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# taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Wer war Harald Schmidt?
> Es wird der Tag kommen, an dem wir uns gegenüber unseren Kindern
> verantworten müssen, warum wir Harald Schmidt vergöttert haben. Eine
> Antwort.
Bild: Wirft einen langen Schatten: Harald Schmidt.
Die letzte Schmidt-Show auf Sky am Donnerstag in einer Woche wird keiner
anschauen. Die Leute sagen nur: Ach. Was aber, wenn unsere Kinder eines
Tages von uns Rechenschaft verlangen, wie es passieren konnte, dass Harald
Schmidt so wichtig wurde, dass wir ihm als „Enzensberger des
Privatfernsehens“ (Zeit) huldigten, der eine „eine kollektive Analyse der
Gegenwart mit den Mitteln des Humors“ (FAS) leistete? Dann sollten wir
nicht betreten schweigen oder fragen, wer Enzensberger war, sondern eine
aufrichtige und selbstbewusste Antwort haben.
Also: Harald Schmidt war unser Mann. Und zwar zu Recht. Er war wichtig,
weil er gebraucht wurde. Der Sohn eines böhmischen Vertriebenen schuf – das
ist meine einzige biografische Unterstellung – mit dem Antrieb einer
schwäbischen Kindheit als pickliger Brillenträger, der keine Mädchen
abkriegte, peu a peu die omnipotente Kunstfigur „Schmidt“ und irgendwann
das Schmidt-Universum.
Diese Figur (und nur um die Figur geht es) suchte in der Uniform des
Late-Talkers ab Dezember 1995 bei Sat.1 und ARD seine Welt nach Sinn ab.
Und fand Irrsinn. Er emanzipierte sich und uns vom SPD-Moral-Kabarett. Er
repositionierte Literatur und Kunstkonsum im Postbürgertum. Oder verhöhnte
er solche Gebräuche? Man konnte sich nie sicher sein – das war der
entscheidende Fortschritt gegenüber den Moralisten und Leitartiklern. Das
war das aufklärerische Moment, denn man kann sich ja eben wirklich nie
sicher sein. Außer man ist tot.
##
Es gibt Erklärungsversuche, dass das „Format“ sich totgelaufen habe oder
Schmidt zu gelangweilt wurde. Ach: Carson, Leno und Letterman haben das
viele Jahrzehnte gemacht. Jeden Abend.
Richtig ist: Metafernsehen ist gestern; lineares Fernsehen auch. (Insofern
hatte Schmidt schon den richtigen Move zu Sky gemacht.) Vor allem aber: Die
Welt hat sich geändert. Manche sagen zwar, „die Welt“ ändere sich nie, ab…
wenn sich individuelle Welten ändern, ändert sich auch „die Welt“.
So gesehen: Die Ironie war seit den Spontis der späten sechziger Jahre
Notwehr gegen die Zumutungen der Zeit, also zum Beispiel schlimme
Konservative, noch schlimmere Linksfundamentalisten und die ganzen Phrasen
der Gut-Böse-Diskurse. Ironie war eine absolut überlebenswichtige
ästhetische Distanzierung. Die superhohl gewordene Formel „im Zweifel
links“ wurde völlig zu Recht abgelöst von der Formel „im Zweifel Schmidt�…
Nur bei Schmidt war man vor dem ganzen Wahnsinn sicher.
##
Die Ironie wurde dann nach Nine Eleven und Hartz IV nicht von der Moral
abgelöst, wie die Moralisten jubilierten. Quatsch. Es stellte sich nur
heraus, dass Ironie als Lebenshaltung für das 21. Jahrhundert genauso
unproduktiv ist, wie es Moral immer war. Die Moral, wie sie von unserer
Moralpartei Die Grünen vertreten und verkörpert wird, diese Moral ist
obsolet, weil sie nur auf Moralproduktion und Moralkonsum zielen kann. Und
die ironische Distanzierung von diesen und anderen politischen und vor
allem auch ästhetischen Zumutungen ändert real auch nichts.
State of the Art ist jetzt eine Haltung, die auf Handeln zielt, also
brüchig und schmutzig ist und manchmal unsexy. Die neue Formel lautet: Im
Zweifel – machen. Das aber ist von (der Figur) Schmidt nicht zu leisten,
deren Omnipotenz sich ja dem Raushalten und der Unangreifbarkeit verdankt.
R. I. P., Schmidt. Und danke für alles.
2 Mar 2014
## AUTOREN
Peter Unfried
## TAGS
Harald Schmidt
Sky
Ildikó von Kürthy
Katrin Göring-Eckardt
Harald Schmidt
Silke Burmester
Harald Schmidt
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