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# taz.de -- Abschied von Harald Schmidt: Rente mit 56
> Late-Night-Talker Harald Schmidt verabschiedet sich aus dem deutschen
> Fernsehen. Es endet eine Karriere ohne Höhepunkte: Er war immer gleich
> gut.
Bild: Seine Zukunft ist noch unklar: Harald Schmidt.
BERLIN taz | Die wirklich großen Karrieren beginnen mit einem Purzelbaum
und enden mit der Rente mit 56.
An meiner Schule, einem schwäbischen Gymnasium nahe Stuttgart, erzählte man
sich die Geschichte eines ehemaligen Schülers, der bei der Abiturprüfung in
Sport nichts weiter als einen Purzelbaum gemacht haben soll. Der ehemalige
Schüler heißt Harald Schmidt. Ich weiß nicht, ob die Geschichte stimmt.
Aber sie macht Hoffnung: Ein eleganter und gut inszenierter Purzelbaum kann
so viel folgenreicher sein als jahrelanges Engagement in Lerngruppen.
Auf Abitur und Purzelbaum folgten eine Bewerbung an einer
Journalistenschule, erfolglos, eine erfolgreiche Ausbildung zum
Schauspieler, Engagements am Theater und im richtigen Moment die
Weggabelung zum Kabarett, ans Düsseldorfer Kommödchen. Da war Harald
Schmidt, wie er sich erinnert, kurz davor zum „Kantinenschauspieler“ zu
werden, der abseits der Bühne motzt und lästert und den Intendant nachäfft.
Das war seine Rettung.
Ein bisschen wie bei Christoph Waltz, den Quentin Tarantino im
letztmöglichen Moment aus dem Tal deutscher Fernsehproduktion ausflog. Auf
dem Weg ins Fernsehen sei Talent nicht das entscheidende gewesen, denn
Talent haben viele, sondern Hartnäckigkeit, sagt Harald Schmidt. Das
beharrliche Einrennen von Türen.
Dann saß er jahrelang auf seinem Bürostuhl hinter einem Schreibtisch,
schlagfertiger als alle anderen im Land, in einem Fernsehstudio in Köln,
Krawatte, Anzug, Brille, und erlebte die Höhen und Tiefen seiner Late Night
Show gleichbleibend gut gelaunt. Er wechselte die Sender, die Sender
wechselten die Chefs, die Quote fiel und stieg, das Feuilleton fand
Gefallen, das Feuilleton wendete sich ab, der Bezahlsender Sky kaufte ihn.
Zuletzt war die Quote kaum messbar.
## Die Kunstfigur Harald Schmidt
Man verschenkte die Eintrittskarten zu seiner Show, um das Studio
vollzubekommen, was für Harald Schmidt ein gutes Warm-up-Thema war: Na, wo
haben Sie ihre Karte her? Auch geschenkt bekommen? Auf die Frage, warum er
nicht aufhörte, als es am schönsten war, antwortete er immer das gleiche:
Was nutzt es denn, wenn man im Café sitzt und sagen kann „Hey, ich bin
übrigens der, der aufgehört hat, als es am schönsten war“? Und auf die
Frage, was er jetzt vorhabe, antwortete er unterschiedlich und, so wirkte
es jedenfalls, nicht sehr gerne: Er wolle jetzt in Paris an der Metro
sitzen und französische Frauen angucken. Das war eine seiner Antworten.
Eins ist ziemlich sicher: Harald Schmidt beendet in dieser Woche seine
Fernsehkarriere. Rente mit 56, ein sozialdemokratischer Traum. Auf Twitter
geisterte vor einigen Wochen kurzzeitig das Gerücht umher, dass er jetzt
beim österreichischen Servus TV anfängt, was irgendwie eine gute Pointe
wäre, nachdem Harald Schmidt versichert hatte, dass es vorbei sei im
deutschen Fernsehen. Aber das blieb ein Gerücht. Leider.
Die Wahrheit ist: Es gab keine Höhen und Tiefen der Harald Schmidt Show. Es
gab unterschiedliche Reaktionen des Publikums. Es gab diejenigen, die nur
Schmidt guckten, als alle Schmidt guckten. Das ist wie beim Fußball: Da
gibt es auch die unerträglichen Kröten, die sich nur für Europa- und
Weltmeisterschaften interessieren, aber die Bundesliga ist ihnen vollkommen
egal. Aber der Zauber findet statt, wenn Braunschweig auf Frankfurt trifft
oder der FC Köln auf Union Berlin.
Harald Schmidt lieferte jahrelang die Kunstfigur Harald Schmidt, frei von
Qualitätsschwankungen: einen bösen Mann, dem die Pointe über alles geht,
über Anstand, Moral und politische Orientierung. Hinter der Kunstfigur
jedoch sah das anders aus. Da kritisierte Harald Schmidt Johannes B. Kerner
für eine Live-Sendung aus Erfurt, als dort kurz vorher ein Amoklauf
stattgefunden hatte. Da wies er vor laufender Kamera Oliver Pocher zurecht,
weil er einen Gast schlecht behandelte. In Wahrheit ist Harald Schmidt
nicht so böse, wie er tat. Auch dafür muss man ihn vermissen.
13 Mar 2014
## AUTOREN
Felix Dachsel
## TAGS
Harald Schmidt
Comedy
Fernsehen
Rente
Winnenden
Quizduell
Harald Schmidt
Harald Schmidt
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