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# taz.de -- Leckere Linsengerichte: Die Rückkehr der Leguminosen
> Was wäre die Schwäbische Alb ohne Spätzle mit Linsen? Eine russische
> Sortenbank und ein Kleinbauer haben die alte Kulturpflanze wiederbelebt.
Bild: Mit oder ohne Spätzle und Speck – Linsen sind das neue It-Gericht!
BERLIN taz | An seinem Schreibtisch ist Woldemar Mammel von Faxen und
Papierausdrucken umgeben, die sich auf dem Boden stapeln: Alle Welt will
die Linsen des schmalen Mannes mit dem weißen Vollbart. Bio sind sie, und
vor allem stammen sie von uralten schwäbischen Kulturpflanzen. „Das alles
war eigentlich Zufall“, sagt Mammel.
Seit 1975 lebt die Familie Mammel auf einem Hof in Lauterach am Südrand der
Schwäbischen Alb. Mammel war Lehrer am Gymnasium. Über den
Selbstversorgergarten, die Selbstversorgerbienen und die
Selbstversorgerschafe rutschte er in die Landwirtschaft. „Wir überlegten:
Was baute man eigentlich früher auf der Schwäbischen Alb an?“
Die Linse ist eine unscheinbare Pflanze mit kleinen fiedrigen Blättern und
weißvioletten Blüten. In die Höhe wächst sie nur, wenn sie an einer
Stützfrucht wie Hafer oder Gerste emporranken kann. Deshalb sieht der
Linsenacker auch wie ein Getreidefeld aus mit viel Unkraut drin. Das
Unkraut sind die Linsen.
Im 19. Jahrhundert wurden sie in Württemberg noch breit angebaut, aber Ende
der 1950er Jahre kam das Aus. „Die Währungsreform 1948 hat dem Linsenanbau
den Todesstoß gegeben“, sagt Mammel. „Da konnte man plötzlich alles kaufe…
auch Linsen, und musste sich mit dieser mühsamen Arbeit nicht mehr
abplagen.“ Die Linse ist eine anspruchsvolle Frucht: In regenreichen
Sommern wächst und wächst sie, zur Erntezeit sind dann die unteren Hülsen
reif, die in der Mitte sind aber noch grün, und oben blüht die Linse noch.
Und die Stützfrucht erschwert die Ernte zusätzlich.
## In kleinen braunen Tüten verschickt
Mitte der 80er Jahre machten Mammel und seine Frau Hildrun ihre ersten
Versuche mit italienischen Berglinsen in ihrem Bauerngarten. 2001 gründete
Mammel mit zehn weiteren schwäbischen Bauern die Ökoerrzeuger-Gemeinschaft
„Alb-Leisa“.
„Diese Leguminosen passen wunderbar in den Ökolandbau, weil sie durch die
Knöllchenbakterien in der Lage sind, Stickstoff aus der Luft zu binden“,
sagt Roman Lenz, Professor für Landschaftsplanung an der Fachhochschule
Nürtingen. „Da im Ökolandbau kein Kunstdünger erlaubt ist, passen sie sehr
gut in die Fruchtfolge.“
Was dem schwäbischen Linsenanbau noch fehlte, waren traditionell
schwäbische Linsen wie die des Züchters Fritz Späth aus Haigerloch: „Eine
große weichkochende und eine kleine, sehr aromatische Linse“. Doch die
waren verschollen, aus dem Bundessortenregister gelöscht und auch in der
Saatgutbank Gatersleben nicht archiviert.
Erst im Wawilow-Institut in St. Petersburg wurde Mammel fündig. 340.000
verschiedene Pflanzensamen lagern hier, davon 3.000 Linsenzüchtungen. In
kleinen braunen Tüten wurden die Alb-Linsen auf die Schwäbische Alb
geschickt. 2007, ein halbes Jahrhundert nach ihrem Aussterben hierzulande,
keimten in Mammels Garten fast alle 350 Samen.
Seit 2008 hat sich die Anbaufläche von 40 auf auf heute 250 Hektar
vergrößert. Die Zahl der Anbauer hat sich verdreifacht und liegt
mittlerweile bei 70 Biobauern. Jetzt stehen in der großen Scheune auf dem
Mammel-Hof Trocknungssilos und Saatgutreinigungsmaschinen. Bis ins Frühjahr
wird in Lauterach die Ernte des vergangenen Sommers getrocknet und
gereinigt. Streng getrennt nach der kleinen grün marmorierten Puy-Linse aus
Frankreich und den Alblinsen 1 und 2. 80 Prozent der Linsen gehen an Läden
und Gaststätten, alle in Baden-Württemberg und Bayern.
Für mehr Kunden fehlt es an Ware. Bisher waren die Alb-Linsen noch jedes
Jahr spätestens im Mai ausverkauft.
12 Mar 2014
## AUTOREN
Anette Selg
## TAGS
Bio
Archäologie
Mecklenburg-Vorpommern
Betrug
Ernährung
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