# taz.de -- Dominik Graf über seinen neuen Film: „Die Gegenwart sieht zerris… | |
> „Die geliebten Schwestern“ rekonstruiert die besondere Dreiecksbeziehung | |
> um Friedrich Schiller. Im Interview spricht Graf über Glück, Verzicht und | |
> Schatten. | |
Bild: Ménage-á-trois: Filmszene aus dem Hofdrama „Die Geliebten Schwestern�… | |
Sommer 1788, Thüringen. Friedrich Schiller (Florian Stetter) verbringt ihn | |
mit den Schwestern Caroline von Beulwitz (Hannah Herzsprung) und Charlotte | |
von Lengefeld (Henriette Confurius). Für Glut steht die eine, für Weisheit | |
die andere. Die Umstände sind widrig, die Bindungen komplex, Caroline ist | |
bereits (unglücklich) verheiratet, Friedrich koitiert gegen Bezahlung mit | |
Frau von Kalb, der verwitweten Mutter Lengefeld geht es ums Geld, das | |
Schiller nicht hat. Dennoch schwören sie sich die ewige Liebe zu dritt. | |
Eine Utopie von Freiheit und Empfindsamkeit, im historischen Kostüm, | |
modern, uns nah. | |
taz: Herr Graf, um die Worte des Professors aufzugreifen, dessen umjubelte | |
Jenaer Antrittsvorlesung „Was heißt und zu welchem Ende studiert man | |
Universalgeschichte?“. Sie in Ihrem Film inszenieren: Was heißt und zu | |
welchem Ende lebt man eine Ménage-à-trois? | |
Dominik Graf: Das Dreiecksverhältnis zwischen dem berühmten, bettelarmen | |
Dichter und den beiden Schwestern von Lengefeld zeichnet sich in den ersten | |
Jahren durch eine große Sanftheit und Zuneigung aller drei zueinander aus. | |
Eifersucht scheint ihnen ein Fremdwort, jeder will dem anderen nur Gutes. | |
Das Ziel ist Glück – geistiges, seelisches, auch körperliches Glück. Erst | |
ganz allmählich wirft das Drama des Verzichts und der Unmöglichkeit ihrer | |
Liebe zu dritt – und nicht zuletzt das Drama von Schillers Todkrankheit – | |
seine Schatten. | |
Ist es diese Utopie, dieses Sich-Verlieren im gelebten Liebesexperiment, | |
das Sie am stärksten fasziniert hat? Sie schrieben ja das Buch, aber die | |
Idee kam von außen. | |
Nein, es war nicht die Liebesutopie zu dritt an sich, die ist ja ein | |
uralter Kino-Topos. Es war das praktische Leben der drei mit den Gefühlen, | |
die Planung, die kleinen Intrigen, die notwendig waren, um diese Art | |
Liebes-Machbarkeitsstudie, die sie so akribisch gegen alle Hindernisse | |
versucht haben zu betreiben, es war der Alltag und die Lebenswirklichkeit | |
ihrer Zeit – aber immer vor dem Hintergrund des großen ersehnten Ideals. | |
Schiller nimmt nach dem Sommer mit den Schwestern „Zweifel an der eigenen | |
Liebesunfähigkeit“ wahr. Solche Formulierungen, solche Einsichten – geht | |
das nur im historischen Genre? | |
Ich glaube, solche Formulierungen werden in Kostümfilmen quasi größer. Das | |
Verhältnis von Selbstreflexion und Selbstironie verschiebt sich in alter | |
Sprachumgebung – zugunsten der Ironie vielleicht. | |
„Die geliebten Schwestern“ handelt sehr zentral von Briefen. Sie werden | |
geschrieben und gesprochen, mit Duftnoten versehen, versiegelt, gefälscht, | |
retourniert und am Ende auch verbrannt. | |
Ja, es gab mal schöne Filmkritikhefte und auch Bücher zum Thema „Film und | |
Schrift“, darüber ließe sich einiges sagen. Ich kann nicht leugnen, dass | |
ich es sehr gerne sehe, wenn die Kamera der Schrift folgt, wie sie | |
entsteht. | |
Ganz offensichtlich mögen Sie das schriftliche Gefühlswort, seine | |
Möglichkeiten zum Impulsiven und Reflexiven. | |
Ganz genau. Besser könnte ich’s auch nicht sagen. Ich mag vor allem den | |
