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# taz.de -- Luxusmodernisierung in Berlin: Ein Lehrstück in Sachen Verdrängung
> In der Kopenhagener Straße 46 im Berliner Prenzlauer Berg soll nach der
> Sanierung die dreifache Miete gezahlt werden. Der Bezirk ist relativ
> machtlos.
Bild: Manche Eigentümer haben ein Brett vorm Kopf. Oder Styropor
BERLIN taz | Seit Dienstag steht das Gerüst. „Jetzt geht es also los“, sagt
Martha B. und schaut aus dem Küchenfenster nach draußen. Dunkel ist es in
der Wohnung in der Kopenhagener Straße 46 in Prenzlauer Berg, aber das ist
nicht das schlimmste. „Geht es nach dem Eigentümer soll sich meine Miete
fast verdreifachen“, sagt die Mieterin.
Martha B. zeigt auf die Modernisierungsankündigung, die der Eigentümer, die
Firma Christmann Holding GmbH, an die Mieter verschickt hat. Für eine neue
Heizung soll sie 206 Euro mehr im Monat zahlen, für den Einbau von Fenstern
aus Tropenholz 136 Euro, für die Fassadendämmung 157 Euro und für eine so
genannte Wohnraumlüftungsanlage 190 Euro. Insgesamt beträgt die
Mieterhöhung 798,02 Euro. Bislang zahlt Martha B. für ihre 106 Quadratmeter
große Wohnung 680 Euro. Nach der Modernisierung soll die Warmmiete 1.600
Euro betragen.
Martha B. ist nicht die einzige in der Kopenhagener Straße, die entsetzt
war, als sie im vergangenen Herbst die Modernisierungsankündigung las. Bei
einem Mieter soll die Miete von 540 Euro auf 1.510,88 Euro steigen. Ein
Mieter, der für seine 38-Quadratmeter große Wohnung 214 Euro zahlt, soll
bald 693,64 Euro berappen. „Es ist nicht so, dass wir nicht bereit wären,
mehr nach einer Sanierung zu zahlen“, beteuert Martha B. „Aber doch nicht
das Dreifache.“
Bevor die Firma Christmann das Haus kaufte, war die Kopenhagener Straße 46
ein Paradebeispiel für die Berliner Mischung, sagt Mieter Andreas D. „Der
alte Eigentümer war ein Sozialdemokrat, der hat die Leute machen lassen.“
So zogen in den Gründerzeitbau, der zwischenzeitlich fast leer gestanden
hatte, wieder Mieter in die 20 Wohnungen. „Zwar musste man auf eine
Reparatur etwas warten“, sagt D. „Aber dafür war die Miete in Ordnung.“
Zwischen vier und fünf Euro pro Quadratmeter zahlen die Mieterinnen und
Mieter in dem Haus nahe des Mauerparks.
Andreas D. betreibt auch einen Blog, in dem er die Geschichte des Hauses
und den Eigentümerwechsel dokumentiert hat. Unter dem Eintrag „Chronik
einer angekündigten Entmietung“ hat er zusammengetragen, was alles zwischen
der Modernisierungsankündigung im September bis heute passiert ist. „Weil
wir der Modernisierung nicht zugestimmt haben, wurden wir inzwischen alle
auf Duldung verklagt“, sagt D.
## Mietplus von 1.000 Euro
Die Christmann Holding ist keine Unbekannte auf dem Berliner
Entmietungsmarkt. In der Winsstraße 59 sollte eine Mieterin statt 700 Euro
plötzlich 2.000 Euro Miete zahlen. Um Instandhaltung oder eine anständige
Sanierung ging es nicht – das Außenklo sollte bleiben. Wohl aber um
energetische Modernisierung, denn gegen die gibt es keine Handhabe. „Dort,
wo von den Eigentümern alle gesetzlichen Möglichkeiten der Mieterhöhung
ausgeschöpft werden“, weiß Lukas Siebenkotten, der Direktor des Deutschen
Mieterbundes, „müssen die Mieter ungefähr drei Mal soviel mehr zahlen, als
sie hinterher bei den Heizkosten einsparen.“
Für Siebenkotten ist die energetische Modernisierung deshalb auch ein
Instrument, mit dem manche Eigentümer ihre Mieter loswerden wollen. „Wir
würden uns wünschen, wenn mit möglichst wenig Mitteleinsatz eine möglichst
hohe Energieeffizienz erzielt wird“, fordert Siebenkotten. Weniger
Mitteleinsatz heißt auch weniger Umlage der Modernisierungskosten auf die
Miete. Doch oft sei das Gegenteil der Fall: „Nach jetzigem Recht muss der
Eigentümer bei energetischen Sanierungen nicht einmal nachweisen, ob das zu
Einsparungen führt.“
Martha B. weiß, dass das Mietrecht nicht auf ihrer Seite steht. Ein
Eigentümer muss nicht nur keine Einsparungen nachweisen. Er kann sich seine
Modernisierung sogar ganz von den Mietern bezahlen lassen. „Elf Prozent der
Modernisierungskosten können auf die Miete umgelegt werden“, rechnet B.
