
| ## Einsam auf dem Dach des Stern-Hauses | |
| Dabei kann man der Linkspartei durchaus vorwerfen, dass sie mit | |
| populistischen Parolen dem Projekt Europa schade. Schwer vorstellbar aber, | |
| dass ein Horst Seehofer für seine „Armutszuwanderer“-Kampagne gegen Rumän… | |
| und Bulgaren auf die gleiche Weise angegangen worden wäre (Lanz: „Meinen | |
| Sie das ernst?“, „Wollen Sie nun Europa, ja oder nein?“, Jörges: „Sie … | |
| Stuss“). Gerade wenn man Sahra Wagenknechts Meinung nicht teilt, würde man | |
| sich ihr doch intelligentere Gegner wünschen. | |
| Stern-Chefreporter Hans-Ulrich Jörges, der Lanz sekundiert hatte, zeigte | |
| sich aber besonders starrköpfig: Einsam auf dem Dach des Stern-Hauses | |
| stehend wie auf einem Feldherrnhügel, flüchtete er sich in [4][seiner | |
| Videokolumne] in Verschwörungstheorien: „Linke Netzwerke“ hätten das | |
| Internet gekapert! Ein Hauch von Mubarak umwehte ihn dabei. | |
| Dabei geht es längst nicht mehr um Markus Lanz. Denn der Erfolg der | |
| Internetpetition lässt sich kaum noch auf den Anlass reduzieren, der die | |
| Lawine ins Rollen gebracht hat. Aus ihrem großen Erfolg spricht vielmehr | |
| ein weit verbreiteter Unmut über die Muster eines politischen Journalismus, | |
| der seine Rituale nicht mehr infrage stellt. | |
| Die Schwarmöffentlichkeit des Internets stellt die Deutungshoheit von | |
| Journalisten infrage. Nicht alle können damit umgehen. Der TV-Moderator | |
| [5][Jörg Thadeusz] etwa beschied die Initiatorin des Protests, die | |
| Leipziger Marion Müller, in der Berliner Zeitung, sie solle doch lieber | |
| einen Teller Gulaschsuppe essen, statt sich in die Rundfunkhoheit | |
| einzumischen: „Warum glaubt Frau Müller, sie hätte mit 17,98 Euro | |
| Rundfunkbeitrag das Recht erworben, die Art der Interviewführung auf allen | |
| Kanälen zu bestimmen?“, kanzelte er sie ab. | |
| Journalisten sollten vielleicht etwas vorsichtiger damit sein, sich so | |
| herablassend über Leute zu äußern, die auch ihre Leser und Zuschauer sind. | |
| Jörg Thadeusz hätte besser daran getan, selbst eine Gulaschsuppe zu essen. | |
| 29 Jan 2014 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.openpetition.de/petition/online/raus-mit-markus-lanz-aus-meiner-… | |
| [2] http://www.morgenpost.de/berlin-aktuell/article124213896/Die-Online-Petitio… | |
| [3] http://www.pnn.de/meinung/822540/ | |
| [4] http://www.stern.de/politik/deutschland/joerges-der-video-zwischenruf-die-m… | |
| [5] http://www.berliner-zeitung.de/meinung/kolumne-zum-umstrittenen-wagenknecht… | |
| ## AUTOREN | |
| Daniel Bax | |
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