# taz.de -- Kambodscha setzt auf Tourismus: Sonnenaufgang mit Strandresort | |
> Bis 2020 soll die Anzahl der Besucher verdoppelt werden. Das Land hat was | |
> zu bieten: die Tempel von Angkor und Bootstouren auf dem Mekong. | |
Bild: Zweiradfahrer in der Hauptstadt Phom Penh. | |
Angkor Wat ist so etwas wie der konzentrierte Nationalstolz der | |
Kambodschaner. Das Gebiet Angkor nahe Siem Reap hat die größte Ansammlung | |
von Tempeln auf der ganzen Welt. Der bekannteste Tempel und Herzstück | |
dieses Weltkulturerbes ist Angkor Wat. Es ist das größte sakrale Bauwerk | |
der Erde. | |
Die zahlreichen Tempel zu erhalten ist bis heute eine gigantische Aufgabe. | |
Seit 1989 engagieren sich Restauratoren aus vielen Ländern in Angkor. Auch | |
ein deutsches Team unter der Leitung von Professor Hans Leisen von der | |
Universität Köln ist vor Ort. | |
„Angkor Wat ist die Ikone der Restaurierung“, erklärt er. „Hier zu arbei… | |
ist für jedes Land ein Aushängeschild.“ Anders als seine Nachbarn Thailand | |
und Vietnam kurbelt Kambodscha seinen Tourismussektor erst seit etwa zehn | |
Jahren an. Die Devisen fließen daher noch nicht so üppig im Land. Das soll | |
sich ändern. | |
Luy aus Siem Reap arbeitet seit zehn Jahren für ihn. Der 31-Jährige wurde | |
vom deutschen Team zum Facharbeiter ausgebildet. Er ist einer von insgesamt | |
vierzehn Helfern, die täglich antreten, um die Tempelanlage vor dem Verfall | |
zu retten. „Ich bin stolz, dass ich hier arbeiten darf“, strahlt Luy. Bei | |
allem Idealismus ist er vor allem froh, eine Arbeit zu haben, die ihm ein | |
gutes, aber vor allem sicheres Einkommen bringt. | |
Rund 3,5 Millionen Touristen bereisten 2012 Kambodscha. Im Jahr 2013 sollen | |
es schon 4 Millionen gewesen sein. Das ist noch weit entfernt vom gängigen | |
Massentourismus in Thailand oder Vietnam. Doch Kambodschas | |
Tourismusministerium hat ehrgeizige Pläne. Bis 2020 sollen 7 Millionen | |
Touristen das Land besuchen. | |
Um diese Scharen zu versorgen, sind eine Million zusätzliche Fachkräfte | |
nötig. Die müssen zwar erst noch ausgebildet werden. Doch die steigenden | |
Touristenzahlen werden als Chance für Entwicklung gesehen. Das Land setzt | |
auf ausländische Investoren. Auf diese Weise entstehen völlig | |
unstrukturiert nagelneue Strandresorts auf einsamen Inseln im Golf von | |
Thailand oder Megahotels mit rund eintausend Zimmern wie das Tansur Hotel | |
auf Bokor Mountain. | |
## Kreuz und quer auf den Straßen | |
Wie sehr Kambodscha einer strukturellen Entwicklung nicht nur im Tourismus | |
bedarf, zeigt der chaotische Verkehr. In einem unglaublich engen Treiben | |
fahren Mopeds, mit einer vierköpfigen Familie bestückt, eng neben Lkws und | |
Autos. Obwohl es kreuz und quer durcheinandergeht und keine Fahrtrichtung | |
verbindlich ist, geht es irgendwie voran. | |
Ein Geisterfahrermoped auf einer dreispurigen Fahrbahn ist ebenso wenig | |
ungewöhnlich wie das Ausweichen auf die Gegenfahrbahn, wenn sich ein Stau | |
bildet. Ein Blick in die Gesichter zeigt: es sind fast nur junge Menschen | |
unterwegs. | |
Über 70 Prozent der Kambodschaner sind unter dreißig. Ihre Hoffnung liegt | |
auch in der Entwicklung des Landes durch zunehmenden Tourismus. Jin aus | |
Chong Kneas möchte Tourguide werden. Der 24-Jährige arbeitet als | |
Sicherheitsmann auf einem Boot und begleitet Touristen zu den schwimmenden | |
Dörfer auf dem größten Binnensee Südostasiens, dem Tonle Sap. | |
Die Hausboote sehen wie bunte Nussschalen aus. Auf ihnen ist es eng, sie | |
werden nicht selten von zehn Familienmitgliedern bewohnt. Privatsphäre ist | |
kaum möglich. An die Boote sind zum Teil kleine schwimmende Kräutergärten | |
oder ein Hühnerstall angedockt. Auf dem Wasser gibt es Restaurantboote, ein | |
Hausboot dient als Kirche und ein anderes größeres als schwimmende Schule. | |
