# taz.de -- Interview mit Berlins Finanzsenator: „Geld reizt mich nicht“ | |
> Gibt es gutes Geld und schlechtes Geld? Berlins Finanzsenator Ulrich | |
> Nußbaum (parteilos) meint: Nein. | |
Bild: Er ist fürs Berliner Geld verantwortlich: Finanzsenator Ulrich Nußbaum … | |
taz: Herr Nußbaum, gibt es gutes und schlechtes Geld? | |
Ulrich Nußbaum: Es gibt erst mal Geld. Dann stellt sich die Frage: Was | |
mache ich damit? Ich kann gute Dinge machen, ich kann aber auch weniger | |
gute Dinge machen. Wobei auch das auf die Sichtweise ankommt. | |
Es kommt also darauf an, wer das Geld hat und welches Motiv er verfolgt? | |
Geld ist in einer modernen Gesellschaft zunächst ein Austauschmittel. Das | |
können Bitcoins im Internet sein oder Euro in echten Münzen. Aber es kann | |
auch, wie der Euro, ganze Nationen zusammenhalten. Geld hat also immer | |
mindestens zwei Funktionen: die eines Zahlungsmittels und die einer | |
identitätsstiftenden Verbindung und einer gestaltenden Funktion. | |
Also hat Geld doch eine Eigenschaft. | |
Jetzt, wo Sie das so sagen und wir das gemeinsam entwickeln, kann man das | |
so formulieren. | |
Wenn die Schweizer Abendrot-Stiftung das Holzmarkt-Gelände an der Spree | |
kauft und in Erbpacht an die Kater-Holzig-Leute gibt, ist das dann gutes | |
Geld – weil es für eine gute Sache ist? | |
Die Abendrot-Stiftung ist eine Pensionskasse. Selbstlos sind die auch | |
nicht, sie müssen ja Pensionen auszahlen. Die streben laut eigener Website | |
eine Rendite von über 6 Prozent an. 6 Prozent in Zeiten, wo man vielleicht | |
grade einmal 2 Prozent realisieren kann, ist schon eine tolle Rendite. | |
Gutes Geld? | |
Für Abendrot? Ja. | |
Abendrot finanziert mit dem Geld ein Projekt, das sich einen hohen Anspruch | |
auf seine Fahne schreibt. Wie bewerten Sie das? | |
Das will ich gar nicht bewerten. Ich bin Finanzsenator. Als solcher gestehe | |
ich ein: Man kann eine Gegenleistung auch in einer anderen Währung als Geld | |
erbringen. Also durch ein tolles Projekt für die Stadt, Arbeitsplätze oder | |
andere Mehrwerte für Berlin. Ob ein solcher Mehrwert von den Leuten der | |
Holzmarkt-Genossenschaft auf dem Grundstück verwirklicht wird, das muss die | |
Stadt beurteilen. | |
Das alles wäre das Thema gewesen, wenn Sie das Grundstück nicht im | |
Bieterverfahren – also an den Meistbietenden –, sondern im Konzeptverfahren | |
vergeben hätten. | |
Genau: Wenn es ein Konzeptverfahren gewesen wäre, hätte ich da genau | |
hingeschaut. Und das Grundstück später wieder zurückgefordert, wenn es den | |
vereinbarten Mehrwert für die Stadt nicht gegeben hätte. Da sie aber das | |
höchste Angebot gemacht haben, sind sie von alldem freigestellt. Ich will | |
nur davor warnen, den Projekten, die augenscheinlich im Mantel des | |
Gutmenschentums daherkommen, gleich eine solche Bedeutung zu geben, dass | |
ich dafür im Namen der Steuerzahler ohne Prüfung auf Geld verzichte. | |
Wann wären Sie dazu bereit? | |
Wenn die Macher eines Projektes nachhaltig, also über einen längeren | |
Zeitraum hinweg, gezeigt haben, dass das Ganze wirklich wertvoll für die | |
Stadt ist. | |
Lässt sich das errechnen? | |
Und in Geld aufwiegen? Ich kenne bislang leider keinen Algorithmus, der es | |
ermöglicht, diese Umrechnung transparent und auch nachvollziehbar für die | |
Steuerzahler vorzunehmen. Sicher gibt es Interessengruppen, die dem Projekt | |
nahestehen. Die nehmen einen großen Umrechnungsfaktor und sagen: Ein | |
Quantum Holzmarkt ist tausend Euro wert. Andere würden sagen: Wir hätten da | |
