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# taz.de -- Die Wahrheit: Ein kleiner Mundvoll
> Sämtliche Lifestyle-Magazine sind von Waschbrettbäuchen und
> Size-Zero-Models besetzt. Nur eine einzige Subkultur leistet erbitterten
> Widerstand.
Wir alle sind verkappte GQ-Abonnenten und Klum-Kucker. Wirklich, wir alle?
Nein, es gibt da draußen eine grandiose Subkultur, wo noch die
unkorrumpierbare, von Lifestyle-Zwängen unangefochtene, astreine Attitüde
zu Hause ist. True Metal. „True“ bedeutet bekleidungsästhetisch, dass der
Inhalt des Seesacks maßgeblich beeinflusst wird vom Bühnenoutfit der Band
Iron Maiden der Jahre 1980/81. Oder 2014. Untenrum trägt man die
klassische, bis zum Bersten gefüllte Wurstpelle (alias Stretchhose). Oben
drüber ein ausgewaschenes T-Shirt, das einen daumenbreiten Streifen
behaarten Bauchfleischs freigibt und mit den einschlägigen Motiven
aufwartet: Blut, Gedärm, Bandnamen, Schleim, Monster und natürlich noch
mehr Blut, Schleim und Gedärm. Man kann sich nun fragen, was mehr Schrecken
provoziert – das T-Shirt-Motiv oder das darunter? Von der Kutte und den
Nietenarmbändern dürfen wir hier getrost schweigen, sie tragen ja nicht
auf. Pelle und Shirt schon.
Nicht-Metalheads bieten diese Bekleidungsgepflogenheiten mitunter Anlass
zur Erheiterung. Vor einiger Zeit durfte ich einem Schulfest beiwohnen. Man
hatte sich schick gemacht. Jeder nach seiner Fasson. Einer der Lehrer, ein
grundsympathischer Schlonz, der von den Kindern geliebt wurde, ein
engagierter, liebenswerter Vollblutpädagoge und – natürlich! –
Schwermetaller, trug einen ziemlichen Wanst vor sich her. An diesem
Nachmittag war der in ein vielfarbig leuchtendes Drachen-Shirt gewandet.
Das Fabeltier sah wütend aus, spie Feuer und umspannte prall den Wamperich.
Es passte dem Mann tatsächlich wie angegossen. Das sah man besonders
deutlich an dem Zackenschweif des furiosen Lindwurms, der sich wie ein
Rahmen um die mächtige Fleischpauke legte und deren Rundung noch betonte.
Ein Bild großer Harmonie.
Der Vater eines Kindes, dessen Klassenlehrer der Drachenmann war, begrüßte
ihn, stutzte und fing dann laut an zu lachen. Offensichtlich ein
GQ-Abonnent. „Wow, Mann, da haben Sie aber ein schönes T-Shirt.“ Er
schüttelte den Kopf und hatte viel Spaß. Der Lehrer antwortete nicht. Er
sah den Lachenden an. Irgendwie peinlich berührt. Er schien nicht
eingeschnappt oder indigniert zu sein. Er wusste schlicht nicht, was er
darauf antworten sollte. Da eilte ihm ein anderer Vater wie
selbstverständlich zur Hilfe. „Jaha“, nickte er freundlich in die Runde.
„So was muss man natürlich tragen können.“
Der Drachenmann hob beide Hände wie zur Segnung und zog dabei kurz nickend
den Kopf ein, so als stünde er vor seiner Klasse, die viel zu lange für die
Lösung einer Aufgabe gebraucht hatte. Als wollte er sagen: „Na also!“ Eine
Geste von fast schon überirdischer Souveränität und jedenfalls
zenbuddhistischer Seinsgewissheit. Nicht umsonst wurde die Jumbo-Größe XXL
eigens für die Heavy-Metal-Szene entwickelt. Aus XL war man schlicht
rausgewachsen. Metalheads nehmen nämlich gern mal, Winnie-the-Pooh seligen
Angedenkens, „einen kleinen Mundvoll oder ähnliches zu sich, um bei Kräften
zu bleiben“.
7 Jul 2014
## AUTOREN
Frank Schäfer
## TAGS
Heavy Metal
Mode
Heavy Metal
Kinder
Spargel
Familie
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