klassischen Liebesmonolog an sich dabei, also wenn die Figuren ihre | |
Sehnsüchte richtiggehend wie mit Blut in die Briefe fließen lassen. | |
Wer so drin ist wie Sie im Kriminalfilm – atmet der da auf: endlich mal | |
Kommunikation jenseits von SMS, GPS und Netz? | |
Nein, nein. Der Look der Vergangenheit kommt uns heute im Film | |
einheitlicher, kommt uns „schöner“ vor, alles wirkt in den Kostümen gleich | |
alt, ohne Differenzierung. Die Gegenwart hat dagegen einen schweren Stand, | |
in ihrem ästhetischen Kuddelmuddel sieht sie zerrissener aus. Das ist aber | |
natürlich nur eine Fata Morgana. In Wirklichkeit beinhaltet auch jedes alte | |
Bild diverse Zeiten, sich widersprechend wie tektonische Platten, die | |
gleichzeitig sichtbar sind. Wir übersehen das, aber das ist ein Teil | |
unserer Ignoranz gegenüber der Vergangenheit. | |
Gerade das 18. Jahrhundert verbindet perfekt „Körperströme und | |
Schriftverkehr“, wie der Germanist Albrecht Koschorke das nannte. Zwischen | |
Friedrich, Caroline und Charlotte fließt mehr als Tinte und Blut? | |
Ja, das geradezu Physische an diesen Briefwechseln, das Drängende, die | |
Ungeduld der Briefschreiber habe ich versucht durch die schnellen Wechsel | |
der Briefe, der Zitate, durch die wechselnden Tempi in der Montage | |
auszudrücken. | |
Ja, Tempo und Rhythmus sind oft atemberaubend. Ich meinte aber konkret die | |
körperliche Erotik. Ihr Film ist ja auch in dieser Hinsicht unprüde. | |
Die Körperlichkeit geht hier von den adligen Frauen aus, Charlotte von | |
Kalb, Caroline … Die Ehen der Damen stehen ihnen dabei wenig im Weg. Der | |
bürgerliche Dichter ist dagegen verklemmter, er wird genutzt als eine | |
„männliche Mätresse“, wie eine der Damen sagt. | |
Folgen Sie da – und grundsätzlich – ganz dicht den historischen Quellen? | |
Wie viel an Imagination steckt im Drehbuch? | |
Nein, da nicht allzu dicht und grundsätzlich auch nicht. Es gibt in den | |
Quellen weiße Flecken. Das ermuntert einen zu eigenen Erfindungen und wenn | |
man schon mal dabei ist, kann man auch hier und da noch was dazu | |
fantasieren und so weiter. Alles natürlich eine ausgesprochene Anmaßung des | |
Drehbuchautors. | |
… dessen Stimme ja das Geschehen aus dem Off kommentiert. Lakonisch, | |
angetan, kontrapunktisch. | |
Ja, obwohl der Erzähler den Drehbuchautor und dessen Eingriffe schlecht | |
legitimieren kann, so lieb dies dem Autor wäre. | |
Und die Rede und Sprache Ihrer Liebenden? Wer nähert sich da wem an? | |
Dominik Graf Friedrich Schiller? Oder umgekehrt? Oder gar beide Florian | |
Stetter? | |
Die Inspiration zu jeder noch so kleinen Erfindung kommt aus den Briefen | |
und Quellen. Was ich mir zusätzlich erlaubt habe, kann man vielleicht so | |
wie in der Musik als Variationen auf ein klassisches Thema ansehen. | |
Und wie „fügen“ sich da für Sie die SchauspielerInnen? | |
Sie nehmen sich diese Sprache der Vergangenheit und ziehen sie sich an wie | |
Kostüme, jeder auf seine Weise. Und in den Proben muss man dann noch hier | |
und da gemeinsam daran herumzupfen, damit sie richtig sitzt. | |
Nach dem Finanzierungszoff im Vorfeld stehen nun 170 Minuten Weimarer | |
Klassik privat im Berlinale-Wettbewerb. Ist das am Ende gar – die | |
Planankunft eines Herzensprojektes? | |
Planankünfte beim deutschen Film? Bloß nicht, oder? Schon gar nicht mit | |
Lieblingsprojekten. | |
10 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Barbara Wurm | |
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