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# taz.de -- Immer mehr Läden tricksen: Gelbe Tonne in der Krise
> Immer mehr Geschäfte tricksen sich aus dem Dualen System heraus, um Geld
> zu sparen. Damit soll nun Schluss sein.
Bild: So sollte es sein - doch Geschäfte versuchen zunehmend, mit Ausnahmerege…
BERLIN taz | Meistens sieht man sie gleich am Eingang von Rossmann, Edeka
oder anderen Märkten: Die Müllbehälter für Plastik oder Pappe. Wer in der
Drogerie oder im Laden einkauft, kann den Karton der Zahnpastatube gleich
da lassen oder die leere Konservendose von Zuhause dahin zurückschleppen.
Das ist eine besondere Art des Sammelns von Müll mit dem Grünen Punkt:
Abfallexperten nennen sie Eigenrücknahme. Das heißt, die Händler
organisieren zumindest für die Verpackungen bestimmter Teile ihres
Sortiments die Entsorgung selbst. Doch was sich auf den ersten Blick gut
anhört, ist für die gelbe Tonne und das deutsche Abfallsystem ein Problem.
Deshalb wirbt der grüne Umweltminister von Nordrhein-Westfalen, Johannes
Remmel, im Bundesrat dafür, die Verpackungsverordnung zu ändern. In einem
internen Schreiben warnen seine Beamten vor „Trittbrettfahrern“ und
„gravierenden Schwachstellen“ der Regelung. Die Branche ist in Aufruhr.
Grundsätzlich sollen Hersteller und Handel für Entsorgung und Recycling der
Verpackungen zahlen. Die Idee geht auf den einstigen
CDU-Bundesumweltminister Klaus Töpfer zurück, der Anfang der 1990er Jahre
den Grünen Punkt für Verpackungen erfand. Seither müssen Hersteller oder
Händler angeben, wie viele Zahnpastatuben oder Chipstüten sie produzieren.
Entsprechend der Menge zahlen sie eine Gebühr, mit der die mittlerweile
zehn Dualen Systeme finanziert werden, die den Bürgern die Gelbe Tonne oder
den Gelben Sack in den Hof stellen und das Recycling der Tüten und
Schachteln organisieren.
## Ziemlich viele Ausnahmen
Allerdings gibt es Ausnahmeregeln: Neben Selbstentsorgern wie Edeka dürfen
auch Gastronomen, Kantinen-oder Tankstellenbetreiber, bei denen viel
Verpackungsmüll anfällt, diesen in Eigenregie abfahren lassen. Aus dem
kostspieligen haushaltsnahen Gelbe-Tonne-Abholsystem fallen sie damit raus
und können sich die Lizenzgebühren für den selbst entsorgten
Grüne-Punkt-Müll zurückerstatten lassen. Dafür müssen sie detailliert
angeben, wo wie viele ihrer Verpackungen entsorgt wurden.
Tatsächlich steht die gesonderte Entsorgung oft nur auf dem Papier, der
Müll landet weiterhin in der Gelben Tonne. Laut Stefan Schreiter,
geschäftsführender Gesellschafter vom Dualen System Deutschland, hat sich
die „als Eigenrücknahme deklarierte Menge“ für das erste Quartal 2014 im
Vergleich zu den ersten drei Monaten 2013 mehr als verdoppelt. „Dabei
bleiben die Sammelmengen insgesamt gleich“, sagt er. Damit finanzierten
immer weniger Händler das gemeinsame Erfassungssystem Gelbe Tonne.
Die Trickserei und das künstliche Kleinrechnen seien nicht zu
kontrollieren, erklären die Umweltbeamten aus Nordrhein-Westfalen in ihrem
Schreiben. Minister Remmel will nun Ausnahmen streichen und damit das
Gesetz vereinfachen.
Michael Naujock, Geschäftsleiter Einkauf bei Rossmann, hält davon wenig. Er
räumt zwar ein, dass es Missbrauch gebe, warnt aber vor „signifikanten
Mehrkosten“ in Millionenhöhe. Andere sagen: Halten sich alle an die Regeln,
werden die Lasten gerechter verteilt. So bekommt Remmel auch aus dem von
der Sozialdemokratin Barbara Hendricks geführten Bundesumweltministerium
Unterstützung. Die Experten dort halten seinen Vorschlag für sinnvoll.
## Novelle diesen Monat
Schon die alte Bundesregierung hatte eine Novelle der Verpackungsverordnung
auf den Weg gebracht, die diesen Monat durchs Kabinett gehen soll. Darin
geht es bislang zwar nur um eine Anpassung bestimmter Formulierungen an
EU-Vorgaben. Aber die Chancen seien gut, so heißt es, dass Remmels
Vorschläge dann noch über den Bundesrat einfließen können.
Umweltverbände wie der Nabu oder die Deutsche Umwelthilfe sehen ein ganz
anderes Problem. „Die Recyclingquoten müssen erhöht werden“, sagt
Nabu-Experte Benjamin Bongardt. „Für Kunststoffverpackungen liegen sie
derzeit bei 36 Prozent. Technisch sind aber 55 möglich.“ Da wolle aber
niemand ran. Der Grund laut Bongardt: „Die Müllverbrennungsanlagen würden
sonst nicht ausgelastet.“
5 Feb 2014
## AUTOREN
Hanna Gersmann
## TAGS
Recycling
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