vor. „Nach neun Jahren haben wir das abbezahlt. Die Miete bleibt aber auch
danach so hoch. Dann geht alles in die Tasche des Eigentümers.“
Solange das Mietrecht dieses zulässt, ist der Bezirk Pankow die letzte
Hoffnung der Mieter aus der Kopenhagener Straße 46. Am Mittwochabend, einen
Tag nachdem das Gerüst aufgestellt wurde, haben sie einen Termin bei der
Mieterberatung Prenzlauer Berg. Auch Christoph Speckmann, der Leiter der
Abteilung Stadterneuerung des Bezirksamts Pankow ist da. Er wacht darüber,
ob sich die Eigentümer in den so genannten „Erhaltungsgebieten“ auch an die
Regeln halten. Einige dieser Regeln sollen auch vor Luxusmodernisierung
schützen. So hat der Bezirk in einer „Erhaltungsverordnung“ etwa den Einbau
von Fußbodenheizungen oder zweiten Bädern untersagt.
Speckmann sagt: „Die Firma Christmann bewegt sich nicht am Rande der
Legalität, sondern völlig gesetzeskonform“, sagt er. „Bei energetischen
Sanierungen haben wir keine Möglichkeit, die Genehmigung zu verweigern.“
Ein bisschen schwerer wollte es Pankow den Eigentümern zwar machen. So muss
in einem Gutachten nun nachgewiesen werden, dass ohne die Dämmung der
Fassade die Anforderungen der Energieeinsparverordnung (EnEv) nicht zu
realisieren seien. „Dieses Gutachten hat der Eigentümer aber vorgelegt“,
betont Speckmann. „Wir haben keinen Grund, an seiner Richtigkeit zu
zweifeln.“
## „Haben Sie das geprüft?“
Die Mieter sehen das anders. „Eine Fassade muss dann nicht gedämmt werden,
wenn 90 Prozent des Verputzes in Ordnung sind“, liest Martha B. aus der
EnEv vor. „Haben Sie das geprüft?“, fragt sie den Bezirksvertreter.
Speckmann schüttelt den Kopf. „Dazu haben wir keinen Anlass“, sagt er. Nun
fordern die Mieter von Baustadtrat Jens-Holger Kirchner ein Gegengutachten.
Man merkt Christoph Speckmann an, dass ihm nicht wohl ist in seiner Haut.
Er steht auf der Seite der Mieter. Dass es neben einer Wärmedämmung auch
eine teure Wohnraumlüftungsanlage geben soll, gehörte bislang noch nicht
zum Repertoire der Eigentümer. Und dennoch sind Speckmann die Hände
gebunden. Auch ihm ist klar, was da in der Kopenhagener Straße passiert.
„Die Eigentümer wollen Ihr Haus entmieten und die Wohnungen hinterher in
Eigentumswohnungen umwandeln“, sagt er den Mietern.
Auch im Senat beobachtet man das Geschehen aufmerksam. „Wir sind auf der
einen Seite die Bauverwaltung, auf der anderen aber auch die
Umweltverwaltung“, sagt Daniela Augenstein, Sprecherin von Bau- und
Umweltsenator Michael Müller (SPD). „Energetische Sanierung ist von uns
also ausdrücklich gewünscht.“ Eine Verdreifachung der Miete sei aber
problematisch. Augenstein verwies in diesem Zusammenhang auf die
Bundespolitik. „Dort wird im Zusammenhang mit der Energiewende auch darüber
diskutiert, wie man die Kosten der Sanierung gerechter verteilt.“
Für Martha B. und ihre Mitmieter kommt das allerdings zu spät. Immerhin
eine Botschaft hat Bezirksamtsvertreter Speckmann am Mittwochabend parat.
„Weil der Eigentümer nicht kooperativ ist, betrachten wir Sie als
Sanierungsbetroffene“, sagte er den 15 Mietern, die in die Mieterberatung
gekommen waren.
Am Donnerstag hat auch Stadtrat Kirchner dem Vorschlag zugestimmt. „Die
Betroffenen werden Umsetzwohnungen im Prenzlauer Berg bekommen“, so der
Grünen-Politiker zur taz. Zuvor aber will er noch einmal alle Mittel
ausschöpfen. „Wir werden das Gutachten des Eigentümers sicher überprüfen …
wenn nötig auch mit einem Gegengutachten“, kündigt Kichner an.
6 Mar 2014
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
Luxussanierung
Prenzlauer Berg
Berlin
Miete
Mietrecht
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benutzen.
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