gerne ein Altenheim, also ist für diejenigen ein Quantum Holzmarkt nur | |
einen Euro wert. Die Frage ist: Wie organisieren Sie in einer | |
Stadtgesellschaft bei unterschiedlichen Interessen eine Bewertung? | |
Sie haben da den Begriff „Stadtrendite“ ins Spiel gebracht. | |
Stadtrendite ist im Idealfall der Konsens in der Stadt, dass ein Projekt | |
einen Wert hat, der über das reine Geld hinausgeht. | |
Wie können Sie mit dem Begriff abwägen, was eine Stadt mehr braucht: einen | |
Kindergarten oder ein Studentenwohnheim? | |
Bei widerstreitenden Nutzungskonzepten muss der Senat einen Vorschlag | |
machen. Wenn es Streit gibt, muss das Parlament entscheiden und nicht ein | |
runder Tisch oder selbst ernannte Interessenvertreter. | |
Ist es bei schlechtem Geld ähnlich kompliziert? Hätten Sie die | |
Wohnungsbaugesellschaft GSW an einen Finanzinvestor wie Cerberus | |
privatisiert? | |
Entscheidungen im Nachhinein zu bewerten ist nicht fair. Aber wenn Sie | |
theoretisch fragen: Ich hätte mir zunächst die Frage gestellt, ob ich die | |
GSW überhaupt verkaufen muss. Deshalb will ich mit unserem Haushalt ja so | |
wirtschaften, dass wir nicht in den Zwang geraten, an den Erstbesten und | |
auch nicht an jeden Finanzinvestoren zu verkaufen. | |
Diese Wahl haben Sie nur, wenn Sie es sich leisten können. Ist die Frage | |
nach gutem Geld also etwas für Wohlhabende? | |
Nicht unbedingt. Aber Sie müssen es sich leisten können. Zunächst müssen | |
Sie, ob als Stadt oder als Privatperson, ihre Grundbedürfnisse bezahlen. | |
Ich kann ja als Land eine Kindergärnerin nicht mit | |
Holzmarkt-Anteilsscheinen bezahlen. Erst wenn ich über die Grundbedürfnisse | |
hinaus Überschüsse habe, kann ich für einen guten Zweck auf Geld | |
verzichten. | |
Als Finanzsenator haben Sie mit dem Thema „gutes Geld“ tagtäglich zu tun. | |
Wenn Sie Grundstücke verkaufen, stellt sich ja auch die Frage, von wem das | |
Geld kommt. | |
Noch mal: Erst wenn der Haushalt in Berlin Überschüsse generiert, kann ich | |
es mir erlauben, nicht an den zu verkaufen, der den höchsten Preis bezahlt. | |
Das ist ja genau das Thema der neuen Liegenschaftspolitik, die übrigens von | |
der Finanzverwaltung entworfen wurde. Wir verkaufen nicht mehr um jeden | |
Preis, sondern wir überlegen, was mit einem Grundstück passiert. | |
Die entscheidende Frage ist also nicht, woher das Geld kommt, sondern was | |
damit gemacht wird? | |
Und wie ich langfristig sicherstellen kann, dass dieser „gute Zweck“ für | |
die Stadt erhalten bleibt. | |
Gibt es einen Reiz des Geldes? | |
Für mich hat Geld keinen Reiz. Ich bin nicht Dagobert Duck, der da jeden | |
Morgen eintaucht in seinen Goldhaufen. Geld ist für mich ein | |
Steuerungsmittel, um Ziele zu erreichen. | |
Sie sind doch auch Unternehmer. | |
Es hat trotzdem keinen darüber hinausgehenden Reiz. Wir wollen als Senat | |
inhaltliche Ziele erreichen. Wenn ich Geld habe und in die richtigen | |
Bereiche leite, kann ich zum Beispiel Bildungschancen von Migrantenkindern | |
verbessern. Oder Langzeitarbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt bringen. Da | |
habe ich mit Geld etwas Gutes erreicht. | |
Wo investieren Sie denn als Privatmann Ihr Geld? | |
Ich spreche hier als Finanzsenator. Privates bleibt privat. | |
Dieses Interview ist Teil des Schwerpunkts "Gutes Geld, schlechtes Geld" in | |
der Wochenendausgabe der taz.berlin. Am Samstag in Ihrem Briefkasten, oder | |
am Kiosk. | |
8 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
Bert Schulz | |
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