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# taz.de -- Die Wahrheit: Hauptsache, kaputt
> Auch wenn der Nachwuchs im Auto sonst kaum vom Daddeln aufschaut, zeigt
> er sich bei Unfällen plötzlich geistesgegenwärtig.
Wir standen an der roten Ampel. Chefchen im Fond daddelte auf dem
familieneigenen Netbook herum. Minecraft. Das ist absichtlich grob
gerastert und leicht infantilisiert, damit die Eltern nicht gleich merken,
dass es auch hier nur um das eine geht. „Hauptsache kaputt, kaputt,
kaputt!“, beliebte Wild Bill Kelso zu sagen. Und zu eben einem solchen
Derwisch entwickelt sich auch der Sohn regelmäßig, wenn er die Creepers
dutzendweise über den Jordan schickt. „So, Schweinebacke, was sachste
jetzt? Jetzt kannste nichts mehr sagen. Jetzt biste nämlich tot.“
Wenn man seiner Erziehungspflicht nachkommen will und die ethische
Fragwürdigkeit solcher Rede anmahnt, argumentiert er mit der Raffinesse
eines US-Staranwalts. „Es fließt ja kein Blut.“ Und schon geht es weiter.
„Faaaack, ein Enderman. O Mann! Deinetwegen kann ich jetzt von vorn
anfangen.“
Dazu sollte es nicht mehr kommen, weil die Ampel auf Grün sprang, seine
Mutter losfuhr und die Realität in Gestalt eines pflaumenmusfarbenen Opels
sich mit entschieden blechernem Krachen in Erinnerung rief. „Spinnt der?“,
schimpfte es empört von der Rückbank. „Der kann uns doch nicht einfach in
die Seite brettern.“ Wir hielten auf dem Bürgersteig, kamen überein, dass
uns keine Schuld träfe und stiegen langsam aus. Die feindliche Opelfahrerin
war aschfahl im Gesicht, aber ihre Augen besaßen diesen irren Glanz der
Überzeugungstäterin.
„Wir hatten Grün!“, rief Chefchen. „Ich auch“, meinte sie angriffslust…
Die Mutter meines Sohnes stöhnte auf. Das verhieß monatelanges juristisches
Gezerre!
„Kann ja eigentlich nicht sein“, versuchte ich es mit abendländischer
Logik. „Doch“, rief die Unfallgegnerin und verschränkte trotzig die Arme
vor der Brust. Aber dann musste sie sich an der Regenrinne ihres Wagens
festhalten. „Die kippt ja gleich um“, sagte der Sohn. Also eilten wir
hinzu, stützten sie und öffneten die Beifahrertür, damit sie sich setzen
konnte.
„Schon wieder“, greinte sie kopfschüttelnd.
„Sie hatten kürzlich bereits einen Unfall?“, erkundigte sich meine Frau.
„Quatsch“, zeterte sie böse, „das ist doch schon Jahre her.“
Ihre Augen flackerten verräterisch.
„Die lügt“, flüsterte Chefchen.
„Ruf die Bullen!“
Ich überprüfte noch schnell unsere TÜV-Plakette und maß die Profiltiefe der
Reifen nach, bevor ich die Ordnungsmacht anforderte. Dann hielt ein Wagen.
Ein Mann im Anzug ließ die Beifahrerscheibe herunter.
„Fahren Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen!“, rief der Sohn. Der
Versicherungsvertreter ließ sich jedoch nicht beirren und reichte seine
Visitenkarte heraus. „Falls Sie einen Zeugen brauchen, ich habe alles
beobachtet.“
Die Opelfahrerin schüttelte resignierend den Kopf. „Ich habe wirklich Grün
gesehen.“
Fünf Minuten später hielt das blutjunge, gut gebräunte Polizistenpärchen.
Sie sahen aus wie Stripper, machten aber ihren Job. Außer Hörweite der
Bruchpilotin gab Chefchen ihnen noch einen Tipp. „Ich glaube, es sind
Drogen im Spiel.“
17 Mar 2014
## AUTOREN
Frank Schäfer
## TAGS
Familie
Kinder
Heavy Metal
Spargel
Familie
Männer
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