| # taz.de -- Rebecca Harms über Enttäuschungen: „Ich bin keine schlechte Ver… | |
| > Sie ist eine Heldin des Gorleben-Widerstandes. Nach der Niederlage bei | |
| > den Vorwahlen kämpft Rebecca Harms um Platz eins auf der Europawahlliste | |
| > der Grünen. | |
| Bild: Enttäuscht, aber nicht resigniert: Rebecca Harms | |
| taz: Frau Harms, ärgern Sie sich über Ihre Teilnahme an den primaries? | |
| Rebecca Harms: Ärgern ist das falsche Wort. Ich bin enttäuscht, dass die | |
| viele Arbeit, die gerade die KandidatInnen in dieses Verfahren gesteckt | |
| haben, nicht zu einer größeren Resonanz geführt hat. | |
| Das ist alles? | |
| Ich bin natürlich auch über mein persönliches Abschneiden enttäuscht. Ich | |
| bin doch nicht aus Holz! Wer verliert, fragt sich doch immer auch: Was habe | |
| ich falsch gemacht? | |
| Nur lässt sich das bei einer so verschwindend geringen Beteiligung kaum | |
| klären? | |
| Bei der Europawahl 2009 habe ich allein in meiner Heimatregion | |
| Lüneburg-Uelzen rund 17.000 Stimmen bekommen. Bei der primary haben | |
| insgesamt 22.000 erfolgreich abgestimmt! Und ich kriege heute noch Briefe | |
| von Leuten, die schreiben mir: „Ich wollte für Sie abstimmen, ich habe aber | |
| kein Handy, deswegen ging das nicht. Bitte zählen Sie uns mit!“ | |
| Bloß: Durch Ihre Teilnahme laufen Sie Gefahr, als schlechte Verliererin | |
| dazustehen, wenn Sie gegen Ska Keller antreten. | |
| Ich bin keine schlechte Verliererin. Meine Absicht ist: Ich will meiner | |
| Partei noch einmal anbieten, mit mir in den Wahlkampf zu ziehen – mit | |
| meiner politischen Erfahrung, die ich in Deutschland in der | |
| niedersächsischen Landespolitik und in Europa gerade in den Krisenjahren | |
| erworben habe, mit meinen Erfahrungen aus Griechenland, Portugal und | |
| Spanien. Ich stehe als Politikerin sehr stark für genau die Themen, die | |
| niemals von den Grünen vernachlässigt werden dürfen. | |
| Also den Atomausstieg? | |
| Für all jene Großthemen, die mit ökologischer Vernunft zu tun haben, vom | |
| Atomausstieg über Verbraucherschutz bis hin zur Agrarwende, mit der | |
| Auseinandersetzung über Massentierhaltung und dem Kampf gegen Gentechnik. | |
| All das sind ja europäisch offene Debatten. | |
| Das ganze Spektrum? | |
| Ich bin seit knapp fünf Jahren Fraktionsvorsitzende der Grünen im | |
| Europäischen Parlament. Da ist es logisch, dass ich mich für alle Themen | |
| verantwortlich fühle – dazu gehören auch Flüchtlings- und Außenpolitik wie | |
| jetzt in der Ukraine. Ich glaube, dass diese Kombination, also meine | |
| Erfahrung in der Auseinandersetzung mit den großen Tieren der Politik, | |
| angefangen mit Angela Merkel, und die Beschäftigung mit den grünen | |
| Kernthemen etwas Gutes ist. Und dass diese Verbindung gerade in der | |
| schwierigen Lage, in der die Partei nach der Bundestagswahl steckt, | |
| hilfreich sein kann. | |
| Da war Ihr Weggefährte Jürgen Trittin Spitzenkandidat: Fürchten Sie nicht, | |
| dass der Wert „Erfahrung“ bei den Grünen an Kurs verloren hat? | |
| Ich hielte das für falsch, genauso wie ich einseitige Schuldzuweisungen | |
| nach der Bundestagswahl für falsch gehalten habe. An meiner Arbeit in der | |
| Fraktionsspitze des Europaparlaments gab es jedenfalls nie wirklich Kritik | |
| – eher im Gegenteil. | |
| Sie haben keine Sorge, wie Angelika Beer 2009 von der | |
| Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen durchgereicht zu werden? | |
| Wer strittig kandidiert auf Platz eins, kann immer auch verlieren. Das ist | |
| nun einmal so. Aber ich bin in diesen Auseinandersetzungen nicht von der | |
| Art: Alles oder nichts. | |
| Nun sollten die primaries ja durch stärkere Personalisierung Begeisterung | |
| wecken für Europapolitik. Das Anliegen teilen Sie doch auch? | |
| Ja, aber wir müssen vor allem mit Inhalten punkten: Die größten und | |
| erfolgreichsten Veranstaltungen hatte ich, wenn ich mich mit | |
| Anti-Fracking-Initiativen in Polen getroffen habe oder wenn ich in | |
| Griechenland Hilfsorganisationen besuche, um über Auswege aus der | |
| menschenverachtenden Flüchtlingspolitik nachzudenken. Bei solchen | |
| Veranstaltungen, da hatten wir richtig Zuspruch. Das ist das eigentliche | |
| politische Leben ... | |
| … wo lägen denn in dem die Differenzen zwischen Ihnen und Ska Keller? | |
| Es gibt keine großen politischen Konflikte zwischen uns. Ska hat mir | |
| gegenüber jedenfalls nie beklagt, dass ich die Fraktion in die falsche | |
| Richtung führen würde. Sie hat weniger Verantwortung für die Politik der | |
| europäischen Grünen-Fraktion und andere Schwerpunkte. Aber sie hat sich | |
| gefreut, dass ich die kritische Debatte angestoßen habe über das | |
| transatlantische Freihandelsabkommen. | |
| Es ist kein Flügelstreit? | |
| Ich würde mich weigern, aus dieser Debatte eine Links-rechts-Debatte zu | |
| machen. Das halte ich für an den Haaren herbeigezogen. | |
| Vielleicht geht es um eine stärkere Westorientierung, während Sie doch eine | |
| starke Bindung an die Ukraine haben? | |
| Es ist wahr, dass ich seit meinem ersten Besuch 1988 nicht mehr richtig | |
| losgekommen bin von der Ukraine. | |
| Sie gehörten zur ersten zivilen Besuchergruppe des Tschernobyl-Gebiets. | |
| Aktuell ist das eine Mischung aus politischer und persönlicher | |
| Verantwortung. Für meine Freunde und für alle die Menschen, die sich mehr | |
| als alle anderen auf diesem Kontinent mit so viel Leidenschaft und Mut für | |
| europäische Werte und rechtsstaatliche Standards einsetzen. | |
| Dort entscheidet sich die Zukunft der EU …? | |
| Ich bin davon überzeugt, dass sich Europa von der Peripherie her ändert – | |
| und wir das, was uns an Aufbruch mit der Euromaidan-Bewegung aus der | |
| Ukraine entgegenkommt, zu lange nicht gesehen haben. Dass wir jetzt quasi | |
| wieder im Kalten Krieg aufwachen, das erinnert uns daran, dass man auch ein | |
| Verständnis von Geschichte braucht, um Europa weiterzubauen. Denn | |
| Geschichte vergeht nicht. | |
| 5 Feb 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Benno Schirrmeister | |
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