Auch Jin stammt von hier und spricht gut Englisch. | |
## Touristen bringen Jobs | |
Mit dem Geld, das er als Sicherheitsmann auf den Touristenbooten verdient, | |
finanziert er seinen Englischunterricht an einer privaten Schule. Als er | |
Schüler war, gab es noch keinen Sprachunterricht. Er wurde erst vor Kurzem | |
an Schulen eingeführt. | |
Auch Kheng profitiert vom Geschäft mit den Touristen. Sie arbeitet seit | |
sechs Jahren als Kellnerin in einem Café in Phnom Penh. Sie ist 30 Jahre | |
alt, verheiratet und hat mittlerweile einen kleinen Sohn. Sie stammt aus | |
Kampong Chong und ging bereits mit 22 Jahren als Putzkraft nach Malaysia, | |
um Geld zu verdienen. Dort arbeite sie 16 Stunden am Tag für einen | |
Hungerlohn. Sie ist froh, dass diese Zeit hinter ihr liegt. | |
In Phnom Penh arbeitet sie nun als Bedienung im Café eines Niederländers, | |
der ihr 150 US-Dollar im Monat bezahlt. Sie arbeitet abends, wenn ihr Mann | |
zu Hause ist und auf das Kind aufpasst. „Die Arbeit als Kellnerin ist viel | |
leichter als die einer Putzfrau“, sagt sie. Sie will Geld sparen für die | |
Ausbildung ihres Kindes. Ihr Sohn soll es einmal besser haben als sie. | |
## Die neue Generation | |
Sie gehört wie Luy und Jin zu der jungen Generation, die sich nach | |
Veränderung in ihrem Land sehnt. Die jungen KambodschanerInnen fordern das | |
Recht auf Bildung, Menschenrechte und ein Ende der Korruption. Sie haben | |
den Mut, dafür auf die Straße zu gehen. Dieser Mut, sich zu äußern, ist der | |
deutlichste Beweis für den Generationswechsel. | |
Auch Mary Sarath, eine 21-jährige Lehrerin sieht das so. Ihre Eltern | |
ermöglichten ihr eine Ausbildung an einer private Schule und einer privaten | |
Universität. Dafür investierte ihr Vater rund die Hälfte seines | |
Monatsgehalts. Mary schätzt die Chancen für einen Wandel in ihrem | |
Heimatland mittlerweile gut ein, weil ihre Generation bereit ist, etwas zu | |
bewegen. | |
Auch ihre traumatisierten Eltern haben, wie viele andere, vermieden, eine | |
eigene Meinung zu äußern. Sie waren damit beschäftigt, zu überleben und den | |
Zusammenhalt der Familie zu sichern. | |
Die geschichtliche Aufarbeitung bleibt in Kambodscha immer noch auf der | |
Strecke. Es gibt zwar seit drei Jahren Geschichtsunterricht in den Schulen, | |
eine gesellschaftliche Aufarbeitung der „dunklen Zeit“, wie Kambodschaner | |
die Jahre der Roten-Khmer-Herrschaft nennen, findet jedoch noch nicht | |
statt. | |
## Verschollene Familienangehörige | |
Aufsehen erregt nur eine Fernsehsendung, die nach verschollenen | |
Familienmitgliedern im Land sucht und diese tränenreich vor der Kamera | |
zusammenführt. Die Roten Khmer haben viele Familien auseinandergerissen und | |
sie im Land zerstreut. | |
Sohayouk Prak ist die Redakteurin der Sendung und reist durch das ganze | |
Land, um vermisste Familienangehörige zu finden. „Ich bin glücklich, dass | |
ich mit meiner Arbeit helfen kann, und ich muss oft selber noch weinen, | |
wenn ich sehe, wie sie sich nach 33 Jahren zum ersten Mal wiedersehen“, | |
sagt sie. | |
Es gibt keine freie Presse in Kambodscha. Die jungen Menschen nutzen das | |
Internet und soziale Medien. Sie machen Druck auf Premier Hun Sen, auch | |
wenn die Regierung mit Repressionen droht. Zwar scheint die altgediente | |
Cambodian People’s Party kurz vor der Ablösung, doch sie hält mit aller | |
Macht an ihren Stühlen fest. | |
Aber selbst bei einem Parteiwechsel wird es nach Aussage von Tith Chantha, | |
Staatssekretär im Tourismusministerium, keine Veränderungen für den | |
Tourismus geben, da viele Politiker – egal welcher Couleur – Hotelbesitzer | |
seien. | |
22 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Annette Bögelein | |
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